Berufsrecht | Keine Verjährung der Haftung bei Arglisteinwand (BGH)
Hat ein Steuerberater durch Übersendung einer Abschrift eines auftragswidrig nicht eingelegten Einspruchs den Anschein erweckt, der anzufechtende Steuerbescheid sei nicht in Bestandskraft erwachsen, so kann er sich auch dann nicht auf die Verjährung des gegen ihn gerichteten Haftungsanspruchs berufen, wenn ihm ein vorsätzliches Handeln nicht nachgewiesen werden kann ().
Hintergrund: Auf der Grundlage der zivilrechtlichen Generalklausel (§ 242 BGB – Treu und Glauben) gibt es eine umfangreiche Kasuistik zur unzulässigen Rechtsausübung. Die Berufung auf die Verjährung (Verjährungseinrede) hat der BGH in ständiger Rechtsprechung als unzulässige Rechtsausübung angesehen, wenn der Schuldner den Gläubiger absichtlich von der Erhebung der Klage abgehalten hat (sog. Arglisteinwand).
Sachverhalt: Die Kläger verlangen von den Beklagten wegen fehlerhafter Steuerberatung Schadensersatz in Höhe von insgesamt rund 90.000 €. Im Streit ist, ob die Ansprüche verjährt sind. Die Beklagten waren beauftragt, Einspruch gegen Feststellungsbescheide einzulegen, in denen das Finanzamt den Veräußerungsgewinn aus einem Grundstücksverkauf festgesetzt hatte. Das Einspruchsschreiben, von dem die Kläger eine Abschrift erhielten, ging nicht beim Finanzamt ein, die Beklagten behaupten auch nicht, dass es überhaupt abgesandt worden ist. Gegen die Kläger wurde mit Bescheiden vom 23.5. und Einkommensteuer in Höhe von jeweils rund 44.000 € festgesetzt. Mit Schreiben vom teilten die Beklagten den Klägern mit, der Feststellungsbescheid sei vorläufig und werde im Falle einer günstigen Entscheidung des BVerfG aufgehoben. Mit Bescheid vom lehnte das Finanzamt den Antrag auf Aufnahme eines Vorläufigkeitsvermerks wegen Bestandskraft ab. Diesen Bescheid leiteten die Beklagten nicht an die Kläger weiter. Im Jahr 2010 erklärte das BVerfG den maßgeblichen Teil des einschlägigen Steuerentlastungsgesetzes für verfassungswidrig. Die 2011 erhobene Schadensersatzklage ist beim LG und OLG wegen Verjährung erfolglos geblieben.
Hierzu führte das Gericht u.a. aus:
Den Beklagten ist es nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf die eingetretene Verjährung zu berufen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann der Einrede der Verjährung der Arglisteinwand nicht nur dann entgegengehalten werden, wenn der Schuldner den Gläubiger absichtlich von der Erhebung der Klage abgehalten hat.
Vielmehr reicht es aus, dass der Schuldner durch sein Verhalten objektiv – sei es auch unabsichtlich – bewirkt, dass die Klage nicht rechtzeitig erhoben wird und die spätere Verjährungseinrede unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls mit dem Gebot von Treu und Glauben unvereinbar wäre. Hier fällt der Beklagten ein objektiv besonders grober Verstoß gegen Treu und Glauben zur Last.
Anmerkung: Eine Abwehr des Schadensersatzanspruchs ist in diesen Fällen trotzdem möglich, wenn der Anspruchsinhaber mit seiner Klageerhebung zu lange wartet. Im entschiedenen Fall erhielten die Kläger im November 2010 davon Kenntnis, dass kein Einspruch gegen den Feststellungsbescheid eingelegt worden war und erhoben Klage erst im Mai 2011. Diese Frist sah der BGH nur deshalb noch als ausreichend an, weil die Beklagten erst im Februar 2011 Informationen erhielten, die ihnen ermöglichten, das Verhalten der Beklagten als arglistig zu bewerten.
Quelle: NWB Datenbank
Autor: Ingo Ehlers, Rechtsanwalt, Freiburg
Fundstelle(n):
YAAAF-11029