Status als Welterbe als Belang i.S.v. § 1 Abs. 6 BauGB; passiver Bestandsschutz
Gesetze: § 1 Abs 6 BauGB, § 1 Abs 7 BauGB, § 35 Abs 4 BauGB, § 9 Abs 1 Nr 10 BauGB
Instanzenzug: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Az: 5 S 1057/14 Urteil
Gründe
1Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.
2Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, so bereits 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>; siehe auch Beschluss vom - 4 B 15.15 - juris Rn. 3). Daran fehlt es hier.
3Die Beschwerde hält zunächst folgende Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig:
Ist die dem Belang des Landschaftsbildschutzes zugeordnete Siedlungsstruktur gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB wegen der Erklärung der "Klosterinsel R." zur Welterbestätte als abwägungsrelevanter Belang per se stärker zu gewichten?
4Soweit sich diese Frage überhaupt in verallgemeinerungsfähiger Form beantworten lässt, rechtfertigt sie nicht die Zulassung der Revision. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist hinreichend geklärt, dass die in § 1 Abs. 6 BauGB genannten Belange weder abschließend sind noch in ihrer Zusammenstellung einen Vorrang in sich oder gegenüber privaten Belangen enthalten (vgl. z.B. 4 C 38.71 - BVerwGE 47, 144 <148>). Aus diesem Grund lässt sich ein auch nur relativer Vorrang des einen benannten Belangs gegenüber einem anderen nicht abstrakt festlegen ( 4 NB 3.91 - BVerwGE 92, 231 <239, 240>; siehe ferner Beschluss vom - 4 NB 23.93 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 67 = juris Rn. 6). Gesetzlich vorprogrammiert ist weder, welche der in § 1 Abs. 6 BauGB aufgeführten oder sonstigen Belange bei der Planung zu berücksichtigen sind, noch mit welchem Gewicht sie bei der Abwägung zu Buche schlagen ( 4 NB 20.91 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 57 = juris Rn. 15). Zu berücksichtigende Belange und deren Gewicht bestimmen sich vielmehr nach den Besonderheiten der konkreten Planungssituation ( 4 NB 28.89 - juris Rn. 6). Deren Feststellung und Bewertung obliegt weitgehend der tatrichterlichen Beurteilung durch das Normenkontrollgericht. Davon ist der Verwaltungsgerichtshof ausgegangen (UA S. 21, 22, 26). Einen hierüber hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.
5Die weiter für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage,
ob bei der Festsetzung eines Außenbereichsgrundstückes als nicht-überbaubare Fläche nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB der in § 35 Abs. 4 BauGB zum Ausdruck kommende gesteigerte Bestandsschutz im Rahmen der Abwägung gemäß § 1 Abs. 7 BauGB berücksichtigt werden muss,
führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Abwägungsgebot im Bauplanungsrecht ist sie ohne weiteres zu bejahen. Die Gemeinde darf durch ihre Bauleitplanung die (bauliche) Nutzbarkeit von Grundstücken verändern und dabei auch die privaten Nutzungsmöglichkeiten einschränken oder gar aufheben. Einen Planungsgrundsatz, nach dem die vorhandene Bebauung eines Gebiets nach Art und Maß bei einer Überplanung weiterhin zugelassen werden muss, gibt es nicht ( 4 CN 6.99 - BVerwGE 112, 41 <48>). Allerdings setzt eine wirksame städtebauliche Planung voraus, dass hinreichend gewichtige, städtebaulich beachtliche Allgemeinbelange für sie bestehen ( 4 C 105.66 - BVerwGE 34, 301 <305>). Diese müssen umso gewichtiger sein, je stärker die Festsetzungen eines Bebauungsplans die Befugnisse des Eigentümers einschränken oder Grundstücke von einer Bebauung ganz ausschließen, denn das durch Art. 14 GG gewährleistete Eigentumsrecht gehört in hervorgehobener Weise zu den von der Bauleitplanung zu berücksichtigenden Belangen ( - NVwZ 2003, 727 = juris Rn. 15; 4 C 66.67 - Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 90 = DVBl 1971, 746 <750>). Es umfasst neben der Substanz des Eigentums auch die Beachtung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des allgemeinen Gleichheitssatzes ( a.a.O.; 4 CN 5.08 - BVerwGE 134, 355 Rn. 16, Beschluss vom - 4 BN 40.10 - BRS 76 Nr. 28 = juris Rn. 4). Dass hierbei auch Gesichtspunkte des Bestandsschutzes nach Maßgabe des § 35 Abs. 4 BauGB als abwägungserheblich zu berücksichtigen sind, liegt auf der Hand ( 4 B 21.92 - Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 54 = juris Rn. 5 allgemein zum Bestandsschutz). Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks muss daher von der Gemeinde als ein wichtiger Belang privater Eigentümerinteressen in der nach § 1 Abs. 7 BauGB gebotenen Abwägung der öffentlichen und der privaten Belange beachtet werden ( 4 NB 1.96 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 88 = juris Rn. 4). Im Rahmen dieser Abwägungsentscheidung hat die Gemeinde folglich die Nachteile einer Planung für Planunterworfene zu berücksichtigen. Schränkt sie bestehende Baurechte ein, hat sie darüber hinaus auch die Tatsache und den möglichen Umfang hierfür zu leistender Entschädigungen nach den §§ 39 ff. BauGB in die Abwägung einzustellen (zusammenfassend: 4 BN 1.13 - ZfBR 2013, 573 = juris Rn. 17). Von diesen Grundsätzen hat sich der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls leiten lassen. Er hat die Belange der Antragsteller (UA S. 24 f., 27 f.) dabei auch unter dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes und unter Berücksichtigung der Wertung des § 35 Abs. 4 BauGB gewürdigt (UA S. 25), ist aber zu dem Ergebnis gelangt, dass die Antragsgegnerin, ohne gegen das Abwägungsgebot zu verstoßen, die auf den Grundstücken der Antragsteller vorhandene Bebauung auf den "passiven Bestandsschutz" setzen durfte. Ob diese Würdigung den Anforderungen gerecht wird, die an die gerichtliche Abwägungskontrolle zu stellen sind, ist einer rechtsgrundsätzlichen Prüfung nicht zugänglich ( 4 BN 40.10 - BRS 76 Nr. 28 Rn. 5).
6Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2015:051015B4BN31.15.0
Fundstelle(n):
PAAAF-07553