Online-Nachricht - Mittwoch, 07.10.2009

Billigkeitserlass | Erlass von auf Veräußerungsgewinnen beruhender Kirchensteuer (BFH)

Es ist nicht sachlich unbillig, wenn eine Kirchensteuer auch insoweit erhoben wird, als sie auf der Berücksichtigung von Veräußerungs- und Übergangsgewinnen beruht. Ist die Bestimmung der Besteuerungsgrundlagen für die Kirchensteuer den Kirchengemeinden übertragen, so ist die einzelne Kirchengemeinde insoweit nicht an die von anderen Kirchengemeinden getroffenen Regelungen gebunden (; veröffentlicht am ).


Sachverhalt: Die klagenden Eheleute wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist römisch-katholisch, die Klägerin gehört der evangelischen Kirche an. Im Streitjahr veräußerte der Kläger seinen Anteil an einer GbR, deren Einkünfte gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt worden waren. Er erzielte dabei einen Übergangsgewinn und einen Veräußerungsgewinn. Ferner gab er im Streitjahr ein Einzelunternehmen auf. Das Finanzamt setzte unter Ansatz dieser Werte gegen die Kläger eine Einkommensteuer von 208.337 € fest. Ferner wurde der Klägerin gegenüber, ausgehend von einer auf sie entfallenden Einkommensteuer von 104.169 €, evangelische Kirchensteuer in Höhe von 9.375,17 € festgesetzt. Daraufhin beantragten die Kläger bei der Beklagten (der Evangelischen Gemeinde G) einen Teilerlass der evangelischen Kirchensteuer in Höhe der Hälfte des Differenzbetrags zwischen der festgesetzten Steuer und derjenigen, der sich ohne Berücksichtigung der Übergangsgewinne und der Veräußerungsgewinne ergeben hätte. Die Kläger beriefen sich dabei auf eine Mitteilung des Deutschen Steuerberaterverbandes, nach der sich die evangelischen Kirchensteuerämter auf eine 50 %ige Kirchensteuerkappung verständigt hätten, soweit Veräußerungsgewinne betroffen seien. Diese Vereinbarung müsse sich auch auf Übergangsgewinne erstrecken. Die Beklagte lehnte den Antrag ab.
Dazu führt der BFH weiter aus: Eine sachliche Unbilligkeit der Steuererhebung kann im Streitfall nicht daraus abgeleitet werden, dass die Festsetzung der Kirchensteuer an ein zu versteuerndes Einkommen anknüpft, in dessen Bemessung Gewinne des Klägers aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils und aus der Aufgabe eines Einzelunternehmens (Veräußerungs- und Aufgabegewinne) sowie aus dem Wechsel der Gewinnermittlungsart (Übergangsgewinne) eingegangen sind. Die von der Klägerin begehrte Anwendung des § 227 AO kann nicht darauf gestützt werden, dass die ungemilderte Erfassung von Veräußerungs- und Übergangsgewinnen bei der Kirchensteuer zu einer systemwidrigen Überbesteuerung führt. Vielmehr ist das Fehlen von Sonderregelungen zu diesen Punkten systemgerecht. Denn sowohl bei Veräußerungs- als auch bei Übergangsgewinnen geht es darum, dass ein „steuerwürdiger“ Vermögenszuwachs in der Vergangenheit nicht besteuert wurde und dass dies nunmehr nachgeholt wird: Bei der Besteuerung eines Veräußerungsgewinns werden zuvor entstandene, aber bisher nicht besteuerte Vermögensmehrungen („stille Reserven“) erfasst; die Besteuerung von Übergangsgewinnen trägt vor allem dem Umstand Rechnung, dass bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG vorhandene Forderungen sich nicht gewinnerhöhend auswirken. Dass es sowohl im Veräußerungsfall als auch beim Wechsel der Gewinnermittlungsart zur zusammengeballten steuerlichen Erfassung eines Vermögenszuwachses kommen kann, dem nicht immer ein gleichwertiger Liquiditätszufluss gegenübersteht, wird für den Veräußerungsfall durch § 34 EStG ausreichend berücksichtigt und muss für den Bereich des Übergangsgewinns keine geminderte Besteuerung veranlassen. Ist aber die Ausgestaltung des Einkommensteuerrechts in diesem Punkt nicht zu beanstanden, so bedarf es im Kirchensteuerrecht keiner davon abweichenden Handhabung.
Anmerkung der NWB-Redaktion: Die zuständige evangelische Kirchengemeinde in Nordrhein-Westfalen lehnt einen hälftigen Erlass der auf Veräußerungsgewinne entfallenden Kirchensteuer generell ab, obwohl die Landeskirche den Erlass empfohlen hat und ihn andere Kirchengemeinden praktizieren. Der BFH beanstandet dies nicht, weil es an gesetzlichen Vorgaben fehlt und die Kirchengemeinden bei der Steuererhebung autonom handeln. Ob das Verhalten der betroffenen Kirchengemeinde sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt. In der Praxis wird im Vorfeld beabsichtigter Betriebs- oder Anteilsveräußerungen mit beachtlichen Steuerfolgen die Kirchensteuerfrage nicht selten abgeklärt und bei als unbefriedigend empfundenem Ergebnis ein „rechtzeitiger“ Kirchenaustritt erwogen.
Quelle: BFH online
 

 

Fundstelle(n):
NWB TAAAF-13313