BAG Urteil v. - 4 AZR 243/14

Instanzenzug: ArbG Darmstadt Az: 8 Ca 320/12 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 13 Sa 963/13 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Entgeltansprüche der Klägerin und in diesem Zusammenhang über die Anwendbarkeit von Tarifverträgen für den Hessischen Einzelhandel aufgrund vertraglicher Bezugnahme.

2Die Klägerin ist bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen seit dem Jahr 1995 als Buchhändlerin beschäftigt. In dem mit einer der Rechtsvorgängerinnen, der C GmbH & Co. KG, geschlossenen Arbeitsvertrag heißt es ua.:

3Die Arbeitgeberin war im Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses Mitglied im Landesverband des Hessischen Einzelhandels e.V. Nach Verschmelzung auf die B GmbH & Co. KG führte diese die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband fort. Sie wechselte im Jahr 2005 in eine Mitgliedschaft ohne Tarifgebundenheit. Zum Ende des Jahres 2006 trat sie aus dem Landesverband aus.

4Die Klägerin schloss am mit der B GmbH & Co. KG einen „Nachtrag zum Arbeitsvertrag“ (nachfolgend Nachtrag 2010), der ua. folgenden Inhalt hat:

5Zum ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin infolge einer Verschmelzung der Rechtsvorgängerin auf die nicht tarifgebundene Beklagte als aufnehmende Rechtsträgerin über.

6Mit der Beklagten vereinbarte die Klägerin am einen weiteren „Nachtrag zum Arbeitsvertrag“ (nachfolgend Nachtrag 2011/1), der auszugsweise wie folgt lautet:

7In einem dritten „Nachtrag zum Arbeitsvertrag“ vom (nachfolgend Nachtrag 2011/2) heißt es ua.:

8Die Klägerin erhielt bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden im Monat August 2009 ein Entgelt iHv. 1.832,00 Euro brutto, nachfolgend bis einschließlich des Monats Oktober 2010 iHv. 1.860,00 Euro brutto, von November 2010 bis Februar 2011 iHv. 2.015,00 Euro brutto, im März 2011 iHv. 2.325,00 Euro brutto und von Juni 2011 bis einschließlich Dezember 2011 bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von wiederum 30 Stunden ein Bruttomonatsentgelt iHv. 1.898,00 Euro.

9Nach dem zwischen dem Landesverband des Hessischen Einzelhandels e.V. und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) geschlossenen Gehaltstarifvertrag (GTV) vom (GTV 2009) beträgt das monatliche Entgelt bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden nach § 3 B. Gehaltsgruppe II nach dem fünften Berufsjahr, der Endstufe der betreffenden Gehaltsgruppe (nachfolgend Gehaltsgruppe II/E GTV), 2.336,00 Euro brutto (ab ) und 2.372,00 Euro brutto (ab ). Weiterhin sieht § 2a GTV 2009 eine im März 2010 zahlbare Einmalzahlung iHv. 150,00 Euro brutto vor, die an Teilzeitbeschäftigte anteilig zu zahlen ist. Der nachfolgende Gehaltstarifvertrag vom (GTV 2011) regelt für die Gehaltsgruppe II/E ein Entgelt iHv. 2.443,00 Euro.

10Mit Schreiben vom hat die Klägerin die Beklagte ua. für die Zeit ab dem bis zum und vom einschließlich des Monats Dezember 2011 zur Zahlung von Differenzen zwischen den erhaltenen Zahlungen und dem tariflich geregelten Entgelt der GTV 2009/2011 sowie auf Grundlage des „Tarifabschluss 2009“ zur Leistung einer Einmalzahlung iHv. 120,00 Euro bis zum ohne Erfolg aufgefordert.

11Mit ihrer Klage hat die Klägerin ihre Zahlungsansprüche weiterverfolgt. Sie hat ausgeführt, der Arbeitsvertrag aus dem Jahr 1995 enthalte eine unbedingte zeitdynamische Bezugnahme auf die jeweiligen tariflichen Entgeltbestimmungen. Eine Gleichstellungsabrede sei nicht gewollt gewesen. Mit den Nachträgen zum Arbeitsvertrag sei die ursprüngliche Bezugnahme jeweils erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen der Parteien gemacht worden, in dem auf den ursprünglichen Vertrag Bezug genommen und seine Inhalte bestätigt worden seien.

12Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - zuletzt beantragt,

13Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, der Arbeitsvertrag enthalte eine sog. statische Bezugnahme auf die bei Vertragsschluss geltenden Tarifverträge, wie das Wort „zuletzt“ in dessen § 14 zeige. Zudem sei das Entgelt individuell vereinbart worden. In § 3 des Arbeitsvertrags sei die Vergütung abschließend geregelt. Selbst wenn man anderer Auffassung sei, liege eine sog. Gleichstellungsabrede vor. Die zeitliche Dynamik hätte dann mit dem Wegfall der Tarifgebundenheit der früheren Arbeitgeberin geendet. Nichts anderes ergebe sich aus den Nachträgen zum Arbeitsvertrag. Eine etwaige Bezugnahmeregelung aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag sei durch Nr. 6 Satz 2 der Nachträge nicht zum Gegenstand einer rechtsgeschäftlichen Willensbildung gemacht worden.

14Das Arbeitsgericht hat - soweit für die Revision von Bedeutung - der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Gründe

15Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist teilweise begründet. Sie kann für den Zeitraum vom bis zum ein weiteres Entgelt iHv. 394,80 Euro brutto beanspruchen. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

16I. Die Klage ist hinsichtlich der begehrten Entgeltdifferenzen für den Zeitraum vom bis zum und der Einmalzahlung unbegründet. Die Klägerin kann für diese Zeitabschnitte auf Grundlage des Arbeitsvertrags aus dem Jahr 1995 keine weiteren Entgeltzahlungen nach dem GTV 2009 beanspruchen. Zwar enthalten die §§ 1 und 3 des Arbeitsvertrags eine zeitdynamische Verweisung auf die zwischen dem Landesverband des Hessischen Einzelhandels e.V. und der Gewerkschaft ver.di geschlossenen Gehaltstarifverträge. Die Bezugnahmeregelung ist aber als sog. Gleichstellungsabrede auszulegen. Das führt aufgrund des Wegfalls der Tarifgebundenheit der früheren Arbeitgeberin im Jahre 2005 zur nur noch statischen Anwendung der in Bezug genommenen Gehaltstarifverträge in derjenigen Fassung, die zum Zeitpunkt des Eintritts der fehlenden Tarifgebundenheit galten. In der Folge ist auf Grundlage des Arbeitsvertrags der GTV 2009 auf das zwischen mit der Rechtsvorgängerin bestandene und auf die Beklagte am nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übergegangene Arbeitsverhältnis der Beklagten bis zum nicht anzuwenden.

171. Die Parteien des im Jahr 1995 geschlossenen Arbeitsvertrags haben zwar eine dynamische Bezugnahme der Gehaltstarifverträge für den Hessischen Einzelhandel vereinbart. Die sich aus den §§ 1 und 3 des im Jahre 1995 geschlossenen Arbeitsvertrags ergebende Bezugnahmeregelung ist aber als sog. Gleichstellungsabrede auszulegen, die keine von der Tarifgebundenheit der damaligen Arbeitgeberin unabhängige, zeitdynamische Verweisung auf die in Bezug genommenen Tarifverträge in der jeweiligen Fassung zum Inhalt hat.

18a) Die Entgeltregelungen der zwischen dem Landesverband des Hessischen Einzelhandels e.V. und der Gewerkschaft ver.di geschlossenen Gehaltstarifverträge (GTV) sind entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten aufgrund einzelvertraglicher Bezugnahme grundsätzlich zeitdynamisch in Bezug genommen worden. Das ergibt die Auslegung der §§ 1 und 3 des Arbeitsvertrags (zu den Maßstäben:  - Rn. 15 mwN, BAGE 134, 283; - 5 AZR 2/12 - Rn. 14 f. mwN).

