Online-Nachricht - Donnerstag, 10.06.2010

Umsatzsteuer | Punktuelle Glücksspiel-Steuerbefreiung europarechtskonform (EuGH)

Die Mitgliedstaaten verstoßen nicht gegen Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG, wenn sie nur bestimmte Glücksspiele mit Geldeinsatz von der Umsatzsteuer befreien. Das gilt auch dann, wenn die Umsatzsteuerbefreiung nur einen kleinen Teil der insgesamt getätigten Glücksspielumsätze betrifft ( Leo-Libera).


Hintergrund: Durch das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen (StEindämmG) vom wurde § 4 Nr. 9 Buchst. b des UStG 2005 mit Wirkung vom geändert. Demnach sind umsatzsteuerfrei:


„die Umsätze, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen. Nicht befreit sind die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallenden Umsätze, die von der Rennwett- und Lotteriesteuer befreit sind oder von denen diese Steuer allgemein nicht erhoben wird“.

Nach dem UStG in Verbindung mit dem Rennwett- und Lotteriegesetz (im Folgenden: RennwLottG) sind Pferderennwetten („Pferdewetten“), Wetten zu festen Odds („Oddset-Wetten“), Lotterien und Ausspielungen von der Umsatzsteuer befreit.

Sachverhalt: Das Unternhemen Leo-Libera betrieb eine Spielhalle mit Geldspielautomaten. In ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Januar 2007 erklärte sie ihre daraus erzielten Umsätze. Gegen die Festsetzung ihrer Umsatzsteuervorauszahlung durch das Finanzamt legte sie Einspruch ein und machte geltend, diese Umsätze seien von der Umsatzsteuer befreit. Ihrer Ansicht nach verstößt die Neuregelung von § 4 Nr. 9 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 2005 durch das StEindämmG gegen das Gemeinschaftsrecht. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Der BFH äußerte Zweifel bezüglich der Übereinstimmung von § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG mit dem Gemeinschaftsrecht. Nach Art. 13 Teil B Buchst. f der Sechsten Richtlinie in der Auslegung durch den Gerichtshof seien die Veranstaltung und der Betrieb von Glücksspielen mit Geldeinsatz grundsätzlich von der Mehrwertsteuer zu befreien. Wegen des übereinstimmenden Wortlauts der beiden Vorschriften gelte das Gleiche für Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112.

Diese Steuerbefreiung werde aber durch § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG auf eine begrenzte Anzahl von Spielen, nämlich Lotterien und Wetten, beschränkt, obwohl diese nur den geringeren Teil der Spielvorgänge in Deutschland und des mit dieser Tätigkeit in Deutschland erzielten Umsatzes ausmachten. Das Gericht fragt sich deshalb, ob der deutsche Gesetzgeber den Gestaltungsspielraum, den ihm das Gemeinschaftsrecht einräume, bei der Gesetzesreform von 2006 nicht überschritten habe.

Dazu führt der EuGH weiter aus: Aus der Formulierung des Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112 selbst ergibt sich zunächst, dass dieser den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Befreiung oder Besteuerung der betreffenden Umsätze einen weiten Wertungsspielraum eingeräumt hat, da er ihnen gestattet, die Bedingungen und Beschränkungen festzulegen, von denen die Gewährung der Befreiung abhängig gemacht werden kann.

Ferner liefert der Wortlaut des Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112 keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber eine mengenmäßige Beschränkung gleich welcher Art einführen wollte, etwa um sicherzustellen, dass mindestens 50 % der in einem Mitgliedstaat betriebenen und veranstalteten Glücksspiele mit Geldeinsatz oder mindestens 50 % der mit dem Betrieb und der Veranstaltung dieser Spiele erzielten Umsätze unter die darin vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung fallen können.

Dem steht in Anbetracht der Zielsetzung des Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112 und der allgemeinen Systematik, die dieser Richtlinie zugrunde liegt, nicht entgegen, dass der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, dass die Veranstaltung und der Betrieb von Glücksspielen und Glücksspielgeräten grundsätzlich von der Mehrwertsteuer zu befreien sind (vgl. u. a. Urteile vom , Fischer, C-283/95, Slg. 1998, I-3369, Randnr. 25, und Linneweber und Akritidis, Randnr. 23).

Grundsatz der steuerlichen Neutralität
Entgegen dem Vorbringen von Leo-Libera steht der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, der besagt, dass gleichartige und deshalb miteinander im Wettbewerb stehende Leistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen, einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen ebenfalls nicht entgegen.

Dieser Grundsatz kann nämlich nicht dahin ausgelegt werden, dass er daran hindert, eine Art von Glücksspiel mit Geldeinsatz von der Mehrwertsteuer zu befreien, eine andere dagegen nicht, sofern die beiden Arten von Spielen nicht miteinander im Wettbewerb stehen, da sonst Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112 und dem weiten Wertungsspielraum, der den Mitgliedstaaten durch diese Bestimmung eingeräumt ist, jede praktische Wirksamkeit genommen würde. Ausweislich der dem Gerichtshof vorgelegten Akten behandelt die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung gleichartige Glücksspiele mit Geldeinsatz, die als miteinander im Wettbewerb stehend betrachtet werden können, mehrwertsteuerlich nicht unterschiedlich.

Dass die von der Mehrwertsteuer befreiten Glücksspiele mit Geldeinsatz wie im Ausgangsverfahren nur den geringeren Teil der im Inland zugelassenen Spiele ausmachen und/oder mit ihnen nur der geringere Teil des dort im Glücksspielbereich erzielten Gesamtumsatzes erwirtschaftet wird, ist also in Bezug auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität unerheblich.

Quelle: EuGH

 

Fundstelle(n):
NWB MAAAF-15106