Online-Nachricht - Mittwoch, 04.08.2010

Dienstwagen | Beschränkte Reichweite des Anscheinsbeweises bei 1 %-Regelung (BFH)

Die 1 %-Regelung gilt nur, wenn der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlässt. Aus der Bereitstellung von Pool-Fahrzeugen zu betrieblichen Zwecken kann nicht aufgrund eines Anscheinsbeweises darauf geschlossen werden, dass das Fahrzeug vom Arbeitnehmer auch privat genutzt wird (; veröffentlicht am ).


Sachverhalt: Der Kläger betrieb eine Apotheke mit Arzneimittelherstellung und etwa 80 Mitarbeitern, darunter auch der Sohn des Klägers, der auch das höchste Gehalt aller Mitarbeiter erhielt. Im Betriebsvermögen befanden sich sechs Kraftfahrzeuge, die für betriebliche Fahrten zur Verfügung standen. Fahrtenbücher wurden nicht geführt. Im Anschluss an eine Lohnsteuerprüfung ging das Finanzamt davon aus, dass der Sohn das teuerste der sechs betrieblichen Kraftfahrzeuge, einen Audi A8 Diesel, auch privat nutze, setzte dies als steuerpflichtigen Sachbezug mit der 1 %-Regelung an und erließ gegen den Kläger einen Lohnsteuerhaftungsbescheid. Der Kläger machte dagegen vor dem FG im Ergebnis erfolglos geltend, dass die Mitarbeiter und auch sein Sohn die betrieblichen Kraftfahrzeuge nicht privat sondern nur betrieblich genutzt hätten und die Privatnutzung arbeitsvertraglich verboten sei. Das Finanzgericht entschied, dass aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung der Beweis des ersten Anscheins für eine auch private Nutzung des Dienstwagens spreche. Unstreitig habe der Sohn das Fahrzeug dienstlich genutzt. Eine Privatnutzung durch ihn sei daher nicht auszuschließen.

Dazu führt der BFH weiter aus: Steht nicht fest, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat, kann auch der Beweis des ersten Anscheins diese fehlende Feststellung nicht ersetzen. Denn der Anscheinsbeweis streitet nur dafür, dass ein vom Arbeitgeber zur privaten Nutzung überlassener Dienstwagen auch tatsächlich privat genutzt wird. Der Anscheinsbeweis streitet aber weder dafür, dass dem Arbeitnehmer überhaupt ein Dienstwagen aus dem vom Arbeitgeber vorgehaltenen Fuhrpark zur Verfügung steht, noch dafür, dass er einen solchen unbefugt auch privat nutzt. Denn nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist zwar typischerweise davon auszugehen, dass ein dem Arbeitnehmer auch zur privaten Nutzung überlassener Dienstwagen von ihm tatsächlich auch privat genutzt wird. Weiter reicht dieser allgemeine Erfahrungssatz aber nicht. Es gibt insbesondere keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass Fahrzeuge aus dem Fuhrpark des Arbeitgebers stets einem oder mehreren Arbeitnehmern zur privaten Nutzung zur Verfügung stehen und auch privat genutzt werden. Der BFH hob deshalb die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

Quelle: BFH online, BFH Pressemitteilung 65/2010

Anmerkung der NWB-Redaktion: Der Lohnsteuersenat des BFH hat der exzessiven Anwendung des Anscheinsbeweises eine Grenze gesetzt und damit dem Finanzamt, wie dem Finanzgericht die oft als lästig empfundenen Tatsachenfeststellungen zur privaten Nutzungsüberlassung eines betrieblichen PKW nicht ersparen können. Führt die unbefugte private Nutzung eines Firmenfahrzeugs zwar nicht zu Arbeitslohn, so steht dem Arbeitgeber aber ein Schadensersatzanspruch bzw. eine Nutzungsentschädigung zu; verizchtet er aber darauf, diesen Anspruch geltend zu machen, so wird daraus ein geldwerter Vorteil.

 

Fundstelle(n):
NWB RAAAF-15434