Online-Nachricht - Mittwoch, 13.01.2010

Einkommensteuer | Keine Steuerentstrickung bei Betriebsverlegung ins Ausland (BFH)

Unternehmer können ihren bisher im Inland ansässigen Betrieb in einen ausländischen Staat verlegen und von dort aus fortführen ohne die im Betriebsvermögen angesammelten stillen Reserven - wie bei einer Betriebsaufgabe - sofort aufdecken und versteuern zu müssen. Der BFH hat seine Rechtsprechung zur sog. finalen Betriebsaufgabe insofern aufgegeben (; veröffentlicht am ).


Hintergrund: Nach der Rechtsprechung des BFH wird es wie eine Betriebsaufgabe behandelt, wenn ein Betrieb als wirtschaftlicher Organismus zwar bestehen bleibt, aber durch eine Handlung bzw. einen Rechtsvorgang in seiner ertragsteuerlichen Einordnung so verändert wird, dass die Erfassung der stillen Reserven nicht gewährleistet ist (vgl. Beschluss des Großen Senats des NWB PAAAA-91011). Nach diesem Grundsatz wurde bisher eine Betriebsverlegung vom Inland in das Ausland als Betriebsaufgabe angesehen, wenn der Gewinn aus dem in das Ausland verlegten Gewerbebetrieb aufgrund eines DBA nicht der inländischen Besteuerung unterlag (sog. Theorie der finalen Betriebsaufgabe, vgl. Senatsurteil vom NWB TAAAA-98882).

Sachverhalt: Der Kläger erzielte im Streitjahr 1995 Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Erfinder. Seinen diesbezüglichen Gewinn ermittelte er durch Einnahmen-Überschussrechnung. Der Kläger war außerdem alleiniger Gesellschafter einer GmbH mit Sitz in Deutschland und zu 95 % Gesellschafter einer gleichnamigen GmbH mit Sitz in der Schweiz. Seine Einkünfte als Erfinder erzielte er dadurch, dass er seine in seinem Einzelunternehmen gemachten Erfindungen u.a. diesen beiden Gesellschaften sowie anderen Unternehmen zur Nutzung überließ. Am verlegte der Kläger seinen Wohnsitz nach Belgien, von wo aus er sein Einzelunternehmen unverändert weiterführte. Das Finanzamt war nach einer Betriebsprüfung der Auffassung, der Umzug des Klägers nach Belgien habe zu einer Aufgabe des Einzelunternehmens geführt.

Dazu führt der BFH weiter aus: Die Verlegung von Betrieb und Wohnsitz des Klägers zum nach Belgien war keine Betriebsaufgabe. Der Senat hält an der Rechtsprechung zur finalen Betriebsaufgabe aus den gleichen Gründen nicht fest, die ihn zur Aufgabe der sog. Theorie der finalen Entnahme bei der Überführung von Einzelwirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte des gleichen Unternehmens (BFH v. NWB NAAAC-92663)  bewogen haben. Für die Annahme eines Realisationstatbestands bei Verlegung eines Betriebs ins Ausland fehlte es im Streitjahr sowohl an einer gesetzlichen Grundlage als auch an einem Bedürfnis. Behält der Betriebsinhaber seinen Wohnsitz im Inland bei, ist er weiterhin unbeschränkt steuerpflichtig. Dann ergibt sich der Besteuerungstatbestand aus § 18 Abs. 3 EStG 1990. Entfällt die unbeschränkte Steuerpflicht, weil der Betriebsinhaber nicht nur den Betrieb, sondern auch seinen Wohnsitz in den ausländischen Staat verlegt, geht das Besteuerungsrecht im Hinblick auf die im Inland entstandenen stillen Reserven ebenfalls nicht verloren. Der Betriebsinhaber bleibt nämlich mit dem Veräußerungsgewinn, soweit dieser auf der Realisierung der im Inland gebildeten stillen Reserven beruht, gemäß § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1990 beschränkt steuerpflichtig.

Hinweis: Das Urteil betraf eine Betriebsverlegung im Jahre 1995. Mit § 4 Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes wurde zwischenzeitlich mit Wirkung vom Veranlagungszeitraum 2006 an ein sog. Entstrickungsparagraf in das Gesetz eingefügt, der darauf abzielt, die bislang fehlende Rechtsgrundlage für Entstrickungsvorgänge zu schaffen. Zu der seitdem geltenden Rechtslage hat sich der BFH nicht geäußert. Sowohl nach bisheriger als auch nach neuer Gesetzeslage besteht allerdings immer die Gefahr von Doppelbesteuerungen, falls auch der Zuzugsstaat von dem Besteuerungsrecht, das ihm im DBA zugewiesen worden ist, bei der späteren Realisierung der stillen Reserven uneingeschränkten Gebrauch macht.

Quelle: BFH online

 

Fundstelle(n):
NWB BAAAF-14009