BAG Urteil v. - 1 AZR 435/13

Mitbestimmung des Betriebsrats bei der betrieblichen Lohngestaltung - Entlohnungsgrundsätze - Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung - Tarifwechsel

Gesetze: § 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG, § 611 Abs 1 BGB

Instanzenzug: Az: 2 Ca 1210/11 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 2 Sa 745/12 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über Differenzvergütung wegen mitbestimmungswidriger Änderung von Entlohnungsgrundsätzen.

2Die nicht tarifgebundene Beklagte, deren Mehrheitsgesellschafterin die Stadt M ist, führt Veranstaltungen - insbesondere Tagungen, Kongresse, Ausstellungen und Messen - durch. In ihrem Betrieb ist ein Betriebsrat gebildet. Mit diesem schloss die Beklagte am eine Betriebsvereinbarung (im Folgenden BV 1992). Diese lautet auszugsweise:

3Am schlossen die Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung (im Folgenden BV 2001), die - anders als die BV 1992 - keine Regelungen zur Eingruppierung und zur Vergütung enthält. Die BV 2001 lautet auszugsweise:

4Bis September 2005 schloss die Beklagte mit ihren im Bereich der Verwaltung und der Technik eingesetzten Arbeitnehmern Arbeitsverträge, in denen eine Vergütung in Anlehnung an eine bestimmte Vergütungsgruppe des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) vereinbart wurde. Im Hinblick auf die Tarifsukzession im öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen zum wurden die Mitarbeiter im Bereich der Verwaltung und der Technik im Oktober 2005 von der Beklagten über eine „Überleitung des BAT in den TVöD“ und über eine „Eingruppierung in Anlehnung an den TVöD“ informiert. In einem an den Betriebsrat gerichteten Schreiben vom führte die Beklagte hierzu ua. aus:

5Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem - zuletzt als Projektleiterin im Bereich Kongresse - beschäftigt. Ihr Arbeitsvertrag vom sah eine monatliche Vergütung „in Anlehnung an BAT IVa“ vor; der Arbeitsvertrag vom „in Anlehnung an BAT III/8“. In einem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom gab die Beklagte eine Eingruppierung „am in Anlehnung an den TVöD in die Entgeltgruppe 11/Stufe 5“ bekannt. In dem letzten, am geschlossenen Arbeitsvertrag der Parteien heißt es ua.:

6Mit ihrer Klage hat die Klägerin für die Jahre 2008 bis 2010 - unter Berücksichtigung des ihr gezahlten Bruttomonatsentgelts - die Zahlung des monatlichen Tabellenentgelts nach dem TVöD entsprechend der Entgeltgruppe 11 Stufe 6, der Zeitzuschläge für geleistete Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit nach § 8 TVöD - jedenfalls aber nach der BV 2001 - sowie der Jahressonderzahlungen nach § 20 TVöD verlangt. Sie hat geltend gemacht, mit der BV 1992 hätten die Betriebsparteien eine dem BAT entsprechende Vergütungsordnung geregelt. Diese habe sich wegen einer Tarifsukzession ab in eine dem TVöD entsprechende Vergütungsordnung umgewandelt. Dagegen verstoße ihr geänderter Arbeitsvertrag. Das verletze das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung richtete sich ihre Vergütung nach dem TVöD.

7Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

8Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es fehle an einer mitbestimmten Vergütungsordnung. Eine solche sei durch die BV 2001 aufgehoben worden. Unabhängig davon sei ein Mitbestimmungsrecht nicht verletzt. Der einzelvertraglichen Abmachung mit der Klägerin fehle es an einem kollektiven Bezug.

9Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.

Gründe

10Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Diese ist schon deswegen unbegründet, weil die Klägerin einen Anspruch auf die streitbefangenen Differenzvergütungen nicht schlüssig dargetan hat.

11I. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht unmittelbar aus ihrem Arbeitsvertrag. Anders als die vorangegangenen Verträge enthält der letzte Arbeitsvertrag vom bei der Vergütung keinen - im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung anzunehmenden - Verweis auf den TVöD in der im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) geltenden Fassung (vgl. zu dieser ergänzenden Auslegung der von der Beklagten verwandten und auf eine Vergütung nach einer bestimmten Vergütungsgruppe des BAT verweisenden Formulararbeitsverträge  - Rn. 18 ff. und - 5 AZR 484/13 - Rn. 18 ff.).

12II. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Beklagte auch nicht nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung verpflichtet, die im Streit stehenden Beträge zu zahlen.

131. Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein Arbeitnehmer in Fortführung der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung bei einer unter Verstoß gegen das Beteiligungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG vorgenommenen Änderung der im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze eine Vergütung auf der Grundlage der zuletzt mitbestimmten Entlohnungsgrundsätze fordern. Die im Arbeitsvertrag getroffene Vereinbarung über die Vergütung wird von Gesetzes wegen ergänzt durch die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer nach den im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätzen zu vergüten ( - Rn. 30 mwN).

142. Danach kann die Klägerin keine Vergütung nach den Grundsätzen des TVöD verlangen. Diese sind nicht die im Betrieb der Beklagten zuletzt mitbestimmten Entlohnungsgrundsätze.

15a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung, mitzubestimmen. Die betriebliche Lohngestaltung betrifft die Festlegung abstrakter Kriterien zur Bemessung der Leistung des Arbeitgebers, die dieser zur Abgeltung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers oder sonst mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis insgesamt erbringt. Mitbestimmungspflichtig sind die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen ( - Rn. 15 mwN). Entlohnungsgrundsätze iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG sind die abstrakt-generellen Grundsätze zur Lohnfindung. Sie bestimmen das System, nach welchem das Arbeitsentgelt für die Belegschaft oder Teile der Belegschaft ermittelt oder bemessen werden soll. Entlohnungsgrundsätze sind damit die allgemeinen Vorgaben, aus denen sich die Vergütung der Arbeitnehmer des Betriebs in abstrakter Weise ergibt. Zu ihnen zählen neben der Grundentscheidung für eine Vergütung nach Zeit oder nach Leistung die daraus folgenden Entscheidungen über die Ausgestaltung des jeweiligen Systems ( - Rn. 16 mwN). Der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegt die Einführung von Entlohnungsgrundsätzen und deren Änderung. Dabei kommt es für das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nicht darauf an, auf welcher rechtlichen Grundlage die Anwendung der bisherigen Entlohnungsgrundsätze erfolgt ist, ob etwa auf der Basis bindender Tarifverträge, einer Betriebsvereinbarung, einzelvertraglicher Absprachen oder einer vom Arbeitgeber einseitig praktizierten Vergütungsordnung. Denn nach der Konzeption des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hängt das Mitbestimmungsrecht nicht vom Geltungsgrund der Entgeltleistung, sondern nur vom Vorliegen eines kollektiven Tatbestands ab ( - Rn. 17 mwN). Die konkrete Höhe des Arbeitsentgelts wird allerdings nicht vom Beteiligungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erfasst ( - Rn. 18 mwN).

16b) Die bei der nicht tarifgebundenen Beklagten geltenden - zuletzt mitbestimmten - Entlohnungsgrundsätze entsprechen nicht der Vergütungsstruktur des TVöD. Daher kann die Klägerin ihre Klageforderung hierauf nicht stützen.

17aa) Die Betriebsparteien haben die im Betrieb der Beklagten anzuwendenden Entlohnungsgrundsätze in der BV 1992 und in der BV 2001 ausgestaltet.

18(1) In dem Abschluss der BV 1992 liegt (auch) die Ausübung des dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zustehenden Mitbestimmungsrechts für die Anwendung der in der Betriebsvereinbarung zum Ausdruck kommenden Entlohnungsgrundsätze. Diese bestimmen sich in dem für die Klägerin einschlägigen „Verwaltungsbereich“ ua. nach § 7 Abs. 1 Buchst. a BV 1992 durch eine Eingruppierung der „Angestellten in die Vergütungsgruppen des BAT entsprechend der von ihnen auszuübenden Tätigkeit in Anlehnung an die §§ 22 und 23 BAT“, nach § 8 Abs. 1 Buchst. a BV 1992 durch die auf §§ 26 bis 34 BAT Bezug nehmenden vergütungsrechtlichen Bestimmungen, nach § 10 Abs. 1 iVm. § 8 BV 1992 durch eine auf den BAT verweisende Weihnachtszuwendung und nach § 6 Abs. 2 Abschn. A Ziffer 3 BV 1992 durch einen pauschalierten Ausgleich für Überstunden sowie Zuschläge für geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit.