19aa) Nach dem Wortlaut des Arbeitsvertrags in § 1 wurde die Klägerin als „Buchhändlerin Tarifgruppe II eingestellt“ und in § 3 ist für die „Gehaltszahlung“ ein „Tarifentgelt DM 2.635,--“ vorgesehen. Damit hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten als Klauselverwenderin deutlich zum Ausdruck gebracht, sie vergüte die Klägerin entsprechend der einschlägigen tariflichen Entgeltbestimmungen, zumal sie in § 3 des Arbeitsvertrags zwischen einem Tarifgehalt und einer „etwaigen übertariflichen Zulage“ unterscheidet. Der durchschnittliche Arbeitnehmer darf bei einer derartigen Verknüpfung von einem festen Entgeltbetrag und dessen Bezeichnung als Tarifentgelt redlicherweise davon ausgehen, der in der Klausel festgehaltene Betrag werde nicht für die Dauer des Arbeitsverhältnisses statisch sein, sondern solle sich entsprechend den tariflichen Entwicklungen des maßgebenden Gehaltstarifvertrags entwickeln. Ein redlicher Arbeitgeber würde - wenn er die von ihm gestellte Klausel nicht so verstanden wissen wollte - die Bezeichnung als Tarifentgelt unterlassen, um klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB), dass er nicht „nach Tarif“ zahlen will, sondern sich das vereinbarte Entgelt ausschließlich nach den konkreten bezifferten Parteivereinbarungen richten soll (so bereits  - Rn. 17).

20bb) Bestätigt wird diese Auslegung durch § 3 Satz 4 des Arbeitsvertrags. Die dortige Anrechnungsregelung - „übertarifliche Bezüge sind bei Tariferhöhungen, bei Aufrücken in ein anderes Berufs- oder Tätigkeitsjahr oder bei Einstufung in eine höhere Beschäftigungsgruppe anrechenbar“ - hat nur bei einer dynamischen Inbezugnahme der tariflichen Entgeltbestimmungen einen Anwendungsbereich (ebenso  - Rn. 29). Diesem Verständnis entspricht auch - jedenfalls bis zur Beendigung der Tarifgebundenheit - die Durchführung des Arbeitsverhältnisses seitens der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten.

21b) Die dynamische Anwendung der tariflichen Entgeltbestimmungen endete jedoch aufgrund des Wegfalls der Tarifgebundenheit der Rechtsvorgängerin der Beklagten durch ihren im Jahr 2005 erfolgten Wechsel in eine sog. OT-Mitgliedschaft. Die Bezugnahmeregelung ist als sog. Gleichstellungsabrede auszulegen.

22aa) Nach der früheren Rechtsprechung des Senats galt die widerlegliche Vermutung, dass es einem an arbeitsvertraglich in Bezug genommene Tarifverträge gebundenen Arbeitgeber nur darum ging, durch die Bezugnahme die nicht organisierten Arbeitnehmer mit den organisierten hinsichtlich der Geltung des in Bezug genommenen Tarifwerks gleichzustellen. Der Senat ging davon aus, dass mit einer solchen von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklausel lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden soll, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrags zu kommen und damit zu dessen Anwendbarkeit für alle Beschäftigten. Daraus hatte der Senat die Konsequenz gezogen, dass auch ohne weitere Anhaltspunkte im Vertragstext oder in den Begleitumständen bei Vertragsschluss bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an die in Bezug genommenen Tarifverträge Bezugnahmeregelungen in aller Regel als sog. Gleichstellungsabreden auszulegen seien. Die Verweisung auf einen Tarifvertrag oder ein Tarifwerk in der jeweils geltenden Fassung wurde deshalb einschränkend dahin ausgelegt, dass die auf diese Weise zum Ausdruck gebrachte Dynamik nur so weit gereicht hat, wie sie bei einem tarifgebundenen Arbeitnehmer reicht, also dann endet, wenn der Arbeitgeber wegen Wegfalls der eigenen Tarifgebundenheit nicht mehr normativ an künftige Tarifentwicklungen gebunden ist. Ab diesem Zeitpunkt sind die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch anzuwenden. Diese Rechtsprechung hat der Senat für vertragliche Bezugnahmeregelungen, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am vereinbart worden sind, aufgegeben. Er wendet die Auslegungsregel aus Gründen des Vertrauensschutzes jedoch weiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am vereinbart worden sind (st. Rspr., sh. nur  - Rn. 14 f. mwN, BAGE 147, 41).

