Online-Nachricht - Mittwoch, 16.12.2009

Einkommensteuer | Verhältnis von Tarifermäßigung und Progressionsvorbehalt (BFH)

Hat der Steuerpflichtige neben außerordentlichen Einkünften i.S. von § 34 Abs. 2 EStG auch steuerfreie Einnahmen i.S. von § 32b Abs. 1 EStG bezogen, müssen diese in die Berechnung nach § 34 Abs. 1 EStG einbezogen werden, indem sie in voller Höhe und nicht nur zu 1/5 dem verbleibenden zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet werden (; veröffentlicht am ).


Sachverhalt: Die Kläger sind im Streitjahr 2002 zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehegatten. Der Kläger erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, in denen außerordentlichen Einkünfte in Form einer Entschädigung in Höhe von 56.526 € enthalten waren. Daneben bezog er gemäß § 3 Nr. 28 EStG steuerfreie Aufstockungsbeträge nach dem Altersteilzeitgesetz in Höhe von 3.951 €, die dem Progressionsvorbehalt des § 32b Abs. 1 Nr. 1 EStG unterlagen. Im Rahmen der Berechnung der Einkommensteuer nach § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG für das Streitjahr wurden neben den außerordentlichen Einkünften des Klägers auch dessen steuerfreie Einnahmen in der Weise einbezogen, dass sie zur Ermittlung des Steuersatzes nach § 32b Abs. 2 EStG jeweils in voller Höhe zum verbleibenden zu versteuernden Einkommen addiert wurden.

Dazu führt der BFH weiter aus: Die im Streitjahr an den Kläger gezahlten Aufstockungsbeträge sind nach dem Altersteilzeitgesetz in Höhe von 3.951 € gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Der Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG ist grundsätzlich neben der Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG anwendbar. § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG verweist durch die Bezugnahme auf „die Einkommensteuer“, die auf das verbleibende zu versteuernde Einkommen entfällt, auf die Tarifvorschriften des EStG, zu denen auch § 32b EStG gehört. § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG schreibt damit eine integrierte Steuerberechnung vor. Die sog. additive Methode findet im Gesetz keine Grundlage. Aus dem systematischen Zusammenhang des § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG zu § 32b EStG folgt - ebenso wie aus dem systematischen Zusammenhang von § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG zu § 32b EStG -, dass sich die im Rahmen der Steuerberechnung nach § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG durchzuführende Fünftelung nur auf die außerordentlichen Einkünfte (Satz 2) bzw. das zu versteuernde Einkommen (Satz 3) bezieht, nicht aber auf die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte nach § 32b EStG. Diese sind vielmehr erst bei der Ermittlung der nach § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG maßgebenden Einkommensteuerbeträge zu berücksichtigen. Die volle Berücksichtigung der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte bei der Steuerberechnung nach § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG läuft auch dem Zweck des Progressionsvorbehalts nach § 32b EStG nicht zuwider.

Quelle: BFH online

Anmerkung der NWB-Redaktion: Mit der Frage des Verhältnisses außerordentlicher Einkünfte zu Einkünften, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, hatte sich der Lohnsteuersenat des BFH mehrfach und ausgiebig befasst (s. nur NWB HAAAC-68446 und v. NWB SAAAC-72653). Er hat sich dabei zur integrierten Steuerberechnung bekannt und die im Schrifttum aber auch von einigen Finanzgerichten vertretene sog. additive Methode verworfen. Der IX. Senat hat sich dieser Rechtsprechung nun ebenfalls in einem Fall angeschlossen, für dessen Entscheidung er zuständig war, weil es um die Besteuerung einer Entschädigung ging. Das Verhältnis von Tarifermäßigung und Progressionsvorbehalt dürfte nach dieser Entscheidung nun endgültig geklärt sein. Aber auch zuvor schon  konnte man sich fragen, warum das Urteil v. NWB SAAAC-72653 bisher noch nicht im BStBl II veröffentlicht wurde.

 

Fundstelle(n):
NWB GAAAF-13861