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Online-Nachricht - Donnerstag, 27.06.2013

Einkommensteuer | Zur Tarifbegünstigung bei Entschädigung an einen Handelsvertreter (FG)

Das Schleswig-Holsteinische FG hatte die Frage zu entscheiden, ob Entschädigungszahlungen für die Nichtausübung einer Handelsvertretung der Tarifbegünstigung unterliegen, wenn der Handelsvertreter nach Beendigung der Vertretung eine andere Vertretung aufnimmt (; Revision anhängig).

Hintergrund: Voraussetzung für die Steuerermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG ist, dass die streitbefangenen Zahlungen als außerordentliche Einkünfte zu qualifizieren sind. Als außerordentliche Einkünfte kommen nach § 34 Abs. 2 EStG u.a. Veräußerungsgewinne im Sinne des § 16 EStG (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG) und Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 (§ 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG) in Betracht. Zudem werden außerordentliche Einkünfte in ständiger Rechtsprechung grds. nur dann bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen.
Sachverhalt: Der Kläger war für eine Versicherung als selbstständiger Handelsvertreter tätig. 2008 wurde der Handelsvertretervertrag zum 31. Dezember gekündigt. Im gegenseitigen Einvernehmen wurde der Kläger von jeder weiteren Tätigkeit bis zur Beendigung des Vertretervertrages entbunden und erhielt als Ausgleich für entgehende Provisionen während des Freistellungszeitraumes (9 Monate) einen monatlichen Geldbetrag (= monatliche Durchschnittsprovision des Vorjahres). Bereits im Februar übernahm ein ehemaliger Kollege als Nachfolger die Handelsvertretung. Dieser erwarb vom Kläger dessen Büromöbel und technische Geräte. Zum 31. Dezember rechnete die Versicherung den Ausgleichsanspruch des Klägers gemäß § 89b HGB ab. Am eröffnete der Kläger ein Versicherungsbüro für eine andere Versicherung (ca. 42 km entfernt von dem bisherigen Standort). Das Finanzamt gewährte den ermäßigten Steuersatz gemäß § 34 Abs. 1 EStG nur für den Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB, nicht aber für die monatlichen Zahlungen im Freistellungszeitraum.
Hierzu führte das Finanzgericht weiter aus:

  • Im Streitfall liegen keine Veräußerungsgewinne im Sinne des § 16 Abs. 1 EStG vor. Eine Betriebsveräußerung liegt bereits deswegen nicht vor, weil der Kläger nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen seiner Handelsvertretung an einen Erwerber veräußert hat.

  • Zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen einer Handelsvertretung gehört das immaterielle Wirtschaftsgut „Vertreterrecht“, d.h. im Streitfall die von der Versicherung dem Kläger verschaffte - rechtlich verfestigte - wirtschaftliche Chance, Provisionseinnahmen in einem bestimmten Bezirk zu erzielen. Dieses Recht wurde hier von der Versicherung eingeräumt.

  • Im Streitfall ist desgleichen keine Betriebsaufgabe gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG gegeben. Denn die Aufgabe eines Betriebs ist von der bloßen Betriebsverlegung abzugrenzen. Letztere ist dadurch gekennzeichnet, dass der alte und der neue Betrieb bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung wirtschaftlich identisch sind.

  • Bei einem Handelsvertreter liegt i.d.R. keine begünstigte Betriebsaufgabe vor, wenn der Handelsvertreter seine bisherige(n) Vertretung(en) aufgibt und alsbald eine andere Vertretung in der gleichen Branche übernimmt. Letzteres war hier der Fall.

  • Die (getrennt von der Handelsvertreterausgleichszahlung nach § 89b HGB zu beurteilenden) monatlichen Zahlungen stellen auch keine außerordentlichen Einkünfte dar. Es fehlt insoweit an der Zusammenballung von Einkünften.

Quellen: FG Schleswig-Holstein, Newsletter II/2013 und NWB Datenbank
Hinweis: Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen, das Revisionsverfahren ist beim BFH unter dem Aktenzeichen X R 14/13 anhängig.
 

Fundstelle(n):
MAAAF-09900