23bb) Einer Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahme als sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung steht - anders als dies die Klägerin offenbar meint - nicht entgegen, dass über §§ 1 und 3 des Arbeitsvertrags nur die tariflichen Entgeltbestimmungen in Bezug genommen werden und über dessen § 14 auf weitere tarifliche Regelungen verwiesen wird. Es ist keine notwendige Bedingung für die Annahme einer sog. Gleichstellungsabrede, dass im Arbeitsvertrag auf das gesamte Tarifwerk oder sämtliche Tarifverträge verwiesen wird, die für den Arbeitgeber und die bei ihm beschäftigten tarifgebundenen Gewerkschaftsmitglieder normativ gelten. Die Bestimmung des Umfangs der vertraglichen Bezugnahme ist allein Sache der Vertragsparteien (sh. zuletzt  - Rn. 17 f. mwN, BAGE 147, 41). Entgegen der Auffassung der Revision bestehen auch keine besonderen Anhaltspunkte, dass eine Bezugnahme der tariflichen Entgeltbestimmungen über §§ 1 und 3 des Arbeitsvertrags nicht als sog. Gleichstellungsabrede zu verstehen ist.

242. In Anwendung dieser Grundsätze scheidet ein Zahlungsanspruch der Klägerin für die Zeit bis einschließlich des aus. Die Entgeltbestimmungen des GTV 2009 einschließlich der dort vorgesehenen Einmalzahlung (Antrag zu 2.) wurden von der vertraglichen Bezugnahmeregelung im ursprünglichen Arbeitsvertrag nicht erfasst.

25Die Rechtsvorgängerin der Beklagten war bei Abschluss des Arbeitsvertrags im Jahr 1995 nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG aufgrund ihrer Verbandsmitgliedschaft an die vom Landesverband des Hessischen Einzelhandels e.V. und der Gewerkschaft ver.di (vormals Gewerkschaft ÖTV) geschlossenen Gehaltstarifverträge gebunden. Ihre mitgliedschaftlich begründete Tarifgebundenheit endete durch den im Jahre 2005 vollzogenen Wechsel in eine sog. OT-Mitgliedschaft. Nach diesem Zeitpunkt geschlossene Gehaltstarifverträge - hier der GTV 2009 - werden durch die vorliegende Gleichstellungsabrede nicht mehr erfasst.

26II. Die Klägerin kann jedoch auf Grundlage des „Nachtrags zum Arbeitsvertrag“ vom für die Monate Juni 2011 bis Dezember 2011 eine Vergütung nach der Gehaltsgruppe II/E GTV 2011 verlangen. Für diesen Zeitraum ist nach Nr. 6 Satz 2 des Nachtrags 2011/2 iVm. §§ 1 und 3 des Arbeitsvertrags ab dem Monat Mai 2011 der GTV 2011 auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis anzuwenden. Im Übrigen ist die Klage für den Zeitraum vom bis zum unbegründet. Die Parteien haben in Nr. 3 der Nachträge 2011/1 und 2011/2 eine vorrangige Entgeltregelung vereinbart.

271. Die Anwendbarkeit des GTV 2011 folgt aus Nr. 6 Satz 2 des Nachtrags 2011/2. Mit dieser vertraglichen Abrede haben die Parteien die Bezugnahmeregelung in §§ 1 und 3 des Arbeitsvertrags erneut vereinbart. Diese nach dem geschlossene vertragliche Abrede vom ist nicht mehr als sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung anzusehen, sondern - zumal sie jetzt von der nicht tarifgebundenen Beklagten vereinbart wurde (zum Erfordernis der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers für die Annahme einer sog. Gleichstellungsabrede sh. nur  - Rn. 13 mwN, BAGE 128, 185) - als unbedingte zeitdynamische Bezugnahmeregelung zu beurteilen (ausf.  - Rn. 26, 28, BAGE 122, 74).