19(2) Diese Entlohnungsgrundsätze haben die Betriebsparteien mit der BV 2001 - anders als die Beklagte meint - nicht insgesamt abgelöst. Die BV 2001 trifft keine mit § 7 Abs. 1 Buchst. a, § 8 Abs. 1 Buchst. a und § 10 Abs. 1 iVm. § 8 Abs. 1 BV 1992 vergleichbare Regelungen. Sie enthält allerdings für Angestellte in ihrem § 4 Abschn. A gegenüber § 6 Abs. 2 Abschn. A. Ziffer 3 BV 1992 geänderte Festlegungen zur Mehrarbeit und zu Überstunden sowie inhaltsgleiche Bestimmungen zu den Zuschlägen für geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit. Vor diesem Hintergrund haben die Betriebsparteien die in der BV 1992 festgelegten Entlohnungsgrundsätze aber nur in einem konkreten marginalen Punkt geändert und nicht durch eine Neuregelung insgesamt abgelöst. Dagegen spricht auch nicht § 11 BV 2001, wonach mit dem Inkrafttreten der BV 2001 am die BV 1992 außer Kraft tritt. Wäre die BV 2001 eine die (bisherigen) Entlohnungsgrundsätze beseitigende Vereinbarung, hätte der Betriebsrat auf die Substanz der ihm gesetzlich obliegenden Mitbestimmung verzichtet. Ein solches Verständnis führte - jedenfalls soweit die Angelegenheit nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG betroffen ist - zur Unwirksamkeit der BV 2001 (vgl. zu einer Betriebsvereinbarung über die Lohngestaltung  - zu I 2 der Gründe, BAGE 114, 286). Es verbietet sich schon deshalb, weil Betriebsvereinbarungen möglichst gesetzeskonform auszulegen sind (vgl.  - zu B II 2 b dd der Gründe, BAGE 107, 9).

20(3) Weder die BV 1992 noch die BV 2001 ist wegen eines Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG insgesamt unwirksam. Zwar könnte die Beklagte nach der nicht angegriffenen Feststellung des Landesarbeitsgerichts aufgrund der mehrheitlichen Beteiligung der Stadt M Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband werden. Deshalb ist anzunehmen, dass der Betrieb der Beklagten dem öffentlichen Dienst der Kommunen zuzurechnen ist. Dort sind seit Jahrzehnten etwa Ausschlussfristen tariflich geregelt, für Angestellte zunächst in § 70 BAT, nach der Tarifsukzession in § 37 TVöD. Ausschlussfristen unterfallen aber dem Bereich der freiwilligen Mitbestimmung (§ 88 BetrVG). Für sie gilt die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Daher verstößt § 2 Abs. 1 Abschn. A Buchst. a BV 1992 - ebenso wie § 2 Abs. 1 Abschn. A Buchst. a BV 2001 - zumindest hinsichtlich der Ausschlussfristenregelung gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG und ist insoweit unwirksam (vgl. zur BV 2001  - Rn. 33). Gleiches gilt, soweit die BV 1992 und die BV 2001 Regelungen zu der nicht der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegenden konkreten Höhe des Entgelts beinhalten. Jedoch hat die Teilunwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung die Unwirksamkeit auch ihrer übrigen Bestimmungen nur dann zur Folge, wenn diese ohne die unwirksamen Teile keine sinnvolle, in sich geschlossene Regelung mehr darstellen (vgl.  - zu B II 2 c ee (4) (b) der Gründe, BAGE 114, 162). Danach sind die BV 1992 und die BV 2001 nicht insgesamt unwirksam. Sie bilden auch ohne die unwirksamen Festlegungen zu einer Ausschlussfrist und der konkreten Vergütungshöhe eine in sich geschlossene und praktikable Regelung zu den im Betrieb der Beklagten anzuwendenden Entlohnungsgrundsätzen.

21bb) Mit der ab dem vorgenommenen einseitigen „Umstellung“ der Vergütung der Arbeitnehmer im Verwaltungsbereich auf den TVöD hat die Beklagte die in der BV 1992 und der BV 2001 aufgestellten Entlohnungsgrundsätze geändert.

22(1) Die Beklagte hat - wie in ihrem Schreiben vom an den Betriebsrat verlautbart - ab dem die bisher „in Anlehnung an BAT“ eingruppierten Mitarbeiter ua. der Verwaltung „in Anlehnung an den TVöD eingruppiert und entlohnt“. Es trifft zwar zu, dass im kommunalen Bereich der BAT zum durch den TVöD ersetzt wurde, § 2 Abs. 1 TVÜ-VKA. Ab diesem Zeitpunkt wurden der BAT und die Vergütungstarifverträge zum BAT nicht mehr weiterentwickelt. Die Vergütungsstrukturen des BAT und des TVöD/TVÜ-VKA sind aber nicht gleich. Anders als der BAT - auf den etwa § 7 Abs. 1 Buchst. a und § 8 Abs. 1 Buchst. a BV 1992 verweisen - sieht der TVöD keine altersabhängige Grundvergütung, keine familienbezogenen Entgeltbestandteile und keine Bewährungs-, Zeit- und Tätigkeitsaufstiege vor. Mit der Vergütung nach den Strukturen des TVöD ändert sich das System, nach dem sich das Entgelt der Arbeitnehmer ermittelt.

