FinMin Nordrhein-Westfalen - S 0702 - 8 - V A 1

Steuerstrafsachen; Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Geldwäsche und Steuerhinterziehung – Schwarzgeldbekämpfungsgesetz

Mit Wirkung vom (Tag nach Verkündung) ist das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz vom in Kraft getreten (BGBl 2011 I Nr. 19, 676f).

Kernstück des Gesetzes ist die Modifizierung der Regelungen zur Selbstanzeige nach § 371 AO. Die Neuregelung der Selbstanzeige soll dazu dienen, für die Zukunft das planvolle Vorgehen von Steuerhinterziehungen nicht mehr mit Strafbefreiung zu belohnen und verhindern, dass das Instrument der Selbstanzeige als Gegenstand einer „Hinterziehungsstrategie” missbraucht wird.

Der Gesetzgeber hält damit grundsätzlich am Rechtsinstitut der Selbstanzeige fest, knüpft jedoch den staatlichen Verzicht auf Strafverfolgung – auch mit dem Ziel einer gleichmäßigen Besteuerung – an deutlich höhere Hürden für den bislang Steuerunehrlichen. Die inhaltliche Neuausrichtung der Vorschrift des § 371 AO erfolgte insbesondere hinsichtlich des Umfangs der zu machenden Angaben unter Einfluss der Rechtsprechung des BGH zur Selbstanzeige vom ().

Die geänderte Gesetzesnorm des § 371 AO enthält folgende maßgebliche Änderungen:

1. Inhaltliche Anforderungen an eine Selbstanzeige

Wegen Steuerhinterziehung wird nunmehr nicht bestraft, wer zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt. Das bislang in der Norm enthaltene Wort „insoweit” entfällt.

Anknüpfungspunkt für den inhaltlichen Umfang der Selbstanzeige ist dabei die einzelne hinterzogene Steuer (bestimmt durch Steuerart und Besteuerungszeitraum) so dass mit der Neuregelung nunmehr alle unverjährten Steuerverkürzungen zu einer Steuerart (z. B. verkürzte Einkommensteuer aller noch nicht (strafrechtlich) verjährten Veranlagungszeiträume) betroffen sind.

Die strafbefreiende Wirkung tritt – vorbehaltlich der weiteren Voraussetzungen des § 371 Abs. 2 und 3 AO – für die verkürzte Steuerart (z. B. Einkommensteuer) ein.

Unvollständige Selbstanzeigen (sog. Teilselbstanzeigen) für die einzelne Steuerart sind nicht wirksam.

2. Sperrgründe nach § 371 Abs. 2 AO

Die bereits bestehenden Ausschlussgründe des § 371 Abs. 2 AO werden verschärft bzw. ein neuer Ausschlussgrund eingeführt.

2.1. § 371 Abs. 2 Nr. 1 a AO (Prüfungsanordnung)

Eine Strafbefreiung ist nunmehr nicht mehr möglich, wenn vor der Berichtigung bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten dem Täter oder dessen Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO bekannt gegeben worden ist. Auf das Erscheinen des Prüfers wird in den Fällen des neugefassten § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO nicht mehr abgestellt, der Zeitpunkt des Ausschlusses der strafbefreienden Wirkung wird dadurch vorgezogen.

Anmerkung:

Unklar ist, in welchem Umfang die Sperrwirkung der Prüfungsanordnung greift. Der Gesetzgeber hat hierzu keine Angaben gemacht. Bislang war herrschende Meinung, dass der Umfang der Sperrwirkung durch den Inhalt der Prüfungsanordnung bestimmt wird. Die neue Formulierung der Norm lässt aber den Schluss zu, dass die Sperrwirkung nunmehr für alle zur Selbstanzeige gebrachten Steuerstraftaten greift, wenn auch nur eine der Taten Gegenstand der Prüfungsanordnung ist.

Das Erscheinen des Amtsträgers ist allein in den Fällen des § 371 Abs. 2 Nr. 1 c AO (steuerliche Prüfungen, Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit) weiterhin maßgeblich.

