BSG Beschluss v. - B 12 R 37/14 B

Instanzenzug: S 3 R 2947/10

Gründe:

1In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich die Klägerin gegen eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 58 872,77 Euro zuzüglich Säumniszuschlägen in Höhe von 19 931,50 Euro.

2Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung ihres Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

3Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Allein die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

4Die Klägerin beruft sich in ihrer Beschwerdebegründung vom auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und das Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

51. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

6Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam,

"ob es ausländischen EU-Bürgern mit mangelhaften oder fehlenden Deutschkenntnissen verwehrt ist, in Deutschland eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zu gründen oder sich an ihr zu beteiligen."

7Sie trägt vor, Kernaussage des Urteils des LSG sei, dass ausländische EU-Bürger, die in Deutschland über keine Arbeitsgenehmigung verfügten, mangels Sprachkenntnissen und damit ausgeschlossener Möglichkeit gewerblich aufzutreten oder selbst ein Gewerbe zu betreiben, weder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gründen, noch sich an ihr beteiligen könnten. Das LSG gehe im Kern davon aus, dass slowakische EU-Bürger mit schlechten bzw nicht vorhandenen Deutschkenntnissen nicht in der Lage seien, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu gründen oder sich an ihr zu beteiligen. Das LSG sehe es auch nicht als möglich an, dass eine Zusammenarbeit von slowakischen Bürgern in Deutschland unter Zuhilfenahme einer geschäftsführenden Gesellschafterin in Deutschland, die über ausländische Sprachkenntnisse und kaufmännische Erfahrung verfüge, möglich sei. EU-Bürger, die über keine Arbeitsgenehmigung in Deutschland verfügten, würden faktisch ausgeschlossen, eine Gesellschaft zu gründen bzw sich an ihr in Deutschland zu beteiligen. Auch stelle das LSG fehlerhaft darauf ab, dass jeder einzelne der slowakischen Mitgesellschafter nicht in der Lage gewesen wäre, die Firma in Deutschland zu führen. Damit seien Grundzüge der Gesellschaft bürgerlichen Rechts verkannt worden. Existenzgründungen in Deutschland seien dann nicht mehr denkbar.

8Die Beschwerdebegründung erfüllt bereits die erste Darlegungsvoraussetzung für eine Grundsatzrüge nicht (vgl hierzu exemplarisch BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Denn die Klägerin formuliert schon keine abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht (vgl hierzu allgemein - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10; - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 181). Die Klägerin beschränkt sich im Wesentlichen auf den Vortrag, ausländischen EU-Bürgern mit mangelhaften oder fehlenden Deutschkenntnissen sei es verwehrt, in Deutschland eine GbR zu gründen oder sich an ihr zu beteiligen, ohne dass eine revisible Norm benannt wird, zu der sich eine Rechtsfrage im oben beschriebenen Sinne stellen würde. Es gehört aber nicht zu der Aufgabe des Beschwerdegerichts, den Vortrag daraufhin zu untersuchen, ob sich aus ihm eventuell eine entsprechende Rechtsfrage herausfiltern ließe (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48). Soweit die Klägerin die von ihr dem LSG zugeschriebene Rechtsansicht für "unzutreffend" hält, wendet sie sich gegen die inhaltliche Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Hierauf kann jedoch - wie oben bereits ausgeführt - eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.

92. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSGE 2, 81, 82; 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann sich der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 S 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) stützen. Ferner kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (BSG SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG SozR 1500 § 160 Nr 33). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.

10Die Klägerin rügt, das LSG gehe pauschal von unglaubhaften Angaben des Zeugen W in dessen eidesstattlichen Versicherung vom aus. Ein derartiges Vorgehen stelle "bei Beweiswürdigung im vorliegenden Fall einen Verstoß gegen die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme" dar. Mit diesem Vorbringen greift die Klägerin im Kern nur die Beweiswürdigung des LSG iS des § 128 Abs 1 S 1 SGG an. Darauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde aber von vornherein nicht gestützt werden (vgl § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG).

11Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang weiter vorträgt, es sei zwingend erforderlich gewesen, den Zeugen W persönlich anzuhören, wendet sie sich gegen die Sachaufklärung durch das LSG.

12Wird ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gerügt, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1.) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2.) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3.) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu einer weiteren Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4.) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5.) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (zum Ganzen s BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 18 RdNr 8).

13Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Denn die im Berufungsverfahren bereits anwaltlich vertretene Klägerin hat - anderes als erforderlich - nicht aufgezeigt, dass sie vor dem LSG einen entsprechenden prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt und bis zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am zu Protokoll ausdrücklich aufrechterhalten habe. Auch behauptet sie nicht, dass das Berufungsgericht einen solchen Beweisantrag im Urteil wiedergegeben habe (vgl hierzu BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN, stRspr).

143. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

154. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

165. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung durch das LSG.

Fundstelle(n):
UAAAF-02531