28a) Bei einer Änderung eines von einem Arbeitgeber geschlossenen „Altvertrags“ nach dem kommt es für die Beurteilung, ob die Auslegungsmaßstäbe für „Neu-“ oder für „Altverträge“ maßgebend sind, darauf an, ob die ursprüngliche vertragliche Bezugnahmeregelung in der nachfolgenden Vertragsänderung zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der beteiligten Vertragsparteien gemacht worden ist ( - Rn. 25; - 4 AZR 514/08 - Rn. 23 bis 25, BAGE 132, 261). Ein deutlicher Ausdruck dafür, dass eine zuvor bestehende Verweisungsklausel erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist und die Parteien trotz der geänderten Gesetzeslage auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am ausdrücklich an den zuvor getroffenen Abreden festhalten, liegt beispielsweise in der ausdrücklichen Erklärung, dass „alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben“ (vgl. für die Bewertung  - Rn. 49, BAGE 127, 185). Eine solche Regelung hindert die Annahme eines „Altvertrags“ und eine Rechtsfolgenkorrektur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ( - Rn. 25, aaO). Allerdings führt allein der Umstand einer Vertragsänderung nicht dazu, dass zugleich stets alle vertraglichen Regelungen des ursprünglichen Arbeitsvertrags erneut vereinbart oder bestätigt würden. Ob eine solche Abrede gewollt ist, ist anhand der konkreten Vertragsänderung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ( - Rn. 27).

29b) Danach ist die von der Klägerin und der Beklagten durch den Nachtrag vom vereinbarte Arbeitsvertragsänderung hinsichtlich der dynamischen Bezugnahme der Entgeltbestimmungen durch §§ 1 und 3 des Arbeitsvertrags als „Neuvertrag“ zu bewerten.

30aa) In Nr. 6 Satz 2 des zuletzt geschlossenen Nachtrags 2011/2 haben die Vertragsparteien ausdrücklich geregelt, dass „alle anderen Bestimmungen des Arbeitsvertrages“ aus dem Jahr 1995, der in Nr. 1 des Nachtrags 2011/2 auch ausdrücklich aufgeführt ist, unverändert fortgelten. Mit dieser Formulierung haben sie die Bestimmungen des ursprünglichen Arbeitsvertrags erneut vereinbart. Das ergibt sich auch aus der Systematik des Nachtrags. Nach dessen Nr. 6 Satz 1 soll die Änderung der Arbeitszeit (Nr. 2) und die vereinbarte Vergütung (Nr. 3) ausschließlich in der Zeit vom bis zum „Gültigkeit“ haben. Darüber hinaus haben die Parteien in Nr. 6 Satz 2 des Nachtrags 2011/2 neben der zeitlich befristeten Änderung der Arbeitszeit und des Entgelts nach Satz 1 - und damit auch außerhalb der zeitlich nur befristet geschlossenen Vereinbarungen - die uneingeschränkte Fortgeltung „aller anderen Bestimmungen“ zum Vertragsinhalt gemacht. Nach dem Ende der Vereinbarungen im Nachtrag 2011/1 zum bilden dann die gesamten Regelungen des Arbeitsvertrags aus dem Jahr 1995 die maßgebende vertragliche Grundlage für das Arbeitsverhältnis. Damit werden die zugleich die §§ 1 und 3 des Arbeitsvertrags einbezogen.

31bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei der Regelung im Nachtrag nicht lediglich um eine sog. deklaratorische Vertragsbestimmung. Einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung liegen grundsätzlich übereinstimmende Willenserklärungen zugrunde. Soll deren Inhalt teilweise keine rechtsgeschäftliche Wirkung zukommen, sondern es sich nur um eine deklaratorische Angabe in Form einer sog. Wissenserklärung handeln, muss dies im Vertrag deutlich zum Ausdruck gebracht worden sein ( - Rn. 12 mwN, BAGE 146, 29). Nach ihrem Wortlaut liegen der Vereinbarung ohne Weiteres übereinstimmende Willenserklärungen zugrunde. Anhaltspunkte dafür, die Parteien hätten reine Wissenserklärungen ohne Rechtsbindungswillen abgegeben, wie es die Beklagte meint, lassen sich weder dem Vertragswortlaut entnehmen noch sind besondere Umstände erkennbar, die hierauf schließen lassen.

