Online-Nachricht - Mittwoch, 03.03.2010

Kindergeldantrag | Kein besonderer Schutz des Kindes gegen nachlässige Eltern (BFH)

Auch wenn ein Kind berechtigt ist, das Kindergeld selbst zu beantragen, kann es mit einem Antrag auf Kindergeld keine erneute Entscheidung über den vom Kindergeldberechtigten geltend gemachten Kindergeldanspruch erreichen, sofern dieser bereits bestandskräftig abgelehnt wurde (; veröffentlicht am ).


Sachverhalt: Eine Kindsmutter erhielt für ihre 1981 geborene Tochter, die Klägerin, bis einschließlich Dezember 2002 Kindergeld. Die Klägerin absolvierte nach ihrer Schulausbildung von August 2001 bis Ende Juni 2004 eine Ausbildung. Sie lebte zu dieser Zeit in einer eigenen Wohnung und erhielt von ihren Eltern keine Unterhaltsleistungen. Mit Bescheid vom lehnte die Familienkasse den Antrag der Kindsmutter auf Kindergeld für die Klägerin ab, da die Einkünfte und Bezüge der Klägerin im Jahr 2003 den Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG von 7.188 € überschritten hätten. Diesen Bescheid, der der Klägerin nicht bekannt gegeben wurde, hat die Beigeladene nicht angefochten. Im August 2006 beantragte die Klägerin unter Bezugnahme auf den Beschluss des BVerfG v. NWB CAAAB-84736 die „rückwirkende Auszahlung“ des Kindergeldes u.a. für den Zeitraum von Januar 2003 bis Juni 2004 an sich. Daraufhin setzte die Familienkasse mit Bescheid vom , den sie an die Kindsmutter richtete, Kindergeld für die Monate Mai und Juni 2004 fest. Eine Änderung des Bescheids vom sei nicht möglich, da durch diesen der Kindergeldanspruch ab Januar 2003 bestandskräftig abgelehnt worden sei.

Dazu führt der BFH weiter aus: Stellt ein nach § 67 Satz 2 Alternative 2 EStG Antragsberechtigter den Antrag auf Kindergeld, so wird er dadurch nicht zum Kindergeldberechtigten. Die Anspruchsvoraussetzungen müssen vielmehr in der Person des (materiell) Kindergeldberechtigten gegeben sein. § 67 Satz 2 Alternative 2 EStG räumt dem Antragsberechtigten lediglich eine verfahrensrechtliche Rechtsstellung ein, die es ihm ermöglicht, das Festsetzungsverfahren über einen - fremden - Steuervergütungsanspruch einzuleiten; darüber hinaus ist er berechtigt, die im Festsetzungsverfahren getroffene Entscheidung auch gerichtlich überprüfen zu lassen. § 67 Satz 2 Alternative 2 EStG gewährt jedoch kein Recht, ein weiteres Festsetzungsverfahren über den fremden Steuervergütungsanspruch einzuleiten. Ist das Festsetzungsverfahren für den (materiell) Kindergeldberechtigten bestandskräftig abgeschlossen, muss ein nach § 67 Satz 2 Alternative 2 EStG Antragsberechtigter sich die Bestandskraft des dieses Festsetzungsverfahren abschließenden Bescheids entgegenhalten lassen. Das gilt unabhängig davon, ob er von der Durchführung dieses Verfahrens Kenntnis hatte oder nicht. § 67 Satz 2 Alternative 2 EStG ermöglicht lediglich, dass der für die Einleitung des Festsetzungsverfahrens erforderliche Antrag auch in den Fällen gestellt werden kann, in denen der Kindergeldberechtigte selbst z.B. deshalb keinen Antrag stellt, weil etwa festzusetzendes Kindergeld ohnehin nicht an ihn, sondern an einen nach § 74 EStG Berechtigten auszuzahlen wäre. § 67 Satz 2 Alternative 2 EStG gibt dem danach Antragsberechtigten jedoch kein Recht darauf, von der Einleitung eines Festsetzungsverfahrens aufgrund eines fremden Antrags benachrichtigt zu werden. Das in § 67 Satz 2 Alternative 2 EStG vorgesehene, auf Einleitung eines Festsetzungsverfahrens gerichtete Antragsrecht besteht nur für und im Rahmen des Festsetzungsverfahrens zwischen dem (materiell) Kindergeldberechtigten und der Familienkasse. Kann ein dieses Verfahren abschließender, für den Kindergeldberechtigten negativer Bescheid von diesem im Hinblick auf seine Bestandskraft nicht mehr angegriffen werden, besteht auch für einen nach § 67 Satz 2 Alternative 2 EStG Antragsberechtigten keine verfahrensrechtliche Möglichkeit mehr, unter Hinweis auf sein Antragsrecht zugunsten des (materiell) Kindergeldberechtigten eine andere (positive) Festsetzung zu erreichen. Das Antragsrecht ist mit Eintritt der Bestandskraft des ablehnenden Bescheids diesem gegenüber verbraucht.

Quelle: BFH online

Anmerkung der NWB-Redaktion: Den Anspruch auf Kindergeld haben bekanntlich die Eltern, also nicht diejenigen, denen das Kindergeld eigentlich zugute kommen soll, nämlich die Kinder. Das führt in der Regel aufgrund des Unterhaltsanspruchs und der üblichen sozialen Verbundenheit von Eltern und Kindern nicht zu Verwerfungen. Aber der Gesetzgeber hat auch an den Ausnahmefall gedacht und deshalb den Kindern sowohl das Recht zugestanden, Kindergeld zu beantragen (§ 67 EStG), als auch die Auszahlung des Kindergeldes an sich selbst zu verlangen (§ 74 EStG). Offenbar nicht daran gedacht hat er, dass das Kind gegen eine nachlässige Geltendmachung des Kindergeldanspruchs durch die Eltern nur dann völlig geschützt wäre, wenn es am Kindergeldverfahren der Eltern beteiligt oder die Wirkung der dort ergehenden Entscheidungen auf die Eltern beschränkt wäre. Das ist aber, wie die Entscheidung des BFH mit Recht ausführt, beides nicht der Fall: Ist ein Kindergeldantrag der Eltern bestandskräftig abgelehnt worden, blockiert dies das Antragsrecht des Kindes, auch wenn dieses von dem Kindergeldantrag und dessen Ablehnung gar nichts wusste, also nicht im Stande war, gegen den Ablehnungsbescheid Einspruch einzulegen und ggf. Klage zu erheben. Diese Möglichkeiten gesteht ihm der BFH immerhin zu; aber sie setzen natürlich voraus, dass das Kind überhaupt über den Stand der Dinge im Bilde ist. Bei gehöriger Aufmerksamkeit wird es sich freilich die dazu erforderlichen Kenntnisse verschaffen können, in der Regel über seine Eltern, gegebenenfalls aber auch bei der Familienkasse.

 

Fundstelle(n):
NWB YAAAF-14396