Online-Nachricht - Mittwoch, 03.02.2010

Selbständige Arbeit | Weitere EDV-Berufsbilder zahlen keine Gewerbesteuer mehr (BFH)

Neben dem sog. Software Engineering zählt auch die Administratorentätigkeit, die Betreuung, individuelle Anpassung und Überwachung von Systemsoftware sowie die Tätigkeit als leitender Manager von großen IT-Projekten zu den freiberuflichen Arbeiten, sofern die übrigen Voraussetzungen gegeben sind (; VIII R 63/06 und VIII R 79/06; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Eine freiberufliche Tätigkeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG übt auch aus, wer einem dem Ingenieurberuf ähnlichen Beruf nachgeht. Der ähnliche Beruf muss dem Beruf des Ingenieurs sowohl hinsichtlich der erforderlichen Berufsausbildung als auch hinsichtlich der tatsächlich entfalteten Tätigkeit im Wesentlichen gleichen (ständige Rechtsprechung, BFH-Urteil v. NWB YAAAB-83226). Für die Vergleichbarkeit mit dem Beruf des Ingenieurs wird nicht der Abschluss einer nach den Ingenieurgesetzen der Länder vorgeschriebenen Ausbildung verlangt. Erforderlich ist allerdings der Nachweis einer vergleichbaren Tiefe und Breite der Vorbildung.

Für den technischen Bereich der elektronischen Datenverarbeitung hat der BFH in drei Urteilen v. den Kreis der ingenieurähnlichen Tätigkeiten erweitert.

1.) Im Fall eines Diplom-Ingenieurs (VIII R 31/07), der als Netz- oder Systemadministrator eine Vielzahl von Servern betreute stand die Frage nach der Wahrnehmung von für den Ingenieurberuf typischen Aufgaben im Vordergrund. Das FG hatte seine Tätigkeit als gewerblich eingestuft, weil er nicht System- oder Anwendersoftware durch eine klassische ingenieurmäßige Vorgehensweise auf der Grundlage natur- und technikwissenschaftlicher Erkenntnisse entwickelt, sondern eine Tätigkeit als Netzwerk- und Systemadministrator ausgeübt habe.

 

Dazu führt der BFH weiter aus: Die Tätigkeit eines Ingenieurs umfasst auch die Entwicklung von Betriebssystemen und ihre Anpassung an die Bedürfnisse des Kunden, die rechnergestützte Steuerung, Überwachung und Optimierung industrieller Abläufe, den Aufbau, die Betreuung und Verwaltung von Firmennetzwerken und -servern, die Anpassung vorhandener Systeme an spezielle Produktionsbedingungen und Organisationsstrukturen sowie die Bereitstellung qualifizierter Dienstleistungen, wie etwa Benutzerservice und Schulung. Informatik-Ingenieure arbeiten u.a. auch in der Netz- und Systemadministration, sie beurteilen die Leistungsfähigkeit von Rechnernetzen oder bewerten die Energieeffizienz bestehender Systeme. Der Kläger hat eine freiberufliche Tätigkeit auch tatsächlich ausgeübt. Diese war davon geprägt, dass er für den freien Beruf des Informatik-Ingenieurs typische Aufgaben wahrgenommen hat. Er hat als Systemadministrator Rechnernetze mit mehreren tausend Nutzern überwacht, optimiert, betreut und verwaltet. Er war zudem für die Fehleranalyse und -beseitigung verantwortlich. Derartige Tätigkeiten werden vom Berufsbild des Informatik-Ingenieurs erfasst.

2.) Im zweiten Fall (VIII R 63/06) betreute ein EDV-Autodidakt aufgrund eines Software-Partnervertrages selbständig Kunden, die Systemsoftware der Firma A erworben hatten. Diese Tätigkeit bestand in der Regel darin, Betriebssysteme und Datenübertragungssysteme aus dem Hause A zu installieren und einzurichten oder auf neue Betriebssysteme umzustellen. Das FG ordnete die Betreuung der Kunden, die Software der A nutzten, als gewerbliche Tätigkeit ein, weil der Kläger nicht selbst Systemsoftware entwickelt habe.

