Einkommensteuer | Verluste bei der Veräußerung von Lehman-Brothers-Zertifikaten (FG)
Für Verluste bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.v. § 20 Abs. 2, 4 EStG i.d.F. des UntStRefG ("Abgeltungssteuer") ist es ohne Bedeutung, ob der Wertverzehr "außerhalb des Kapitalmarkts" eingetreten ist, wenn er durch eine Veräußerung realisiert wird (; Revision zugelassen).
Hintergrund: Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c Alt. 2 EStG a.F. zählten zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Einnahmen aus der Veräußerung oder Einlösung von sonstigen Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, bei denen die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängt.
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Verlusten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen: Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Ende April 2008 erwarben sie von der X-Bank ein Lehman-Brothers-Zertifikat zu einem Preis von rund 181.000 €. Mitte Juli 2009 veräußerten sie die Papiere wieder an die X-Bank zu einem Preis von 18 €. Zu dieser Zeit war das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Emittentin bereits eröffnet Den von der Bank als steuerrelevant im Sinne von § 20 Abs. 2 EStG ausgewiesenen und mit weiteren positiven Kapitalerträgen verrechneten Verlust erkannte das FA nicht an. Es habe sich im Streitfall nicht um einen Veräußerungsvorgang im Sinne von § 20 Abs. 2 EStG gehandelt, sondern um einen steuerlich unbeachtlichen Forderungsausfall. Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg.
Hierzu führten die Richter des FG Niedersachsen weiter aus:
Die eingetretene Wertminderung der Anteile ist zum Teil auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückzuführen, worauf das FA zutreffend hinweist. Inwieweit dies einen Einfluss auf die Besteuerung haben soll, bleibt jedoch im Dunkeln.
Sofern die Verwaltung die Vorschriften des § 20 Abs. 2 EStG dergestalt auslegt, dass Wertminderungen, welche außerhalb des Kapitalmarkts liegen (hier die Insolvenz der Emittentin), auch bei anschließender Realisierung der Verluste aufgrund einer Veräußerung nicht der Besteuerung unterliegen, kann dem nicht gefolgt werden.
Eine solche Auffassung ist weder mit dem Wortlaut der Vorschrift, noch mit dem Sinn und Zweck der Regelung vereinbar.
Auch in der überwiegenden steuerrechtlichen Literatur wird nachdrücklich vertreten, aufgrund der Neuregelung der Besteuerung von Kapitaleinkünften im Gegensatz zum früheren Recht auch ausgefallene Kapitalforderungen einer Veräußerung gleichzustellen (vgl. etwa Ratschow in Blümich, § 20 EStG Rn. 427a m.w.N.; Buge in Herrmann/Heuer/Raupach, § 20 EStG Rn. 531), mithin aufgrund der Neuregelung von einem weiten Veräußerungsbegriff auszugehen, da die Steuerpflichtigen ansonsten zu einer Veräußerung ggf. gegen einen symbolischen Kaufpreis gedrängt würden, welche bloßer Formalismus sei (Moritz/Strohm in Frotscher, § 20 EStG Rn. 268f).
Anmerkung: Das Gericht hat die Revision zum BFH zugelassen, da die Frage, ob bestimmte Veräußerungen, insbesondere wenn es zuvor einen Forderungsausfall gegeben hat, in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 EStG fallen, bisher höchstrichterlich nicht geklärt ist. Der Volltext des Urteils ist in der Rechtsprechungsdatenbank der Niedersächsischen Justiz unter Angabe des Az. recherchierbar. Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze.
Quelle: FG Niedersachsen online
Fundstelle(n):
EAAAF-11669