Durchführung einer mündlichen Verhandlung bei Abwesenheit aller Beteiligten; kein Ruhen des Verfahrens im Falle der Unzulässigkeit einer Klage
Gesetze: FGO § 65, FGO § 91 Abs. 2, FGO § 96 Abs. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Instanzenzug:
Gründe
1 I. Die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einer GmbH, gegen die im Anschluss an eine Außenprüfung ergangenen Steuerbescheide ist vom Finanzgericht (FG) als unzulässig abgewiesen worden. Die Klägerin habe —so die Vorinstanz— ihre Klage nicht begründet. Das FG hatte zuvor einem Antrag auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung () stattgegeben. Dem weiteren —einen Tag vor dem nunmehr anberaumten Termin () gestellten— Verlegungsantrag hat das FG nicht entsprochen, weil die Klägerin keine erheblichen Gründe i.S. von § 227 der Zivilprozessordnung (ZPO) benannt habe. Nach ihrem Schreiben vom sollte die Angelegenheit zunächst mit dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) erörtert werden, um die unterschiedlichen und ggf. vom Gericht zu klärenden Rechtsauffassungen der Beteiligten zu ermitteln. Die Revision wurde von der Vorinstanz nicht zugelassen ().
2 II. Die hiergegen erhobene Beschwerde ist zu verwerfen, da sie nicht den Anforderungen an die Darlegung der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genannten Gründe für eine Revisionszulassung genügt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
3 1. Der Vortrag, das vorinstanzliche Urteil beruhe deshalb auf einem Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), weil das FG entgegen § 251 ZPO (i.V.m. § 155 Satz 1 FGO) nicht das Ruhen des Verfahrens angeordnet habe, ist unschlüssig. Letzteres ergibt sich nicht nur daraus, dass im Falle der Unzulässigkeit der Klage eine solche Anordnung nicht in Betracht kommt (, BFH/NV 2008, 573; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 74 Rz 23). Hinzu kommt, dass das Ruhen des Verfahrens nach § 251 Satz 1 ZPO einen übereinstimmenden Antrag beider Beteiligten voraussetzt. Hieran fehlt es im Streitfall erkennbar. Weder kann dem Schriftsatz vom ein solcher Antrag entnommen werden, er war vielmehr lediglich auf die Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung gerichtet; noch bestand —wie vom FA im Beschwerdeverfahren unwidersprochen vorgetragen— Einvernehmen über eine gerichtliche Verfahrensaussetzung.
4 2. Unschlüssig ist des Weiteren der Vortrag, die Revision sei deshalb wegen eines Verfahrensmangels zu eröffnen, weil die Klägerin erhebliche Gründe i.S. von § 227 ZPO (i.V.m. § 155 Satz 1 FGO) für eine Aufhebung des Verhandlungstermins () geltend gemacht und deshalb die hiervon abweichende Entscheidung des FG ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 FGO; Art. 103 des Grundgesetzes) verletzt habe. Dem ist bereits deshalb nicht weiter nachzugehen, weil für den Senat nicht erkennbar ist, weshalb der Prozessbevollmächtige der Klägerin —wie im Schreiben vom vorgetragen— die „Änderung der (angefochtenen) Steuerbescheide im Wesentlichen” nicht habe nachvollziehen können. Abgesehen davon, dass der Bevollmächtigte die Klägerin auch im Einspruchsverfahren vertreten hatte, wäre es jedenfalls erforderlich gewesen, dass die Klägerin (bzw. ihr Prozessbevollmächtigter) bezogen auf die jeweiligen Steuerbescheide die Änderungsbeträge benennt und konkret erläutert, aus welchen Gründen sie (er) —trotz des Prüfungsberichts sowie der sonstigen Erklärungen des FA— den Inhalt dieser Bescheide nicht habe nachvollziehen können.
5 3. Nicht durchgreifen kann ferner der Vortrag, in der Ladung sei zwar entsprechend § 91 Abs. 2 FGO darauf hingewiesen worden, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden könne; der Hinweis betreffe jedoch nicht den vorliegenden Fall, da auch das FA nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen sei. Der Vortrag —sowie die hiermit verbundene Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör— lässt nicht nur außer Acht, dass —wie vorliegend geschehen— eine mündliche Verhandlung auch bei Abwesenheit der Beteiligten durchgeführt werden kann; hinzu kommt, dass dann, wenn jedem Beteiligten der nach § 91 Abs. 2 FGO gebotene Hinweis erteilt worden ist, die Vorschrift bereits ihrem Wortlaut nach auch die Möglichkeit eröffnet, trotz Ausbleibens aller Beteiligter eine Entscheidung (hier: Klageabweisung durch Urteil) zu treffen (vgl. zu beidem Gräber/ Koch, a.a.O., § 91 Rz 16; ebenso zu § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung Ortloff/Riese in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 102 Rz 22).
6 4. Unsubstantiiert ist schließlich die Rüge, das FG habe die Klage deshalb zu Unrecht als unzulässig abgewiesen, weil in dem Vortrag, die geänderten Steuerbescheide seien im Wesentlichen unverständlich, eine hinreichende Klagebegründung (§ 65 FGO) zu sehen sei. Zwar ist ein Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dann zu bejahen, wenn das FG über eine zulässige Klage nicht zur Sache, sondern durch Prozessurteil entscheidet (Senatsbeschluss vom I B 45/14, BFH/NV 2015, 696). Auch insoweit fehlt es jedoch an einer schlüssigen Darlegung, da —wie ausgeführt (s. oben zu II.2.)— der Vortrag, die angefochtenen Bescheide seien (im Wesentlichen) unverständlich, nicht substantiiert ist.
7 5. Im Übrigen sieht der Senat von einer Begründung dieses Beschlusses ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
8 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2015 S. 1095 Nr. 8
CAAAE-92532