Online-Nachricht - Donnerstag, 06.01.2011

Einkommensteuer | Abgrenzung von Anschaffungskosten und Erhaltungsaufwendungen (BFH)

Die Qualifizierung der einzelnen Aufwendungen als Anschaffungskosten oder Erhaltungsaufwendungen ist für jede Nutzungseinheit eines Gebäudes (hier Wohnung, Büro und Gaststätte) getrennt vorzunehmen. Dies gilt grundsätzlich auch im Hinblick auf die im Streitfall durchgeführte Fassaden- und Kellersanierung (; NV).


Hintergrund: Anschaffungskosten stellen nach § 255 Abs. 1 HGB diejenigen Aufwendungen dar, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Ein Gebäude ist betriebsbereit, wenn er entsprechend seiner Zweckbestimmung genutzt werden kann. Die Art und Weise, wie das Wirtschaftsgut genutzt werden soll, bestimmt der Erwerber. Soll das Gebäude zu Wohnzwecken genutzt werden, so gehört zur Zweckbestimmung auch die Entscheidung, welchem Standard das Gebäude entsprechen soll (sehr einfacher, mittlerer oder sehr anspruchsvoller Standard). Bei gebrauchten (leerstehenden) Immobilien sind Modernisierungsaufwendungen nur dann unter dem Gesichtspunkt der Betriebsbereitschaftskosten als Anschaffungskosten zu behandeln, wenn sie den Ausstattungsstandard in mindestens drei der vier funktionswesentlichen Bereichen (Heizung, Sanitär, Elektro, Fenster) anheben (vgl. NWB VAAAA-89578, unter II.1.a und v. - NWB SAAAD-40097, unter II.1.b). Diese Beurteilung ist für jede Nutzungseinheit (Wohnung, Büro) getrennt vorzunehmen ( NWB DAAAA-89571, unter II.2.a bb ).

Hierzu führt der BFH weiter aus: Bei der Beurteilung und Einordnung der einzelnen Aufwendungen als Erhaltungsaufwand bzw. als Anschaffungskosten hat das Finanzbericht im Streitfall augenscheinlich auf das gesamte Gebäude (auf das Gesamtobjekt) abgestellt, ohne zu berücksichtigen, dass Teile des Gebäudes unterschiedlich genutzt wurden bzw. werden sollten und dass damit die einzelnen Aufwendungen unterschiedlich zu qualifizieren sein können. Differenziert man zwischen den einzelnen Gebäudeteilen, so kann z.B. die Funktionstüchtigkeit (Betriebsbereitschaft) der im Erdgeschoss gelegenen Gaststätte (und deren Wiederherstellung) anders zu beurteilen sein als die des im 1. Obergeschoss gelegenen Büros oder die der im 2. Obergeschoss gelegenen Pächterwohnung; in diesem Zusammenhang könnten neben (unterschiedlichen) technischen Erfordernissen auch optische (ästhetische) Gesichtspunkte relevant sein. Das Finanzgericht hat wegen der Fassadenrenovierung nur auf die Gaststätte (im Erdgeschoss) abgestellt, ohne zu berücksichtigen, dass die Fassadengestaltung in Bezug auf die Nutzung des 1. und 2. Obergeschosses differenziert zu beurteilen sein kann. Ein Zuordnungsproblem existiert auch bei der Kellersanierung. Das gilt jedenfalls dann, wenn man den Sachverhalt mit der Klägerin in der Weise interpretiert, dass die vorgenommenen Sanierungsmaßnahmen im Keller des Gebäudes zur Herstellung der Betriebsbereitschaft des Lokals, nicht hingegen auch der Herbeiführung der Betriebsbereitschaft der Raumeinheiten im 1. Obergeschoss (Büro) und im 2. Obergeschoss (Pächterwohnung) gedient hätten.

Anmerkung: Der BFH hat die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen, da die bisher getroffenen Feststellungen nicht ausreichen würden, um die Beurteilung und Zuordnung der einzelnen Aufwendungen selbst vornehmen zu können. Das Finanzgericht wird bei seiner erneuten Entscheidung insbesondere zu berücksichtigen haben, dass die einzelnen Gebäudeteile unterschiedlichen Zwecken dienen (sollen) und dass die einzelnen Aufwendungen im Hinblick auf die unterschiedliche Nutzung gegebenenfalls unterschiedlich zu qualifizieren sind.

Quelle: BFH online


 

Fundstelle(n):
NWB TAAAF-16385