Online-Nachricht - Mittwoch, 01.12.2010

Einkommensteuer | Aufwendungen für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie (BFH)

In Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung hat der BFH anerkannt, dass auch Kosten für eine objektiv nicht zur Heilung oder Linderung geeignete Behandlung als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden können, wenn eine Erkrankung mit einer nur noch begrenzten Lebenserwartung besteht, die nicht mehr auf eine kurative Behandlung anspricht (; veröffentlicht am ).

Hierzu führte der BFH weiter aus: Leidet der Steuerpflichtige so schwer an einer Erkrankung mit einer nur noch begrenzten Lebenserwartung, die soweit fortgeschritten ist, dass sie nicht mehr auf eine kurative Behandlung anspricht, wird diese letzte Lebensphase von dem Konflikt zwischen der schicksalhaften Realität, dem Wunsch nach Heilung und der Hoffnung des Patienten, seine eigene Erkrankung möge prinzipiell anders verlaufen als nach den statistisch gewonnenen Erfahrungen zu erwarten ist, geprägt. In dieser notstandsähnlichen Situation erwachsen Patienten, die mit den heute verfügbaren schulmedizinischen Verfahren nicht oder nicht mehr zu heilen sind, auch Aufwendungen für Maßnahmen, denen es objektiv an der Eignung zur Heilung oder Linderung der Krankheit mangeln mag, tatsächlich zwangsläufig. Dies gilt selbst dann, wenn der Steuerpflichtige die notstandsähnliche Zwangslage zwischen Realität und Wunsch nach Heilung durch Kontakte mit ärztlichen Außenseitern zu lösen sucht und sich - nach intensiver Beratung über palliative Behandlungsmöglichkeiten - für eine aus schulmedizinischer oder naturheilkundlicher Sicht nicht anerkannte Heilmethode entscheidet. Nicht die medizinische Notwendigkeit der Maßnahme begründet in diesen Fällen die tatsächliche Zwangsläufigkeit, sondern die Ausweglosigkeit der Lebenssituation, die den „Griff nach jedem Strohhalm“ gebietet. Ihre Grenzen findet die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Außenseitermethoden allerdings, wenn Maßnahmen - anders als im Streitfall - von Personen vorgenommen werden, die nicht zur Ausübung der Heilkunde zugelassen sind.

Quelle: BFH online

Anmerkung: Man könnte sagen, dass der nunmehr für die außergewöhnlichen Belastungen wieder zuständige VI. Senat des BFH den objektiven Heilbehandlungsbegriff des III. Senats aufgegeben hat und an dessen Stelle eine subjektive Sicht therapeutischer Maßnahmen vertritt, die allein der ausweglosen Situation unheilbar Kranker, nämlich der Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen, gerecht wird. Bemerkenswert ist auch eine beiläufige Formulierung in den Entscheidungsgründen, wonach es der Senat dahinstehen lassen könne, ob "an dem formalisierten Nachweisverlangen" des vorab eingeholten amtsärztlichen Attestes "stets festzuhalten" sei. Dieser Hinweis deutet darauf hin, dass der VI. Senat des BFH dieses Erfordernis eines zuvor erstellten amtsärztlichen Zeugnisses kritisch beurteilt und möglicherweise in einem geeigneten Fall aufgeben könnte.   

 

Fundstelle(n):
NWB QAAAF-16198