Online-Nachricht - Mittwoch, 03.12.2014

Umsatzsteuer | USt im Insolvenzeröffnungsverfahren (BFH)

Verbindlichkeiten werden nach § 55 Abs. 4 InsO nur im Rahmen der für den vorläufigen Verwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse begründet. Für umsatzsteuerrechtliche Verbindlichkeiten ist dabei auf die Entgeltvereinnahmung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter abzustellen. Bestellt das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und mit Recht zum Forderungseinzug, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug für die Leistungen, die der Unternehmer bis zur Verwalterbestellung erbracht oder bezogen hat, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berichtigen. Gleiches gilt für den Steuerbetrag und den Vorsteuerabzug aus Leistungen, die das Unternehmen danach bis zum Abschluss des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbringt oder bezieht (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 55 Abs. 4 InsO gelten bestimmte Steueransprüche, die durch oder mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters im Zeitraum nach seiner Bestellung bis zur Insolvenzeröffnung begründet worden sind, im eröffneten Insolvenzverfahren als Masseverbindlichkeiten. Sie sind dann - anders als bloße Insolvenzforderungen - vorrangig zu befriedigen.
Sachverhalt: Der klagende Insolvenzverwalter wandte sich gegen Umsatzsteuer-Vorauszahlungen, die das Finanzamt ihm gegenüber festgesetzt hatte. Er war im Oktober 2011 zum sog. "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalter einer KG bestellt worden und führte deren Geschäftsbetrieb zunächst fort. Im Dezember 2011 gab die Gesellschaft Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Oktober und November 2011 ab, leistete jedoch keine Zahlungen auf die Umsatzsteuerschuld. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Bestellung des Klägers zum Insolvenzverwalter im Januar 2012 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen abweichend von den Voranmeldungen gegenüber dem Insolvenzverwalter fest. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache an das FG zurück.
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Entgegen der Sichtweise der Finanzverwaltung (vgl. hierzu BMF, Schreiben v. NWB XAAAD-99955)  ist § 55 Abs. 4 InsO nicht auf Steuerverbindlichkeiten anzuwenden, die auf Umsätzen beruhen, denen der schwache vorläufige Insolvenzverwalter nicht widersprochen hat.

  • Stattdessen ist die Vorschrift nur nach Maßgabe der für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse anzuwenden.

  • Diese beziehen sich im Regelfall nicht auf Leistungen durch den insolvenzbedrohten Unternehmer, sondern auf den Forderungseinzug und damit auf das Recht des vorläufigen Insolvenzverwalters, Entgelte für umsatzsteuerpflichtige Leistungen einzuziehen.

  • Die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, zu dessen Gunsten ein allgemeiner Zustimmungsvorbehalt besteht und der vom Insolvenzgericht ermächtigt wird, die Entgeltforderungen des Unternehmers einzuziehen, führt dazu, dass das Entgelt uneinbringlich wird und die Umsatzsteuer nicht mehr erhoben werden kann.

  • Wird nachfolgend durch den vorläufigen Insolvenzverwalter trotzdem Entgelt vereinnahmt, entsteht der Steueranspruch als Masseverbindlichkeit neu.

Hinweis: Die Entscheidung klärt erstmals höchstrichterlich eine für die Praxis wichtige Streitfrage und ist im Insolvenzeröffnungsverfahren aller Unternehmer, die umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringen, von großer Bedeutung, da § 55 Abs. 4 InsO die Steuerschuld zur Masseverbindlichkeit aufwertet.
Quelle: NWB Datenbank sowie BFH, Pressemitteilung v.
 

Fundstelle(n):
NWB GAAAF-12315