Online-Nachricht - Mittwoch, 07.10.2009

FGO | Klageänderung in der Revision u. Auslegung des Einspruchs gegen Sammelbescheide (BFH)

Der BFH hat entschieden, dass es sich um eine unzulässige Klageänderung handelt, wenn ein Kläger im Klageverfahren zunächst beantragt, einen Vorläufigkeitsvermerk zu erweitern, und später im Revisionsverfahren beantragt, die Einkommensteuer herabzusetzen. Des Weiteren hat der BFH zur Auslegung und Reichweite des Einspruchs gegen einen Sammelbescheid Stellung genommen (; veröffentlicht am ).


Hierzu führt der BFH weiter aus: Klageänderungen im Revisionsverfahren sind unzulässig (§ 123 Abs. 1 FGO). Der Übergang von einer Anfechtungs- zu einer Verpflichtungsklage ist grundsätzlich eine Klageänderung gemäß § 67 FGO. Dies gilt auch für die im Streitfall vorliegende umgekehrte Konstellation des Übergangs von einem Verpflichtungs- zu einem Anfechtungsbegehren. Die Kläger haben im FG-Verfahren beantragt, den Vorläufigkeitsvermerk zum Änderungsbescheid wegen der Nichtabziehbarkeit von Rentenversicherungsbeiträgen auf die Frage der Auslegung und Anwendung des einfachen Gesetzesrechts zu erweitern. Die Klage auf Erlass oder Erweiterung eines Vorläufigkeitsvermerks ist eine Verpflichtungsklage. Im Revisionsverfahren haben sie die endgültige Herabsetzung der Einkommensteuer beantragt. Hierin liegt der Übergang von einer Verpflichtungs- zu einer Anfechtungsklage. Eine Änderung des Klagebegehrens ist mit den Grundsätzen des Revisionsrechts jedoch unvereinbar. Das Wesen des Revisionsverfahrens besteht darin, die Rechtmäßigkeit einer gerichtlichen Entscheidung zu überprüfen. Eine solche Entscheidung liegt aber nur insoweit vor, als sie durch den Klageantrag angestrebt war. Über ein Begehren, das - wie hier - erstmals im Revisionsverfahren erhoben wird, ist gerichtlich noch nicht entschieden, so dass es insoweit an einem Gegenstand der revisionsrichterlichen Nachprüfung fehlt.


Der im Streitfall mit dem Einspruch angefochtene Bescheid über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer ist ein sog. Sammelbescheid. Alle Steuerfestsetzungen stehen hierin selbstständig nebeneinander und sind lediglich in einem Bescheid verbunden. Die Steuerfestsetzungen können je nach Rechtsschutzbegehren grundsätzlich unabhängig voneinander angefochten werden. Gemäß § 1 Abs. 5 Satz 1 des SolzG können mit einem Rechtsbehelf gegen den Solidaritätszuschlag jedoch weder die Bemessungsgrundlage noch die Höhe des zu versteuernden Einkommens angegriffen werden. Die Einkommensteuerfestsetzung ist Grundlagenbescheid für die Höhe des Solidaritätszuschlags (§ 1 Abs. 5 Satz 2 SolzG). Die Anfechtung der Festsetzung des Solidaritätszuschlags aus verfassungsrechtlichen Gründen muss sich hingegen gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags selbst richten.

Anmerkung der NWB-Redaktion: Die Erweiterung eines Vorläufigkeitsvermerks ist ein anderes Klagebegehren im Vergleich zu einer Herabsetzung der Steuerfestsetzung. Denn mit der Ermessensentscheidung, die Steuer vorläufig festzusetzen, wird nur die Bestandskraft des Bescheides (punktuell) hinausgeschoben. Der Antrag, die Steuer auf einen bestimmten Betrag herabzusetzen, verlangt hingegen eine endgültige, bestandskräftige Steuerfestsetzung. Deshalb kann nicht zweifelhaft sein, dass der Übergang von der Verpflichtungsklage, gerichtet auf Erweiterung eines Vorläufigkeitsvermerks, zu einer Anfechtungsklage, gerichtet auf Änderung des Steuerbescheides, Klageänderung und nicht etwa nur eine  auch im Revisionsverfahren zulässige betragsmäßige  Klageerweiterung ist (oder gar nur Ergänzung der Klagebegründung um einen neuen rechtlichen Gesichtspunkt).


Überzeugend ist auch die weitere Aussage der Besprechungsentscheidung. Kurz gesagt: wer die Erhebung des Solidaritätszuschlages grundsätzlich in Zweifel ziehen will, muss dies in dem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid zum Ausdruck bringen. Dieser ist zwar Grundlagenbescheid für die Erhebung des Solidaritätszuschlages, wirkt sich aber nur auf dessen Höhe aus. Im Übrigen ist die Festsetzung des Solidaritätszuschlages ein eigenständiger Verwaltungsakt, der, wenn man mag, eigens angegriffen werden muss, wenn nicht nur die Höhe des Zuschlags in Zweifel gezogen werden soll.

Quelle: BFH online

 

Fundstelle(n):
NWB XAAAF-13316