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Online-Nachricht - Mittwoch, 02.12.2009

Außergewöhnliche Belastung | Tilgung der Steuerschulden eines erwachsenen Kindes (FG)

Das FG Rheinland-Pfalz hat klargestellt, dass ein gesellschaftlicher Zwang zur Übernahme von Verbindlichkeiten volljähriger Kinder i.d.R. nicht besteht. Die Schulden eines erwachsenen Kindes sind daher keine außergewöhnlichen Belastungen für die zahlenden Eltern ().


Hintergrund: Eine Steuerermäßigung wegen einer außergewöhnlicher Belastung kann abgezogen werden, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig (d.h. er kann sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen) größere Aufwendungen erwachsen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (§ 33 Abs. 1 EStG).

Sachverhalt: Die Kläger machten die Zahlungen von Umsatzsteuerschulden für ihre geschiedene Tochter in Höhe von fast 23.000 € als außergewöhnliche Belastungen geltend. Die Tochter hat vier Kinder - im Streitjahr 17, 15, 12 und 8 Jahre alt -  und erhielt für diese Unterhaltszahlungen in Höhe von 800.- € im Monat. Die Umsatzsteuernachzahlung resultierte überwiegend aus einer Vorsteuerkorrektur hinsichtlich einer völlig überschuldeten Immobilie der Tochter. Die Kläger begründeten den Abzug der Aufwendungen wie folgt: Die Tochter sei durch ihre Scheidung als allein erziehende Mutter finanziell in ein Notlage geraten. Sie habe deswegen eine Referendarausbildung für das Lehramt aufgenommen, aber nur weniger als 1.200.- € Gehalt erzielt. Die steuerlichen Angelegenheiten seien von dem damaligen Ehemann und einem Steuerberater erledigt worden. Die Aufforderung zur Steuernachzahlung sei für die Tochter völlig überraschend gekommen. Ein Nichtbegleichen der Steuerschuld hätte zur Privatinsolvenz der Tochter geführt, die dadurch mit ihrer Familie zu einem Sozialfall geworden wäre. Durch diese Belastung habe bei der Tochter die Gefahr eines Nervenzusammenbruchs bestanden. Vor diesem Hintergrund seien die Voraussetzungen einer außergewöhnlichen Belastung gegeben, die Mehrzahl vergleichbarer Steuerpflichtiger habe derartige Aufwendungen nicht.

Hierzu führte das Gericht weiter aus: Eine rechtliche Verpflichtung der Kläger für die Steuerschulden ihrer Tochter aufzukommen, hat nicht bestanden. Eltern haben ihren Kindern gegenüber zwar angemessenen Unterhalt zu zahlen. In der familiengerichtlichen Rechtsprechung wird jedenfalls dann, wenn ein volljähriges Kind eine selbständige Lebensstellung erreicht hat, eine Unterhaltspflicht der Eltern ganz überwiegend verneint. Auf die Frage, ob Steuerschulden zum Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten gehören, kommt es daher nicht mehr an. Zur Übernahme der Verbindlichkeit bestand auch keine sittliche Verpflichtung im Sinne einer außergewöhnlichen Belastung. Sittlich zu billigende oder besonders anerkennenswerte Gründe allein genügen nicht; es reicht vor allem nicht aus, dass die Leistung menschlich verständlich ist. Eine Zwangsläufigkeit ist nicht schon gegeben, wenn sich der Steuerpflichtige subjektiv verpflichtet fühlt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen nur anzunehmen, wenn die sittliche Verpflichtung so unabdingbar ist, dass sie einer Rechtspflicht gleichkommt. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht gegeben. Ein gesellschaftlicher Zwang zur Übernahme von Verbindlichkeiten volljähriger Kinder, die aus deren eigenverantwortlichen Entscheidungen - hier Kauf oder Übernahme der Immobilie - resultieren, ist nicht ersichtlich. Die Allgemeinheit erwartet auch nicht, dass Eltern derartige Verbindlichkeiten für ihr über einen eigenen Hausstand verfügendes volljähriges Kind begleichen würden. Infolgedessen ist die Schuldfreistellung der Tochter nicht als Maßnahme anzusehen, die einer steuerlichen Entlastung und damit einer Überwälzung auf die Allgemeinheit zugänglich ist.

Quelle: FG Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung v.

Anmerkung: Ausgaben zur Tilgung von Schulden bzw. Schuldzinsen können grds. nur dann eine außergewöhnliche Belastung sein, wenn die Schuldaufnahme durch Aufwendungen veranlasst ist, die ihrerseits eine außergewöhnliche Belastung darstellen und für die eine Steuerermäßigung noch nicht gewährt werden konnte (NWB UAAAA-92230). In der umfangreichen Rechtsprechung des BFH und der Finanzgerichte wird nur ganz ausnahmsweise die Abziehbarkeit von Zinsen und Tilgungsleistungen als außergewöhnliche Belastung bejaht. In der Regel wird die Ablehnung damit begründet, dass es an der Zwangsläufigkeit fehlt, weil das Darlehen freiwillig aufgenommen oder hingegeben wurde, dass die Tilgungsleistungen ihrer Natur nach Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind oder dass dem zur Darlehensaufnahme führenden Umstand die Außergewöhnlichkeit fehlt. Darum ist nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar z.B. die Begleichung von Nachlassschulden (NWB BAAAA-92407), die Tilgung eines Studiendarlehens (NWB HAAAB-48124), die Tilgung einer durch Betrug entstandenen Schuld (NWB LAAAB-80005) oder die Rückzahlung eines Darlehens zur Finanzierung der Lebenshaltung (vgl. hierzu Fischer, Außergewöhnliche Belastungen - Chancen ihrer steuerlichen Berücksichtigung, NWB IAAAC-94130).

 

Fundstelle(n):
GAAAF-13741