Steuerstrafrecht | Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige umstritten (Bundestag)
Die nach der Abgabenordnung mögliche strafbefreiende Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung ist auch unter Sachverständigen völlig umstritten.
Sachverständigenmeinungen: ”Wer die Selbstanzeige gänzlich abschaffen will, schießt über das Ziel hinaus“, erklärte Professor Wolfgang Joecks von der Ernst Moritz Arndt Universität Greifswald. Dagegen betonte Martin Kemper, Richter am Finanzgericht München, ”dass die Legitimation der Selbstanzeige nur schwach begründet ist und einer Streichung von § 371 Abgabenordnung damit im Ergebnis keine gewichtigen Argumente entgegenstehen“. Der Steuerberater-Verband wies den Verdacht zurück, es könne Hinterziehungsstrategien geben. Vielmehr gebe es Fälle, dass Schwarzgeld irgendwann Probleme bereite, etwa weil es sich nicht vererben lasse und dann zum Instrument der Selbstanzeige gegriffen werde. Ein Vertreter der Steuerberaterkammer erklärte, das bestehende System mit der Selbstanzeige habe sich in der Praxis bewährt. Hinterziehungsstrategien bei der Selbstanzeige konnte er ebenfalls nicht bestätigen. Er wies außerdem darauf hin, dass zum Beispiel in Fällen von unwissentlich falschen Angaben für den Kindergeldbezug – etwa wenn Einkünfte der Kinder nicht bekannt gewesen seien – das Instrument der Selbstanzeige notwendig sei, um Kriminalisierungen zu vermeiden. Solchen Angaben widersprachen Deutsche Steuer-Gewerkschaft und Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) energisch. Der Vorsitzende der Steuer-Gewerkschaft, Dieter Ondracek, erklärte, unwissentlich gemachte falsche Angaben beim Kindergeld seien ”nie und nimmer strafrechtlich relevant“. Dass jemand mit ”null Strafe“ davon kommen könne, gebe es nur im Steuerbereich. Es habe mit dem Rechtsstaat nichts mehr zu tun, wenn sich der Staat die Pflicht zur Strafverfolgung abkaufen lasse. Ondracek empfahl einen ”klaren Schnitt“. Professor Markus Jäger, Richter am Bundesgerichtshof, warnte davor, durch eine Abschaffung der Selbstanzeige, ”das Kind mit dem Bade auszuschütten“. Auch Steueranwalt Rainer Spatschek empfahl die Beibehaltung der Selbstanzeige. Oft sei es so, dass Mandaten, etwa aus Altersgründen, mit dem Schwarzgeld nichts mehr anzufangen wüssten und zum Instrument der Selbstanzeige greifen würden. Der Zentrale Kreditausschuss, in dem die großen Bankenverbände zusammengeschlossen sind, hält die Selbstanzeige ”für ein grundsätzlich geeignetes Instrument des Fiskus, um Kenntnis von bislang nicht bekannten steuerlich relevanten Sachverhalten zu erlangen und diese zu besteuern“.
Quelle: hib - heute im bundestag Nr. 241
Fundstelle(n):
MAAAF-15265