23(2) Bei dieser Änderung hat die Beklagte das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verletzt.

24(a) Zwar ist der Senat in seiner Entscheidung vom (- 1 AZR 797/09 -) davon ausgegangen, dass in einem Fall, in dem der Arbeitgeber auf alle Arbeitnehmer unabhängig von ihrer Tarifgebundenheit die für ihn geltende tarifliche Vergütungsordnung in ihrer jeweiligen Fassung angewandt hatte (dies war in dem entschiedenen Rechtsstreit bis zum die des BAT und anschließend die des TV-L und TVÜ-L), kein Tarifwechsel, sondern eine von denselben Tarifvertragsparteien vereinbarte Tarifsukzession innerhalb des Geltungsbereichs des bisherigen Tarifvertrags liegt, woran der Betriebsrat mangels Änderung der bisherigen Vergütungsstruktur nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu beteiligen ist. Diese Entscheidung beruht aber auf der Fallgestaltung, dass sich die bei dem Arbeitgeber geltende Vergütungsordnung inhaltlich nicht auf den BAT oder die jeweils geltende Fassung des BAT und die ihn ergänzenden Tarifverträge beschränkte, sondern in der „jeweils für das Land Schleswig-Holstein maßgeblichen tariflichen Struktur“ bestand. Infolge dessen war die dortige Tarifsukzession vom BAT zum TV-L keine mitbestimmungspflichtige „Änderung“ der Entlohnungsgrundsätze, sondern in den mitbestimmten Entlohnungsgrundsätzen angelegt.

25(b) Vorliegend haben die Betriebsparteien keinen Entlohnungsgrundsatz vereinbart, wonach sich dieser im Verwaltungsbereich generell nach den „für die Angestellten im kommunalen öffentlichen Dienst“ oder nach dem „für die Stadt M“ geltenden tariflichen Bestimmungen richtet. Dies folgt aus der - vor allem systematischen - Auslegung der BV 1992 und der BV 2001.

26(aa) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (vgl.  - Rn. 16 mwN).

27(bb) Hiervon ausgehend haben die Betriebsparteien keinen Entlohnungsgrundsatz vereinbart, der in der Anwendung des für den (kommunalen) öffentlichen Dienst geltenden Tarifwerks besteht.

28(aaa) Der Wortlaut der in der BV 1992 getroffenen Bestimmungen zu den im Verwaltungsbereich aufgestellten Entlohnungsgrundsätzen ist unergiebig. Bei der Eingruppierung spricht § 7 Abs. 1 Buchst. a BV 1992 von einer „Anlehnung an die §§ 22 und 23 BAT“. Bei dem Entgelt ist in § 8 Abs. 1 BV 1992 formuliert, dass für die Angestellten die vergütungsrechtlichen Bestimmungen der §§ 26 bis 34 BAT „gelten“. Bei der Zuwendungsregelung des § 10 BV 1992 findet sich - im Zusammenhang mit § 8 BV 1992 - der sprachliche Ausdruck einer „Geltung“ tariflicher Vorschriften des BAT und der „zusätzlich zum BAT … abgeschlossenen Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung“. Das mag für einen Verweis auf die tarifliche Vergütungsordnung sprechen, träfe aber nur für „Eingruppierung“, „Vergütung/Lohn“ und „Weihnachtszuwendungen“ zu. Im buchstäblichen Verständnis sind außerdem allenfalls Bezugnahmen auf die jeweils geltenden Fassungen des BAT ausgedrückt.

29(bbb) Der Gesamtzusammenhang der mit der BV 1992 und der BV 2001 vereinbarten Entlohnungsgrundsätze spricht deutlich gegen deren generelle Verknüpfung mit der für den öffentlichen Dienst maßgeblichen tariflichen Struktur. Die Betriebsparteien haben sich unterschiedlicher Regelungstechniken bedient. Sie haben zT auf das im öffentlichen Dienst (damals) geltende Tarifwerk des BAT verwiesen und zT (konkret: bei den Zuschlägen) eigenständige Regelungen getroffen (§ 6 Abs. 2 Abschn. A Ziffer 3 BV 1992 und § 4 Abschn. A BV 2001). Diese - auch in anderen Bereichen vor allem der BV 1992 - verwandte Regelungstechnik kann nur so verstanden werden, dass die Betriebsparteien einerseits Normen schaffen wollten, deren Inhalt sich nach den in Bezug genommenen Tarifnormen richten soll, und anderseits solche, die als eigenständige Regelungen von dem Tarifwerk des öffentlichen Dienstes einschließlich seiner zukünftigen Veränderungen unberührt bleiben sollen. Damit verbietet sich die Annahme einer inhaltlichen Orientierung der mitbestimmt aufgestellten Entlohnungsgrundsätze an der jeweils für den kommunalen öffentlichen Dienst einschlägigen tariflichen Struktur. Selbst wenn die Betriebsparteien übereinstimmend einen solchen Regelungswillen verfolgt hätten, wäre er nicht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gekommen und daher bei der Auslegung nicht zu berücksichtigen.

