Online-Nachricht - Donnerstag, 11.07.2013

Berufsrecht | Haftung des Steuerberaters für verspätete Insolvenzantragstellung (BGH)

Erklärt der vertraglich lediglich mit der Erstellung der Steuerbilanz betraute Steuerberater, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung nicht vorliege, haftet er der Gesellschaft wegen der Folgen der dadurch bedingten verspäteten Insolvenzantragstellung auf Schadensersatz ().

Hintergrund: Der BGH hat erst kürzlich entschieden, dass der Steuerberater einer GmbH bei üblichem Zuschnitt seines Mandats nicht verpflichtet ist, seine Mandantin auf die Pflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz eine Überprüfung der Insolvenzreife durch Erstellung einer Überschuldungsbilanz vornehmen zu lassen ( NWB FAAAE-34285). Eine haftungsrechtliche Verantwortung besteht jedoch dann, wenn dem steuerlichen Berater ein ausdrücklicher Auftrag zur Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens erteilt wird.
Sachverhalt: Die beklagte Steuerberatungs-GbR (Beklagte zu 1) war die Steuerberaterin der Schuldnerin (einer GmbH), der Beklagte zu 2 war deren Gesellschafter und mit der Betreuung der Schuldnerin befasst. Die Beklagte zu 1 erstellte im Jahr 2005 den Jahresabschluss zum . Im Bilanzbericht führte sie aus, dass ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag von rund 47.000 € bestehe, es sich dabei aber nur um eine „Überschuldung rein bilanzieller Natur“ handele, weil für Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt rund 48.000 € Rangrücktrittserklärungen vorlägen und der Gesellschaftaufgrund des hohen Anteils an Stammkunden ein hoher Firmenwert innewohne. Der Kläger, Verwalter des auf Eigenantrag am eröffneten Insolvenzverfahrens, nimmt die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch, weil sie pflichtwidrig die zum gegebene insolvenzrechtliche Überschuldung nicht erkannt hätten und die Schuldnerin deshalb mangels der gebotenen Antragstellung weitere Verbindlichkeiten in Höhe von rund 265.000 € eingegangen sei. Die Vorinstanzen haben die (unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 30%) auf Zahlung von rund 187.000 € gerichtete Klage abgewiesen. Die Revision zum BGH hatte Erfolg.
Hierzu führte das Gericht u.a. aus:

  • Gegen die Beklagten bestehen Schadensersatzansprüche (aus § 634 Nr. 4 BGB gegen die Beklagte zu 1, aus § 128 Satz 1, § 129 HGB gegen den Beklagten zu 2), weil sie nicht lediglich eine Handelsbilanz erstellt, sondern darüber hinaus durch den Hinweis auf eine rein bilanzielle Überschuldung eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Schuldnerin ausgeschlossen haben.

  • Dabei handelte es sich nicht um eine bloße Gefälligkeit der Beklagten, sondern um eine zusätzliche Prüfung, auf deren Richtigkeit die Schuldnerin vertrauen durfte.

  • Der durch die verspätete Insolvenzantragstellung verursachte Schaden bemisst sich nach der Differenz zwischen ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt rechtzeitiger Antragstellung im Vergleich zu ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt des tatsächlich gestellten Antrags (Insolvenzverschleppungsschaden).

Anmerkung: Der BGH weist darauf hin, dass ein Schadensersatzanspruch infolge eines der Schuldnerin analog § 31 BGB zuzurechnenden Mitverschuldens (§ 254 Abs. 1 BGB) erheblich gemindert oder sogar ganz ausgeschlossen sein kann. Im vorliegenden Fall ist nach Ansicht des BGH von einem überwiegenden Verschulden des Abschlussprüfers auszugehen, weil er bei der Gesellschaft das irrige Vertrauen weckte, sich nicht in einer wirtschaftlichen Schieflage zu befinden.
Quelle: NWB Datenbank
Autor: Ingo Ehlers, Rechtsanwalt, Freiburg
 

Fundstelle(n):
NWB AAAAF-09982