Da der Begriff „steuerliche Prüfung” nicht konkretisiert wurde, fallen grundsätzlich auch solche Prüfungen im Besteuerungsverfahren darunter, für die eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO nicht erforderlich ist (z. B. die Umsatzsteuer-Nachschau).

Der Umfang der Sperrwirkung aufgrund dieser steuerlichen Prüfung oder der Ermittlungen in einem Steuerstrafverfahren bzw. Steuerordnungswidrigkeiten¬verfahren wurde durch den Gesetzgeber jedoch nicht näher bestimmt.

2.2. § 371 Abs. 2 Nr. 1 b AO (Bekanntgabe eingeleitetes Strafverfahren)

Die Strafbefreiung kann weiterhin nicht mehr gewährt werden, wenn dem Täter oder dessen Vertreter bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist.

Das bisherige einschränkende Tatbestandsmerkmal „wegen der Tat” ist entfallen. Nach dem Wortlaut der Norm tritt mithin eine Sperrwirkung auch für jene offenbarten Steuerstraftaten ein, für die das Strafverfahren nicht eingeleitet wurde. Maßgeblich wäre damit allein die Bekanntgabe der Einleitung eines Steuerstrafverfahren für eine der unverjährten Steuerstraftaten.

2.3. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO (Tatentdeckung)

Dieser Ausschlussgrund gilt weiterhin. Allerdings reicht nach dem Wortlaut des Gesetzes aus, dass eine der Steuerstraftaten nach § 371 Abs. 1 AO bereits im Zeitpunkt der Abgabe der Selbstanzeige entdeckt war. Die Sperrwirkung umfasst dann den gesamten Umfang der Selbstanzeige, d. h. auch die anderen offenbarten Steuerstraftaten, für die noch keine Tatentdeckung vorliegt.

2.4. § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO (Betragsgrenze)

Mit dieser Norm wird ein neuer Ausschlussgrund eingeführt. Straffreiheit tritt in den Fällen der bereits eingetretenen Steuerverkürzungen oder der für sich oder einem anderen erlangten Steuervorteile nicht ein, wenn die verkürzte Steuer oder der nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 50.000 Euro je Tat übersteigt.

Die Betragshöhe orientiert sich dabei an der Rechtsprechung des zum Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO (großes Ausmaß). Laut Gesetzesbegründung ist auf die jeweilige materiell-rechtliche Tat abzustellen. Wird die Betragsgrenze für eine Tat überschritten, tritt allein für diese Tat keine Straffreiheit nach § 371 AO ein und sie kann weiterhin strafrechtlich verfolgt werden. Für andere im Rahmen einer Selbstanzeige offenbarte Taten, die die Grenze von 50.000 Euro unterschreiten kann (bei Nichtvorliegen der anderen Sperrgründe und unter den Voraussetzungen des § 371 Abs. 3 AO) weiterhin Straffreiheit erlangt werden.

3. Neugefasster § 371 Abs. 3 AO

Nach den neugefassten § 371 Abs. 3 AO tritt Straffreiheit nur ein, wenn die hinterzogenen Steuern innerhalb der bestimmten angemessenen Frist vollständig entrichtet werden.

Bei unvollständiger Nachentrichtung entfällt – anders als bisher – die strafbefreiende Wirkung vollständig.

4. Neue Vorschrift § 398a AO

Mit § 398a AO führt der Gesetzgeber eine neue Einstellungsvorschrift ein.

In den Fällen des neuen § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO soll damit der Anreiz zur Offenbarung beibehalten, gleichzeitig aber auch den BGH-Grundsätzen zum Strafmaß Rechnung getragen werden. Ohne eine Sonderleistung soll nur noch in leichteren Fällen der Steuerhinterziehung Straffreiheit erlangt werden können.

Dabei wird kraft Gesetzes in den Fällen des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO, in denen allein aufgrund der Überschreitung der Betragsgrenze von 50.000 Euro die Selbstanzeige nicht zum Erfolg führt, auf die grundsätzlich weiter zu erfolgende Strafverfolgung – ohne Ausübung eines einzelfallbezogenen Ermessens – verzichtet.