30(ccc) Der von der Revision in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Hinweis auf eine ergänzende Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) der BV 1992 und der BV 2001 dahingehend, dass die Betriebsparteien die Struktur des TVöD vereinbart hätten, wenn ihnen die Nichtfortführung des BAT und seiner Vergütungstarifverträge ab einem bestimmten Zeitpunkt klar gewesen sei, ist nicht zielführend. Er verkennt, dass sich die Auslegung von Betriebsvereinbarungen nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung richtet. Damit scheidet eine ergänzende Auslegung von Betriebsvereinbarungen zwar nicht von vornherein aus (hierzu  - Rn. 31; zweifelnd  - zu II 2 c dd der Gründe, BAGE 104, 353). Voraussetzung ist aber die Feststellung einer unbewussten planwidrigen Regelungslücke. Eine solche kann den mit der BV 1992 und der BV 2001 aufgestellten Entlohnungsgrundsätzen nicht entnommen werden.

31(c) Die Änderung der Entlohnungsgrundsätze durch die Arbeitgeberin ab dem erfolgte einseitig und ohne Wahrung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Auch eine darauf gerichtete Regelungsabrede ist unterblieben. Sie folgt nicht daraus, dass der Betriebsrat - soweit ersichtlich - die ihm mitgeteilte Eingruppierung und Entlohnung ua. der Mitarbeiter der Verwaltung ab dem in Anlehnung an den TVöD nicht moniert hat. Die bloße Hinnahme mitbestimmungswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers durch den Betriebsrat ist keine Regelungsabrede. Diese setzt zumindest eine auf die Zustimmung zu der Maßnahme gerichtete Beschlussfassung des Betriebsrats und deren Verlautbarung gegenüber dem Arbeitgeber voraus ( - Rn. 33 mwN). Hierfür fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten.

32cc) Sind die im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze damit nicht die des TVöD, kann die Klägerin ihre Klageforderung nicht darauf stützen. Die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung trägt keinen Anspruch auf Vergütung nach mitbestimmungswidrig geänderten Entlohnungsgrundsätzen. Sie setzt ein mitbestimmungswidriges Verhalten des Arbeitgebers voraus und ist nicht Anspruchsgrundlage zur Durchsetzung mitbestimmungswidrigen Verhaltens.

33dd) Nach all dem kommt es nicht darauf an, ob - wie die Klägerin meint - die Beklagte durch die seit März 2007 mit diversen Arbeitnehmern geschlossenen (Änderungs-)Verträge die Entlohnungsgrundsätze (erneut) mitbestimmungswidrig geändert hat. Ebenso ist nicht entscheidungserheblich, ob - wie die Beklagte meint - der Arbeitsvertrag der Klägerin vom auf keinem kollektiv-rechtlichen Tatbestand beruht.

34III. Soweit die Klägerin - erstmals in der Berufungsinstanz - geltend gemacht hat, jedenfalls nach der BV 2001 stünden ihr für geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit Zuschläge zum Grundlohn zu, hat sie die Höhe der hierauf bezogenen Klageforderung nicht schlüssig dargelegt. Sämtlichen ihrer Berechnungen liegt die Annahme einer Vergütung nach Entgeltgruppe 11 Stufe 6 TVöD zugrunde. Auf eine Vergütung nach den Entlohnungsgrundsätzen des TVöD besteht aber gerade kein Anspruch. Vor diesem Hintergrund braucht auch auf § 4 des Arbeitsvertrags vom , wonach kein Anspruch ua. auf „Feiertags- und Nacht-Stunden-Zuschläge“ besteht, nicht eingegangen zu werden.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2015:050515.U.1AZR435.13.0

Fundstelle(n):
BB 2015 S. 2164 Nr. 36
DB 2015 S. 2095 Nr. 36
EAAAE-99163