BGH Urteil v. - IX ZR 95/14

Insolvenzanfechtung der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen: Indizwirkung schleppender Zahlungsweise für eine Zahlungseinstellung und einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz; Umfang der Verjährungshemmung durch eine Rückgewähr-Teilklage des Insolvenzverwalters

Leitsatz

1. Werden Sozialversicherungsbeiträge mehrere Monate verspätet abgeführt, kann daraus auf eine Zahlungseinstellung des Schuldners und einen Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden.

2. Auch nach neuem Verjährungsrecht hemmt die Erhebung einer Klage, mit der mehrere Ansprüche geltend gemacht werden, deren Summe die Klageforderung übersteigt, die Verjährung aller ausreichend bestimmten Teilansprüche.

Gesetze: § 133 Abs 1 InsO, § 146 Abs 1 InsO, § 195 Abs 1 BGB, § 204 Abs 1 Nr 1 BGB

Instanzenzug: Hanseatisches Az: 1 U 227/13vorgehend Az: 303 O 453/12

Tatbestand

1Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Antrag vom über das Vermögen der A.                   GmbH & Co. KG (nachfolgend: Schuldnerin) am eröffneten Insolvenzverfahren.

2Die Schuldnerin geriet seit November 2007 mit ihrer Verpflichtung zur monatlichen Abführung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen gegenüber der Beklagten in Rückstand. Ab Beginn des Jahres 2008 überwies sie die Beiträge mit einer zeitlichen Verspätung von zwei bis drei Monaten. Die Zahlungen, die wiederholt lediglich Teilbeiträge umfassten, wurden von bei verschiedenen Kreditinstituten unterhaltenen Konten der Schuldnerin vorgenommen. Die Beklagte sowie weitere Einzugsstellen, die D.      , die T.         und die A.          , leiteten wegen Zahlungsrückständen Vollstreckungsverfahren gegen die Schuldnerin ein. Außerdem wurden von der Schuldnerin weitere fällige Verbindlichkeiten - auch gegenüber der Finanzverwaltung - nicht bedient.

3Mit vorliegender Klage begehrt der Kläger unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung Erstattung der von der Schuldnerin vom 17. Januar bis durch 18 Einzelüberweisungen an die Beklagte erbrachten Zahlungen in Höhe von 79.147,38 €. Die Vordergerichte haben die Klage abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Gründe

4Die Revision hat Erfolg und führt zur weitgehenden Verurteilung der Beklagten.

I.

5Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Eine Kenntnis der Beklagten von dem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin könne nicht festgestellt werden. Die mindestens halbjährige Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen deute auf eine Zahlungseinstellung oder eine drohende Zahlungsunfähigkeit hin. Ein Rückstand von sechs Monaten habe hier bei keiner der angefochtenen Zahlungen vorgelegen, vielmehr habe sich die Schuldnerin überwiegend mit zwei, kurzfristig mit drei Monatsbeiträgen im Rückstand befunden. Zwar seien die Zahlungen über drei verschiedene Konten geleistet worden. Dennoch könne bei derartigen Rückständen noch von den Auswirkungen eines kurzfristigen Liquiditätsengpasses ausgegangen werden, der keine drohende Zahlungsunfähigkeit darstelle.

6Auch die Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen begründe keine Kenntnis der Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Zahlungen unter dem Druck der Zwangsvollstreckung müssten keine für den Gläubiger erkennbare Zahlungseinstellung indizieren. Zwangsmaßnahmen habe die Schuldnerin durch die Zahlungen abwenden können, was für eine ausreichende Liquidität spreche.

II.

7Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Klage findet in Höhe eines Betrages von 74.152,20 € ihre Grundlage in § 133 Abs. 1 InsO.

81. Die im Zeitraum des Jahres 2008 bewirkten Überweisungen stellen Rechtshandlungen der Schuldnerin dar. Auch soweit der Schuldner - wie hier - zur Abwendung einer ihm angedrohten, demnächst zu erwartenden Vollstreckung leistet, ist eine anfechtbare Rechtshandlung gegeben. Er ist dann noch in der Lage, über den angeforderten Betrag nach eigenem Belieben zu verfügen. Anstatt ihn an den Gläubiger zu zahlen, kann er ihn auch selbst verbrauchen, Dritten zuwenden oder Insolvenzantrag stellen und den Gläubiger davon in Kenntnis setzen (, WM 2010, 360 Rn. 10; vom - IX ZR 128/13, WM 2014, 44 Rn. 7). Infolge des Vermögensabflusses haben die Zahlungen eine objektive Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO bewirkt (, WM 2013, 1044 Rn. 15; vom - IX ZR 133/14, WM 2015, 623 Rn. 47). Die Anfechtungsfrist ist gewahrt.

92. Die Schuldnerin hat die Zahlungen mit dem Vorsatz, ihre Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen (§ 133 Abs. 1 Satz 1 InsO).

