OFD Nordrhein-Westfalen - S 0186 - 2014/0002 - St 15 S 7170 - 2015/0003 - St 446

Körperschaftsteuerliche und umsatzsteuerliche Behandlung der Abgabe von Zytostatika durch eine Krankenhausapotheke

Körperschaftsteuer

Mit hat das BMF den Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) um eine Regelung zur Zuordnung von ärztlichen und pflegerischen Leistungen im Allgemeinen sowie von Medikamentenabgaben durch die Krankenhausapotheke an ambulant behandelte Patienten im Besonderen ergänzt (AEAO zu § 67 AO).

In Anlehnung an die Entscheidungsgründe des BFH in seinem zur Veröffentlichung im BStBl anstehenden sind danach die Einnahmen und Ausgaben, die in Zusammenhang mit der Abgabe von Medikamenten an ambulant behandelte Patienten des Krankenhauses stehen, dem Zweckbetrieb nach § 67 AO zuzuordnen, wenn

  1. die an ambulant behandelte Patienten erbrachten Leistungen sich aus dem Versorgungsauftrag des Krankenhauses ergeben und

  2. die betreffenden Präparate für eine unmittelbare Verabreichung im Krankenhaus vorgesehen sind.

Im Rahmen der praktischen Anwendung dieser Grundsätze sind für eine Zuordnung von Leistungen zum Zweckbetrieb nach § 67 AO die im konkreten Einzelfall begründeten rechtlichen Leistungsbeziehungen von Bedeutung, da innerhalb eines Krankenhauses verschiedene Leistungsträger tätig sein können.

Eine unmittelbare Verabreichung der Medikamente unterstellt, sind hinsichtlich des Umfangs des Versorgungsauftrags des Krankenhauses folgende Fallgruppen zu unterscheiden:

I. Gesetzlich versicherte Patienten

  1. Grundsätzlich umfasst der Versorgungsauftrag eines Krankenhauses im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung sowohl die sich aus § 39 SGB V ergebenden stationären und ambulanten Behandlungsleistungen als auch die für Krankenhäuser vorgesehenen (Instituts-)Ermächtigungen zu einer vertragsärztlichen Versorgung gemäß §§ 116a ff SGB V.

  2. Nicht vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst sind hingegen Leistungen, die aufgrund der persönlichen Ermächtigung eines Krankenhausarztes zur vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 116 SGB V erbracht werden. Hier obliegt die Erfüllung des Versorgungsauftrages allein dem betreffenden Arzt und zwar auch für den Fall, dass die Tätigkeit im Rahmen einer Ermächtigungsambulanz zwischen dem Arzt und dem Krankenhaus als Dienstaufgabe im Rahmen seines Dienstverhältnisses ausgestaltet ist. In diesem Fall wird nur der Arzt selbst per Verwaltungsakt durch die Kassenärztliche Vereinigung zur Schließung einer Versorgungslücke im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung (§§ 72 ff. SGB V) ermächtigt.

    Nach dem ist es jedoch in Übereinstimmung mit der Beurteilung durch das für die Zurechnung der Behandlungsleistungen zum Zweckbetrieb nach § 67 AO unbeachtlich, wenn diese durch einen ermächtigten Arzt als Dienstaufgabe als Ausfluss seiner nichtselbständigen Tätigkeit (Einkünfte nach § 19 EStG) erbracht werden. Das Tätigwerden eines nach § 116 SGB V persönlich ermächtigten Chefarztes ist in diesem besonderen Fall dem Bereich des Zweckbetriebs nach § 67 AO zuzuordnen.

II. Privat versicherte Patienten

  1. Im Bereich der privatärztlichen Versorgung sind vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses solche Leistungen umfasst, denen ein Behandlungsvertrag zwischen dem Krankenhaus und dem Patienten zugrunde liegt. Hiervon ist bei einer Behandlung durch einen Krankenhausarzt im Rahmen seiner Dienstverpflichtungen auszugehen.

  2. Bei Leistungen einer Privatambulanz, die ein (Chef-)Arzt im Rahmen seiner Nebentätigkeitserlaubnis und mithin außerhalb seiner dienstvertraglichen Pflichten im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit (Einkünfte aus § 18 EStG) erbringt, wird der vom Patienten erteilte Behandlungsauftrag durch den Arzt auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko erfüllt. Diese Leistungen sind nicht vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst.

    Sie sind auch weder nach der aktuellen BFH-Rechtsprechung noch nach Maßgabe des BMF-Schreibens vom 14.01.2015 (AEAO zu § 67 AO) dem Zweckbetrieb nach § 67 AO zuzurechnen.

Auswirkungen auf die Gemeinnützigkeit

In der Praxis können Fälle auftreten, in denen die Umqualifizierung der (regelmäßig ertragreichen) Abgabe von Zytostatikapräparaten vom steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 64 AO) in einen Zweckbetrieb (§ 67 AO) dazu führt, dass die Verluste übriger dauerdefizitärer Tätigkeiten nicht mehr im Wege des § 64 Abs. 2 AO ausgeglichen werden können. Der Ausgleich etwaiger Verluste aus steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben mit Mitteln, die gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 AO gemeinnützigkeitsrechtlich gebunden sind, stellt eine Mittelfehlverwendung dar, die in dem betreffenden Jahr zum Entzug der Steuerbegünstigung führen kann.

Umsatzsteuer

Auf Grundlage des hat der entschieden, dass die im Rahmen einer ambulant in einem Krankenhaus durchgeführten ärztlichen Heilbehandlung erfolgende Verabreichung von Zytostatika, die dort individuell für den einzelnen Patienten in einer Apotheke dieses Krankenhauses hergestellt werden, als ein mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz gem. § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG steuerfrei ist (entgegen Abschn. 100 Abs. 3 Nr. 4 UStR und Abschn. 4.14.6 Abs. 3 Nr. 3 UStAE).

Die Vertreter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder für Umsatzsteuerfragen haben die amtliche Veröffentlichung des Urteils im BStBl. II mit begleitendem BMF-Schreiben beschlossen. Dabei ist eine enge Auslegung des Urteils beabsichtigt. Die Grundsätze des BFH-Urteils sollen nur auf Sachverhalte Anwendung finden, die mit denen des Urteilsfalls vergleichbar sind. Demnach kommt eine Steuerbefreiung nur für die Abgabe von individuell für den Patienten hergestellten Arzneimitteln durch eine Krankenhausapotheke für eine in diesem Krankenhaus erbrachte ärztliche Heilbehandlung in Betracht.

Die Grundsätze des BFH-Urteils sollen voraussichtlich in allen offenen Fällen anzuwenden sein; insbesondere für Zwecke des Vorsteuerabzugs soll im Rahmen des begleitenden BMF-Schreibens eine Nichtbeanstandungsregelung getroffen werden. Zudem soll die Möglichkeit eines vereinfachten Rechnungsberichtigungsverfahrens geprüft werden.

Eine Berufung auf das Urteil ist bis zur Veröffentlichung im Bundessteuerblatt Teil II im Einzelfall unter Berücksichtigung der damit einhergehenden allgemeinen rechtlichen Konsequenzen möglich. Insoweit kann das Urteil in vergleichbaren Fällen bereits vor Ergehen des angekündigten BMF-Schreibens angewendet werden.

Weitere Informationen zum Thema

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Fundstelle(n):
StBW 2015 S. 811 Nr. 21
UStB 2015 S. 256 Nr. 9
IAAAE-98638