322. Die Klägerin kann nach den vorstehenden Maßstäben zwar für den nachfolgenden Zeitraum vom bis zum kein weiteres Entgelt nach dem GTV 2011 beanspruchen, aber für die Monate Juni 2011 bis Dezember 2011 und zwar in rechnerisch unstreitiger Höhe von insgesamt 394,80 Euro brutto verlangen.

33a) Die Klage ist unbegründet, soweit die Klägerin für die Zeit vom 17. Januar bis zum ein weiteres Entgelt verlangt.

34aa) Das gilt zunächst für den Zeitraum vom bis zum .

35Zwar gelten auch nach Nr. 6 Satz 2 des Nachtrags 2011/1 „alle anderen Bestimmungen des Arbeitsvertrages“ unverändert fort. Die Parteien haben aber in Nr. 3 Satz 1 des Nachtrags 2011/1 eine selbständige und gegenüber der Regelung in Nr. 6 Satz 2 iVm. § 14 Satz 1 des Arbeitsvertrags vorrangige „Bestimmung“ zum Entgelt vereinbart. Es ist auch nicht ersichtlich, durch Nr. 3 Satz 1 des Nachtrags 2011/1 solle ein - zumal jeweils aktuelles - tariflich geregeltes Entgelt zum Inhalt der Vergütungsabrede gemacht werden. Diese eigenständige vertragliche Entgeltabrede steht einer Anwendung des GTV 2011 aufgrund einer dynamischen Bezugnahme durch Nr. 6 Satz 2 des Nachtrags 2011/2 iVm. §§ 1 und 3 des Arbeitsvertrags entgegen.

36bb) Gleiches gilt für den Zeitraum vom 1. März bis zum . Der Nachtrag 2011/2 enthält in Nr. 3 gleichfalls eine vorrangige Entgeltbestimmung.

37b) Begründet ist die Klage für den Zeitraum vom bis zum . Für diesen findet kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der GTV 2011 Anwendung. Die abweichende Vergütungsregelung in Nr. 3 des Nachtrags 2011/1 hat am geendet. Die Klägerin kann für diese sieben Monate die Entgeltdifferenz zur Gehaltsgruppe II/E GTV 2011 iHv. monatlich 56,40 Euro brutto verlangen.

38III. Der Klägerin steht schließlich kein Anspruch auf die begehrte Entgeltdifferenz für den Zeitraum vom bis zum zu.

391. Für die Zeit vom bis zum kann sich die Klägerin nicht auf den Nachtrag 2010 stützen. Zwar haben sie und die Rechtsvorgängerin der Beklagten in Nr. 6 Satz 2 des Nachtrags 2010 nach den dargestellten Maßstäben (oben II 1) die Bezugnahmeregelung in §§ 1 und 3 des Arbeitsvertrags erneut vereinbart. Die Vertragsparteien haben aber in Nr. 3 des Nachtrags 2010 ebenfalls eine vorrangige „Bestimmung“ zum Entgelt für die letzten beiden Monate des Jahres 2010 vereinbart.

402. Soweit die Klägerin für die Zeit vom bis zum in Anwendung des GTV ein Entgelt nach der Gehaltsgruppe II/E GTV 2009 verlangen kann, hat sie ihren Entgeltanspruch der Höhe nach nicht schlüssig dargelegt. Ihrem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, in welchem zeitlichen Umfang die teilzeitbeschäftigte Klägerin im Streitzeitraum tätig gewesen ist.

41IV. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB.

42V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2015:130515.U.4AZR243.14.0

Fundstelle(n):
PAAAF-05732