Umsatzsteuer | Geschäftsveräußerung im Ganzen (EuGH)
Eine nicht umsatzsteuerbare Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn die Einrichtung und der Warenbestand eines Ladenlokals verkauft wird. Dies gilt auch für den Fall, in dem die Geschäftsräume vom Verkäufer an den Erwerber auf unbestimmte Zeit vermietet werden und der Vertrag kurzfristig gekündigt werden kann, sofern die übertragenen Sachen für die dauerhafte selbständige wirtschaftliche Tätigkeit des Erwerbers ausreichen (, Schriever).
Sachverhalt: Im Streitfall hatte die Klägerin die Geschäftsausstattung sowie den Warenbestand ihres Sportartikelgeschäftes an eine GmbH verkauft. Die Räumlichkeiten behielt sie in ihrem Eigentum und vermietete sie auf unbestimmte Zeit an die GmbH, wobei der Mietvertrag von jeder Partei kurzfristig gekündigt werden konnte. Die Klägerin unterwarf den Vorgang nicht der Umsatzsteuer, da sie von einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG ausging. Dagegen setzte das Finanzamt Umsatzsteuer gegen die Klägerin fest. Auf die hiergegen erhobene Klage setzte der BFH das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob eine "Übertragung" eines Gesamtvermögens im Sinne von Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG auch dann vorliegt, wenn ein Unternehmer den Warenbestand und die Geschäftsausstattung seines Einzelhandelsgeschäfts an einen Erwerber übereignet und ihm das in seinem Eigentum stehende Ladenlokal lediglich vermietet. Ferner wollte das Gericht klären lassen, ob es hierbei darauf ankommt, ob das Ladenlokal durch einen langfristigen Mietvertrag zur Nutzung überlassen wurde oder ob der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit läuft und von beiden Parteien kurzfristig kündbar ist.
Hierzu führen die Richter des EuGH weiter aus: Wenn die Übertragung des Warenbestands und der Geschäftsausstattung ausreicht, um die selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortführen zu können, ist die Übertragung der Geschäftsräume für die Einstufung des Vorgangs als Übertragung des Gesamtvermögens nicht ausschlaggebend. Die Dauer des gewährten Mietvertrages ist für die Beurteilung des Vorgangs als Vermögensübertragung mit einzubeziehen. Allerdings lässt allein die Möglichkeit, einen Mietvertrag auf unbestimmte Zeit kurzfristig zu kündigen, nicht die Schlussfolgerung zu, dass der Erwerber beabsichtigt, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil sofort abzuwickeln. Die Anwendung von Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG kann allein aus diesem Grund nicht abgelehnt werden. Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG ist dahin auszulegen, dass die Übereignung des Warenbestands und der Geschäftsausstattung eines Einzelhandelsgeschäfts unter gleichzeitiger Vermietung des Ladenlokals an den Erwerber auf unbestimmte Zeit, allerdings aufgrund eines von beiden Parteien kurzfristig kündbaren Vertrags, eine Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens im Sinne dieser Bestimmung darstellt, sofern die übertragenen Sachen dafür ausreichen, dass der Erwerber eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit dauerhaft fortführen kann.
Quelle: EuGH online
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Fundstelle(n):
JAAAF-42923