10a) Der Benachteiligungsvorsatz folgt daraus, dass die Schuldnerin die Zahlungen im Stadium der Zahlungsunfähigkeit erbracht hat.

11Der Benachteiligungsvorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 InsO) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge - sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils - erkannt und gebilligt hat. Ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz, weil er weiß, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen (, WM 2012, 85 Rn. 14 mwN; vom - IX ZR 3/12, WM 2013, 174 Rn. 15; vom - IX ZR 13/12, WM 2013, 180 Rn. 14). In diesen Fällen handelt der Schuldner ausnahmsweise nicht mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er aufgrund konkreter Umstände - etwa der sicheren Aussicht, demnächst Kredit zu erhalten oder Forderungen realisieren zu können - mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen kann (, WM 2013, 88 Rn. 7; vom , aaO; vom - IX ZR 93/11, WM 2014, 170 Rn. 9). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn - wie hier - eine kongruente Leistung angefochten wird ( aaO Rn. 15; vom - IX ZR 180/12, WM 2015, 591 Rn. 22).

12b) Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet ( aaO Rn. 18). So verhält es sich im Streitfall.

13aa) Eine Zahlungseinstellung kann aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden. Sind derartige Indizien vorhanden, bedarf es einer darüber hinaus gehenden Darlegung und Feststellung der genauen Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten oder einer Unterdeckung von mindestens zehn vom Hundert nicht (, WM 2013, 1993 Rn. 10 mwN; vom - IX ZR 203/12, WM 2015, 381 Rn. 16).

14bb) Bei der Schuldnerin haben sich mehrere eine Zahlungseinstellung begründende Beweisanzeichen verwirklicht.

15Die Schuldnerin hat die Forderung einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom , die mithin schon vor den angefochtenen Zahlungen fällig war, bis zur Verfahrenseröffnung nicht beglichen, was schon für sich genommen den Rückschluss auf eine Zahlungseinstellung gestattet (, WM 2011, 1429 Rn. 12, 15). Ein weiteres Indiz für eine Zahlungseinstellung manifestiert sich in der schleppenden Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge (, WM 2006, 2312 Rn. 24; vom , aaO Rn. 15), welche die Schuldnerin sowohl gegenüber der Beklagten als auch weiteren Einzugsstellen verspätet entrichtete. Die zwecks Durchsetzung dieser Forderungen von den Einzugsstellen gegen die Schuldnerin betriebenen Vollstreckungsverfahren, welche die Schuldnerin durch Zahlungen abzuwenden suchte (vgl. , WM 2008, 452 Rn. 32), legten zusätzlich die Schlussfolgerung einer Zahlungseinstellung nahe (vgl. , WM 2006, 1215 Rn. 14; Urteil vom , aaO Rn. 17; vom - IX ZR 203/12, WM 2015, 381 Rn. 23). Ein weiteres Indiz hat sich in der Nichtzahlung beziehungsweise der schleppenden Zahlung von Steuerforderungen verwirklicht (vgl. aaO Rn. 16; vom - IX ZR 3/12, WM 2013, 174 Rn. 36). Damit hat die Schuldnerin infolge der ständigen verspäteten Begleichung auch ihrer sonstigen Verbindlichkeiten einen Forderungsrückstand vor sich hergeschoben und ersichtlich am Rande des finanzwirtschaftlichen Abgrunds operiert (vgl. aaO; Urteil vom , aaO Rn. 23). Bei dieser Sachlage ist von einer der Schuldnerin bekannten Zahlungsunfähigkeit und damit einem Benachteiligungsvorsatz auszugehen.

163. Dieser Benachteiligungsvorsatz wurde entgegen der Würdigung des Berufungsgerichts von der Beklagten erkannt.

17a) Die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes wird gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Kennt der Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, so weiß er auch, dass Leistungen aus dessen Vermögen die Befriedigungsmöglichkeit anderer Gläubiger vereiteln oder zumindest erschweren und verzögern. Mithin ist der Anfechtungsgegner regelmäßig über den Benachteiligungsvorsatz im Bilde (, WM 2012, 85 Rn. 15; vom - IX ZR 235/12, WM 2013, 1044 Rn. 28 mwN). Der Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (, WM 2013, 180 Rn. 24 f).

18b) Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte die (mindestens drohende) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erkannt, weil ihr verschiedene auf eine Zahlungseinstellung hindeutende Beweisanzeichen offenbar wurden.

19aa) Schon eine dauerhaft schleppende Zahlungsweise, die sich hier spätestens seit Anfang des Jahres 2008 im Verhältnis zu der Beklagten ausgeprägt hat, kann Indizwirkung für eine Zahlungseinstellung haben (, WM 2013, 1993 Rn. 12). Eine Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes ist in der Regel anzunehmen, wenn - wie im Streitfall - die Verbindlichkeiten des Schuldners bei dem Anfechtungsgegner über einen längeren Zeitraum hinweg ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen werden und diesem den Umständen nach bewusst ist, dass es bei dem gewerblich tätigen Schuldner noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt (, WM 2015, 591 Rn. 29).

