Online-Nachricht - Mittwoch, 28.05.2014

Verfahrensrecht | Zur Bindungswirkung eines Grundlagenbescheides (BFH)

Enthält ein geänderter Grundlagenbescheid zugleich eine Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung (VdN) und ist er damit wie eine erstmalige Feststellung zu werten, dann ist sein Regelungsinhalt in vollem Umfang und ohne Bindung an in der Vergangenheit bereits erfolgte Übernahmen aus vorangegangenen Feststellungsbescheiden in den Folgebescheid zu übernehmen (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Streitig war die Berücksichtigung von Verlusten aus Spekulationsgeschäften. Ein Spekulationsverlust konnte nach dem im Streitjahr 1992 geltenden Gesetzeswortlaut nur mit einem im gleichen Jahr erzielten Spekulationsgewinn ausgeglichen werden (vgl. § 23 Abs. 4 EStG a.F.). Der BFH hatte hierzu später in verfassungskonformer Auslegung jedoch entschieden, dass Spekulationsverluste aus den Jahren vor 1999 grds. uneingeschränkt ausgleichsfähig sind (s. z.B. NWB EAAAB-23802).
Sachverhalt:

  • Die Klägerin erzielte im Streitjahr 1992 Einkünfte aus einer Beteiligung, für die das zuständige Finanzamt A einen Feststellungsbescheid erlies. Hierdurch wurde der Klägerin ein Verlust aus Spekulationsgeschäften zugewiesen. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig, stand jedoch unter VdN.

  • Sonstige Verluste aus Spekulationsgeschäften erzielten die Klägerin im Streitjahr nicht. Das für die Einkommensteuer zuständige Finanzamt B berücksichtigte den Spekulationsverlust mit Hinweis auf die Regelung in § 23 Abs. 4 EStG a.F. daher nicht. Auch dieser Bescheid wurde bestandskräftig und stand zunächst unter dem VdN. Im Jahre 2000 wurde der Vorbehalt schließlich aufgehoben. Der hierzu ergangene Bescheid wurde ebenfalls bestandskräftig.

  • Später erließ das Finanzamt A für die Beteiligung einen (u.a. für 1992) geänderten Feststellungsbescheid, durch den der Klägerin wiederum ein (jetzt aber erhöhten) Verlust aus Spekulationsgeschäften zugewiesen wurden.

  • Diesen Änderungsbescheid wertete das Finanzamt B aus, berücksichtigte den Spekulationsverlust - nachdem der BFH entschieden hatte, dass Spekulationsverluste vor 1999 grds. uneingeschränkt ausgleichsfähig sind - aber nur mit dem Betrag, um den der Spekulationsverlust durch den geänderten Feststellungsbescheid gegenüber dem ursprünglichen Feststellungsbescheid erhöht wurde. Einspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos.

Hierzu führte der BFH weiter aus:

  • Ändert ein Grundlagenbescheid einen bereits vollständig im Folgebescheid umgesetzten Grundlagenbescheid, so greift die Änderungsbefugnis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nur ein, "soweit" der geänderte Feststellungsbescheid vom Regelungsgehalt über den bisherigen Grundlagenbescheid hinausgeht.

  • Die Anpassungspflicht hinsichtlich des Folgebescheids reicht in diesem Fall nur so weit, wie der geänderte Grundlagenbescheid den bisherigen Grundlagenbescheid ändert. Denn nur insoweit wurde nach dem Wortlaut der Vorschrift der vorangegangene Grundlagenbescheid "aufgehoben oder geändert".

  • Die Bindungswirkung ist jedoch unbeschränkt, wenn der geänderte Feststellungsbescheid zugleich eine Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung nach § 164 Abs. 3 Satz 2 1. Halbsatz AO enthält.

  • Nach dieser Vorschrift gilt der geänderte Feststellungsbescheid als erstmalige Feststellung und damit als erstmalige Einzelfallregelung, der kein bloß wiederholender Charakter zuzumessen ist.

  • Die durch die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung entstandene Bindungswirkung umfasst folglich den gesamten Grundlagenbescheid. Das gilt auch dann, wenn der Vorbehalt der Nachprüfung des Grundlagenbescheids aufgehoben wird, ohne dass eine sachliche Änderung des Grundlagenbescheids erfolgt.

  • Auf die Frage, ob und in welchem Umfang Besteuerungsgrundlagen aus vorangegangenen (bestandskräftigen) Feststellungsbescheiden bereits in (bestandskräftigen) Folgebescheiden umgesetzt worden waren, kommt es in diesem Fall nicht an.

Anmerkung: Der BFH hat im Streitfall die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zurückzuverweisen. Das Finanzgericht habe nicht weiter geprüft, ob der geänderte Feststellungsbescheid zugleich eine Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung enthielt und damit nach § 164 Abs. 3 Satz 2 1. Halbsatz, § 181 Abs. 1 Satz 1 AO wie eine erstmalige Feststellung der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften zu werten ist.
Quelle: NWB Datenbank
 

Fundstelle(n):
NWB LAAAF-11431