Online-Nachricht - Mittwoch, 16.03.2011

Gewerbesteuer | Insolvenzverwalter mit qualifizierten Mitarbeitern (BFH)

Der BFH hat seine Rechtsprechung geändert und entschieden, dass Insolvenzverwalter nicht automatisch gewerbesteuerpflichtig werden, wenn sie mehrere qualifizierte Mitarbeiter beschäftigen (; veröffentlicht am ).


Sachverhalt: Zwei zu einer Gesellschaft zusammengeschlossene Rechtsanwälte waren als Insolvenzverwalter tätig. Sie hatten dafür verschiedene qualifizierte Mitarbeiter eingesetzt. Sie rechneten ihre Tätigkeit zur Berufstätigkeit eines Rechtsanwalts und damit zur freiberuflichen Tätigkeit. Das Finanzamt ordnete die Einkünfte hingegen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb ein und setzte Gewerbesteuermessbeträge fest: Die Tätigkeit als Insolvenzverwalter führe grds. zu Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit. Würden dabei aber qualifizierte Mitarbeiter eingesetzt, handele es sich um gewerbliche Einkünfte, die die Gewerbesteuerpflicht auslösten.

Hierzu führt der BFH weiter aus: Einkünfte aus einer Tätigkeit als Insolvenzverwalter oder aus der Zwangsverwaltung von Liegenschaften sind, auch wenn sie von Rechtsanwälten erzielt werden, grds. den Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zuzurechnen. Dies gilt auch dann, wenn der Insolvenzverwalter oder Zwangsverwalter die Tätigkeit unter Einsatz vorgebildeter Mitarbeiter ausübt, sofern er dabei selbst leitend und eigenverantwortlich tätig bleibt; insoweit ist § 18 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 3 und 4 EStG entsprechend anzuwenden (Aufgabe der sog. Vervielfältigungstheorie). Allein aus der Anzahl der für einen Insolvenzverwalter tätigen Hilfspersonen kann nicht abgeleitet werden, inwieweit der Insolvenzverwalter seine Aufgaben selbständig und höchstpersönlich wahrnimmt. Deshalb kann nicht allein wegen der Beschäftigung von mehr als einem (gleich) qualifizierten Mitarbeiter die gewerbliche Qualifizierung der Einkünfte des Insolvenzverwalters gefolgert werden. Dies gilt umso mehr, als die Insolvenzverwaltertätigkeit als kaufmännisch-praktische Aufgabe weniger durch einen „persönlichen Dienst am Kunden“ als vielmehr durch eine Vielzahl von Einzelgeschäften und einen dadurch bedingten hohen Mitarbeitereinsatz geprägt wird.

Anmerkung: Der BFH gab mit der o.g. Entscheidung die vom Reichsfinanzhof entwickelte sogenannte Vervielfältigungstheorie auf, nach der der Einsatz qualifizierter Mitarbeiter dem "Wesen des freien Berufs" widersprach und deshalb zur Annahme einer gewerblichen Tätigkeit und zur Gewerbesteuerpflicht führte. Der Gesetzgeber hatte sich davon bereits 1960 gelöst und in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG geregelt, dass eine freiberufliche Tätigkeit auch dann gegeben ist, wenn ein Freiberufler fachlich vorgebildete Arbeitskräfte einsetzt, sofern er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig bleibt. Für Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG hatte die bisherige Rechtsprechung hingegen an der Vervielfältigungstheorie festgehalten, so dass derartige Tätigkeiten - wie die Insolvenzverwaltung - grds. ohne die Mithilfe fachlich vorgebildeter Hilfskräfte ausgeübt werden mussten, um die Gewerbesteuerpflicht zu vermeiden (vgl. z.B. NWB YAAAA-89162). In diesem Punkt hat der BFH nunmehr seine Rechtsprechung geändert: Die Regelung für freie Berufe in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, nach der der Einsatz qualifizierten Personals grds. zulässig sei, gelte für die sonstige selbständige Arbeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG entsprechend. Danach erzielt ein Insolvenz- oder Zwangsverwalter, der qualifiziertes Personal einsetzt, Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG (und ist folglich nicht gewerbesteuerpflichtig), wenn er über das "Ob" der im Insolvenzverfahren erforderlichen Einzelakte (z.B. Entlassung von Arbeitnehmern, Verwertung der Masse) persönlich entschieden hat. Auch zentrale Aufgaben des Insolvenzverfahrens hat er im Wesentlichen selbst wahrzunehmen, wie z.B. die Erstellung der gesetzlich vorgeschriebenen Berichte, des Insolvenzplans und der Schlussrechnung. Die kaufmännisch-technische Umsetzung seiner Entscheidungen kann er indes auf Dritte übertragen.

Quelle: BFH online

Hinweis: Die betroffenen Berufsgruppen sowie deren steuerliche Vertreter sollten die neue Rechtsprechung und die Argumentation des BFH genau kennen, um sowohl in noch offenen Verfahren als auch für die Zukunft richtig einschätzen zu können, ob eine Gewerblichkeit vorliegt oder nicht und um diese jedenfalls für die Zukunft zu vermeiden. NWB veranstaltet hierzu am ein Online-Seminar: „Wesentliche Änderungen zu § 18 EStG und ihre Auswirkung auf die Beratungspraxis“. Weitere Informationen zu dem Seminar erhalten Sie hier

 

Fundstelle(n):
NWB BAAAF-16809