Voraussetzung für die Einstellung des Strafverfahrens ist allerdings- über die Entrichtung der der hinterzogenen Steuern hinaus – die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von fünf Prozent auf die hinterzogene Steuer zu Gunsten der Staatskasse.

Die Vorschrift des § 398a AO ist zwar dem § 153a StPO nachempfunden, führt aber im Gegensatz zu dieser Norm zu keinem Strafklageverbrauch.

Die Einstellungsvoraussetzungen des § 398a Nr. 1 und 2 AO gelten nach dem Wortlaut der Vorschrift nur für den Täter. Dabei dürfte der Begriff der Täterschaft nach § 25 StGB (Alleintäter, Mittäter) maßgeblich sein. Für die Teilnehmer an der Tat (Anstifter, Gehilfe) sind die Anforderungen insoweit nicht maßgeblich.

Die Entrichtung der hinterzogenen Steuern ist wie in den übrigen Fällen nur dann Voraussetzung für eine Einstellung des Verfahrens nach § 398a AO, wenn die Steuern zu Gunsten des Anzeigenerstatters hinterzogen wurde.

Der Geldbetrag nach § 398a Nr. 2 AO ist jedoch auch dann zu leisten, wenn der Täter nicht zu eigenen Gunsten handelte (z. B. im Falle einer GmbH).

Zur Zahlung beider Geldleistungen (Steuern und Geldbetrag) ist dem Anzeigenden eine angemessene Frist einzuräumen.

Zur praktischen Umsetzung dieser Vorschrift bedarf es einer landeseinheitlichen Vorgehensweise. Diese sollte kurzfristig zwischen den Oberfinanzdirektionen und dem Finanzministerium abgesprochen werden.

5. Übergangsregelung

Mit § 24 Einführungsgesetz zur AO (EGAO) wurde eine differenzierte Übergangsregelung geschaffen, die den notwendigen Umfang der einer wirksamen Selbstanzeige für die Zeit bis zur Verkündung der Neuregelung festlegt.

Dabei ist zu unterscheiden:

Die neue Fassung des § 371 AO gilt für Selbstanzeigen, die ab dem eingegangen sind.

Für Selbstanzeigen, die bis zum eingegangen sind, galt zunächst die bisherige Rechtslage des § 371 AO (einschließlich der Folgen der BGH-Rechtsprechung vom zur sog. Teilselbstanzeige). Erst mit Inkrafttreten des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes (d. h. ab dem ) ist auch die Übergangsregelung des § 24 EGAO anwendbar und führt kraft Gesetzes nunmehr zur Anerkennung der bis zum eingegangenen Teilselbstanzeigen (ungeachtet der Entscheidung des ).

Für die im Zeitraum bis eingegangenen Selbstanzeigen gilt die bisherige Rechtslage unter Berücksichtigung der BGH-Rechtsprechung. Die in dieser Zwischenzeit abgegebenen Teilselbstanzeigen können nicht nach § 24 EGAO rückwirkend anerkannt werden.

Für alle noch offenen, bis zum eingegangenen Selbstanzeigen ist die Entscheidung des BGH hinsichtlich der Wirksamkeit von Teilselbstanzeigen nicht anwendbar. Insoweit haben die diesbezüglich in meinem Erlass vom – S 0702 – 9 – V A 1 – gemachten Ausführungen keine Gültigkeit mehr.

Die übrigen Ausführungen des BGH (insbesondere zu den Sperrgründen „Erscheinen eines Amtsträgers zur Ermittlung einer Steuerstraftat bzw. Steuerordnungswidrigkeit” und „Tatendeckung”) haben auch nach Inkrafttreten des geänderten § 371 AO weiterhin Bestand und sind von der Neuregelung nicht betroffen.

Die einzelnen Änderungen aufgrund des Schwarzgeldbekämpfungsgesetz können der beigefügten Synopse entnommen werden.

Ich bitte, die Finanzämter für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Ihres Geschäftsbereichs entsprechend zu unterrichten.

FinMin Nordrhein-Westfalen v. - S 0702 - 8 - V A 1

Fundstelle(n):
RAAAE-94280