Online-Nachricht - Freitag, 27.07.2012

Umsatzsteuer | Verzinsung von Erstattungsansprüchen (EuGH)

Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Steuerbeträge zuzüglich Zinsen zu erstatten. Ob der Hauptbetrag nach einer Regelung über die einfache Verzinsung, einer Zinseszinsregelung oder nach einer anderen Regelung zu verzinsen ist, ist nach nationalem Recht unter Beachtung der Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz zu bestimmen (, Littlewoods Retail Ltd and others).

Hintergrund: Bei dem britischen Verfahren ging es um die Frage, ob der Staat Erstattungsansprüche wegen zu Unrecht erhobener MwSt nicht nur (einfach) verzinsen muss, sondern darüber hinaus Zinseszinsen schuldet. Die Klägerin hat eine Erstattung von über mehrere Jahre zu viel entrichteter MwSt erhalten. Die Rückzahlung erfolgte auf Grundlage von Sec. 80 des Value Added Tax Acts 1994 (VATA 1994). Die britische Finanzbehörde hat zudem gemäß Sec. 78 des VATA 1994 Zinsen an die Klägerin gezahlt. Sec. 78 des VATA 1994 sieht dabei die Zahlung einfacher Zinsen vor, nicht aber eine Verzinsung der Zinsen (Zinseszins).
Sachverhalt: Die Klägerin hat auch die Zahlung von Zinseszinsen geltend gemacht. Nach den Feststellungen des High Court sind die Voraussetzungen für einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch im vorliegenden Fall nicht gegeben. Als Rechtsgrundlage für die Forderungen der Klägerin komme im innerstaatlichen Recht allein Sec. 80 in Verbindung mit Sec. 78 VATA in Betracht. Es stelle sich die Frage, ob das Unionsrecht die Zahlung von Zinseszinsen gebiete, die die genannten Vorschriften nicht vorsähen.
Hierzu führte der EuGH weiter aus: Das Recht der Union ist dahin auszulegen, dass nach ihm der Steuerpflichtige, der einen zu hohen Mehrwertsteuerbetrag entrichtet hat, der vom betreffenden Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die Mehrwertsteuervorschriften der Union erhoben worden war, Anspruch auf Erstattung der unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Steuer sowie Anspruch auf deren Verzinsung haben muss. Ob der Hauptbetrag nach einer Regelung über die einfache Verzinsung, einer Zinseszinsregelung oder nach einer anderen Regelung zu verzinsen ist, ist nach nationalem Recht unter Beachtung der Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz zu bestimmen. Das bedeutet, dass die Verzinsung nicht ungünstiger sein darf als bei ähnlichen Klagen, die auf Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts gestützt sind (Grundsatz der Äquivalenz), und sie darf nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Ausübung der Rechte, die die Unionsrechtsordnung einräumt, praktisch unmöglich machen (Effektivitätsgrundsatz). Im vorliegenden Fall verlangt der Effektivitätsgrundsatz, dass die nationalen Vorschriften, die u.a. die Berechnung eventuell zu zahlender Zinsen regeln, nicht dazu führen, dass dem Steuerpflichtigen eine angemessene Entschädigung für die Einbußen, die er durch die zu Unrecht gezahlte Mehrwertsteuer erlitten hat, vorenthalten wird.
Quelle: EuGH online
Anmerkung: Auch das deutsche Recht sieht in § 233a AO keine Zinseszinsen vor. Die Zinsen betragen für jeden vollen Monat des Zinslaufs einhalb vom Hundert. Für die Zinsberechnung geltend die Grundsätze der sog. Sollverzinsung. Berechnungsgrundlage ist der Unterschied zwischen dem festgesetzten Soll und dem vorher festgesetzten Soll (Vorsoll). Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt im Regelfall 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.  Nach den Ausführungen des EuGH müssten sich diese Regelungen insbesondere auch am sog. Effektivitätsgrundsatz messen lassen.
 


 

Fundstelle(n):
NWB SAAAF-44391