Online-Nachricht - Mittwoch, 09.06.2010

Umsatzsteuer | Voraussetzungen der Ist-Besteuerung (BFH)

Die Steuerberechnung nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Besteuerung) kommt nur bei besonderen Härten wie z.B. dem Überschreiten der gesetzlichen Umsatzgrenze aufgrund außergewöhnlicher und einmaliger Geschäftsvorfälle, nicht aber allgemein aufgrund einer fehlenden Buchführungsverpflichtung in Betracht (; veröffentlicht am ).


Hintergrund: Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 UStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung konnte das Finanzamt auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer,

  • 1. dessen Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 250.000 DM betragen hat, oder

  • 2. der von der Verpflichtung, Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen, nach § 148 AO befreit ist, oder

  • 3. soweit er Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausführt,

die Steuer nicht nach den vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1 UStG), sondern nach den vereinnahmten Entgelten berechnet.
Sachverhalt: Die Klägerin vermietete ein Gebäude mit 23 Wohnungen, sieben Büro- und Gewerbeeinheiten, einem Hotel und einem Restaurant. Das Finanzamt gestattete der Klägerin zunächst die Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 20 Abs. 1 des UStG 1993 für die Jahre 1997 und 1998. Zugleich wies das Finanzamt darauf hin, dass diese Art der Steuerberechnung aufgrund des Überschreitens der Umsatzgrenze nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG ab 1999 nicht mehr möglich sei. Die Klägerin berechnete die Steuer gleichwohl auch in den Jahren 1999 bis 2001 (Streitjahre) nach vereinnahmten Entgelten.
Hierzu führte das Gericht weiter aus: Überschreitet ein Unternehmer die Umsatzgrenze des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG, kann die Steuerberechnung nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG zu gestatten sein. Diese Vorschrift setzt jedoch voraus, dass der Unternehmer von der Verpflichtung, Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen, nach § 148 AO befreit ist. Nach § 148 Satz 1 AO können die Finanzbehörden für einzelne Fälle oder bestimmte Gruppen von Fällen Erleichterungen bewilligen, wenn die Einhaltung der durch die Steuergesetze begründeten Buchführungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten Härten mit sich bringt und die Besteuerung durch die Erleichterung nicht beeinträchtigt wird. Derartige Erleichterungen können gewerblichen Unternehmern sowie Land- und Forstwirten bewilligt werden, die nach § 141 Abs. 1 Satz 1 AO verpflichtet sind, Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen Abschlüsse zu machen. Da die Klägerin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielte, unterlag sie nicht der Buchführungspflicht nach § 141 Abs. 1 Satz 1 AO und konnte daher auch nicht von dieser gemäß § 148 AO befreit werden, so dass die Voraussetzungen für eine Steuerberechnung nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG nicht vorliegen. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG enthält keine Regelungslücke und kann daher nicht erweiternd ausgelegt werden. Auch eine Ungleichbehandlung zu den Umsätzen der Angehörigen der freien Berufe (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) ist nicht erkennbar. Anders als bei den steuerpflichtigen Umsätzen der Angehörigen der freien Berufe beruht die Steuerpflicht der grds. steuerfreien Vermietung unbeweglichen Vermögens auf einer Option zur Steuerpflicht (§ 9 UStG). Aufgrund dieser Besonderheit ist eine Gleichbehandlung des auf die Steuerfreiheit seiner Umsätze verzichtenden Vermieters mit den Angehörigen der freien Berufe, deren Umsätze nicht aufgrund eines derartigen Verzichts, sondern kraft Gesetzes steuerpflichtig sind, nicht geboten. Das Finanzamt hat deshalb die von der Klägerin beantragte Ist-Besteuerung zutreffend abgelehnt. 
Anmerkung: Für eine grundstücksverwaltende GbR, deren Jahresumsätze infolge des Verzichts auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze nachhaltig die gesetzliche Jahresumsatzgrenze überschreiten, sieht der BFH keine Rechtsgrundlage für die Ist-Besteuerung gem. § 20 UStG. Der BFH widersprach mit der o.g. Entscheidung dem FG Köln, welches in der Vorinstanz von einer entsprechenden Regelungslücke ausgegangen ist (Az. NWB DAAAD-37475). Ob die gesetzliche Regelung sinnvoll ist, lässt sich bezweifeln.
Quelle: BFH online
Hinweis: Mit dem sog. Bürgerentlastungsgesetz wurde die Umsatzgrenze für die Ist-Besteuerung bundeseinheitlich für alle Unternehmen ab dem auf 500.000 € erhöht. Die Erhöhung ist jedoch befristet bis zum . Laut Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP v. soll noch in dieser Legislaturperiode geprüft werden, ob und in welchem Umfang das Prinzip der Ist-Besteuerung der Umsätze ausgeweitet werden kann (vgl. NWB-Nachricht v. 26.10.2010) .
 

Fundstelle(n):
NWB JAAAF-15091