Dazu führt der BFH weiter aus: Die Tätigkeit eines Ingenieurs umfasst auch die Entwicklung von Betriebssystemen und ihre Anpassung an die Bedürfnisse des Kunden, die rechnergestützte Steuerung, Überwachung und Optimierung industrieller Abläufe, den Aufbau, die Betreuung und Verwaltung von Firmennetzwerken und -servern, die Anpassung vorhandener Systeme an spezielle Produktionsbedingungen und Organisationsstrukturen sowie die Bereitstellung qualifizierter Dienstleistungen, wie etwa Benutzerservice und Schulung.


Auch die Arbeiten, die der Kläger für Kunden verrichtet hat, die Software der A nutzten, werden noch vom Berufsbild eines Informatikers erfasst. Der Kläger hat zwar insoweit die Systemsoftware nicht selbst entwickelt, seine Tätigkeit hat sich aber auch nicht auf die reine Installation beschränkt. Vielmehr hat er die Software den örtlichen Gegebenheiten angepasst. Soweit auf Systeme der B umgestellt wurde, hat er auf Softwareentwicklungsarbeiten zurückgegriffen, für die er selbst im Rahmen des Sonderauftrages mit der B mitverantwortlich zeichnete.

3.) Im dritten Fall (VIII R 79/06) leitete ein EDV-Autodidakt als Subunternehmer einer Technologiefirma mehrere EDV-Projekte auf der Basis von Rahmenvereinbarungen und Einzelprojektverträgen. Danach hatte der Kläger u.a. für das Projekt C Media Server eine Systemberatung zu erbringen. Diese Aufgabe umfasste u.a. die fachliche Leitung des Projekts, die Auswahl und Einweisung neuer Projektmitarbeiter, die Überprüfung der Leistungen und Sicherstellung des wöchentlichen Reportings, das Erstellen von Projektplänen und die Leitung von Besprechungen sowie die Mitarbeit bei der Definition und der vertraglichen Vereinbarung der Folgephasen. Bei dem C-Projekt waren fünf Lieferanten von DV-Komponenten zu koordinieren. Das FG  sah die Tätigkeit des Klägers als Leiter komplexer Datenverarbeitungsprojekte nicht als ingenieurähnlich an. Die Tätigkeit als Projektmanager stelle einen eigenständigen, von § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht erfassten Beruf dar.

Dazu führt der BFH weiter aus: Der Kläger war auf einem typischen Betätigungsfeld von Informatik-Ingenieuren, nämlich der IT-Projektleitung berufstätig. Bei den vom Kläger betreuten Projekten handelte es sich um hoch komplexe Datenverarbeitungsprojekte. Dabei ging es in erster Linie um die technische Realisierung der Vorhaben. Der Kläger hatte die technische Oberleitung der Arbeiten und die Verantwortung für die technische Realisierung. Dem FG-Urteil ist zu entnehmen, dass diese Aufgabe nur einer Person anvertraut werden konnte, die über besonders fundierte Fachkenntnisse und ein entsprechendes Fachwissen im Bereich der EDV verfügte. Der Kläger ist damit wie ein projektleitender Ingenieur tätig geworden.

Quelle: BFH online

Anmerkung der NWB-Redaktion: Seitdem der VIII. Senat des BFH im Jahre 2008 die ausschließliche Zuständigkeit über die Einkünfte aus selbständiger Arbeit übernommen hat, zeigt sich eine deutliche Tendenz, die rigiden Abgrenzungsmaßstäbe zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu lockern. Dies gilt insbesondere für die Einkünfte von Autodiktaten, die oft hochqualifiziert die Zuordnung ihrer Einkünfte zu solchen aus einer ähnlichen Berufstätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG anstreben. Hatte man früher den Eindruck, Autodiktaten müssten weit mehr leisten als der Berufsträger, dem sie gleichgestellt sein wollten, so scheint die neuere Rechtsprechung zur Kenntnis zu genommen zu haben, dass auch Steuerpflichtige mit Katalogberufen in ihrer Praxis nicht stets die anspruchsvollste Tätigkeit ausüben. Musste der Autodiktat bisher noch Art und Weise seines Selbststudiums sowie die Anwendung seines Fachwissens akribisch nachweisen, so scheint es nach der neueren Rechtsprechung zu genügen, dass er eine Tätigkeit ausübt, die durch die typischen Aufgaben des Trägers eines Katalogberufs geprägt wird.

 

Fundstelle(n):
NWB HAAAF-14166