20bb) Besonderes Gewicht für den Nachweis einer Zahlungseinstellung kommt dem Beweisanzeichen der Nichtbegleichung von Sozialversicherungsbeiträgen zu, weil diese Forderungen in der Regel wegen der drohenden Strafbarkeit (§ 266a StGB) bis zuletzt entrichtet werden. Eine mehrmonatige - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht notwendig sechsmonatige - Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen ist geeignet, eine Zahlungseinstellung nahezulegen (, WM 2006, 1215 Rn. 14; vom - IX ZB 238/05, WM 2006, 1631 Rn. 6; Urteil vom - IX ZR 49/13, WM 2013, 2272 Rn. 13). Eine solche Gestaltung ist im Streitfall gegeben, weil die Schuldnerin die Sozialversicherungsbeiträge gegenüber der Beklagten ab Ende des Jahres 2007 und damit dem Beginn des hier einschlägigen Zahlungszeitraums fortlaufend mit einer Verzögerung von zwei bis drei Monaten entrichtete. Angesichts des sich über rund elf Monate erstreckenden Zahlungsverzuges entbehrt die Annahme eines lediglich vorübergehenden Liquiditätsengpasses einer tatsächlichen Grundlage (vgl. , WM 2012, 2251 Rn. 30; Urteil vom - IX ZR 3/12, WM 2013, 174 Rn. 44).

21cc) Neben dem Beitragsrückstand traten weitere auf eine Zahlungseinstellung deutende Indizien hinzu (vgl. , BGHZ 149, 178, 187). Seit Beginn des Jahres 2008 konnte die Beklagte Beitragszahlungen der Schuldnerin nur unter Anwendung von Vollstreckungsdruck erwirken, was die kritische Liquiditätslage der Schuldnerin unterstrich (vgl. aaO). Überdies leistete die Schuldnerin ab Anfang des Jahres 2008 wiederholt bloße Teilzahlungen über bei unterschiedlichen Kreditinstituten unterhaltenen Konten an die Beklagte. Diese Umstände ließen strategische Zahlungen der Schuldnerin, die sich zur Schonung ihrer schwindenden Liquidität auf Teilzahlungen über gerade eine hinreichende Deckung ausweisende Konten beschränkte, und mithin eine Zahlungseinstellung erkennen (vgl. aaO Rn. 34; vom - IX ZR 180/12, WM 2015, 591 Rn. 19). Diese Gegebenheiten trugen auch aus der Sicht der Beklagten zu dem Gesamtbild eines am Rande des finanzwirtschaftlichen Abgrunds operierenden Schuldners bei, dem es auf Dauer nicht gelingt, bestehende Liquiditätslücken zu schließen, sondern der nur noch darum bemüht ist, trotz fehlender Mittel den Anschein eines funktionstüchtigen Geschäftsbetriebs aufrechtzuerhalten (, WM 2015, 381 Rn. 23). Bereits diese Umstände begründen eine Kenntnis der Beklagten von dem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin, die der Beklagten im Stadium der mindestens drohenden Zahlungsunfähigkeit ersichtlich bevorzugt Zahlungen zukommen ließ.

22dd) Darüber hinaus hat die Beklagte im Rahmen der wegen Beitragsrückständen in Gang gesetzten Vollstreckungsverfahren ab August 2008 von der Zahlungseinstellung der Schuldnerin Kenntnis erlangt.

23(1) Bei der Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO sind der Beklagten Kenntnisse des Hauptzollamts, dessen sie sich bei der Vollstreckung ihrer Bescheide nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB X, § 4 Buchst. b VwVG, § 249 Abs. 1 Satz 3 AO, § 1 Nr. 4 FVG bedient hat, über von weiteren Einzugsstellen wegen Beitragsrückständen gegen die Schuldnerin betriebenen Vollstreckungsverfahren entsprechend § 166 Abs. 1 zuzurechnen (, WM 2013, 567 Rn. 4 ff). Aus dem hier gemäß § 5 Abs. 1 VwVG anzuwendenden § 252 AO folgt eine gesetzliche Fiktion, nach der Gläubiger des zu vollstreckenden Anspruchs die Vollstreckungsbehörde wird, die mit der Vollstreckung beauftragt ist. Dies gilt auch dann, wenn die Vollstreckungsbehörde Ansprüche anderer Körperschaften vollstreckt (BGH, aaO Rn. 5). Soweit es um die Vollstreckung geht, tritt die ersuchte Vollstreckungsbehörde nicht neutral gegenüber allen Beteiligten auf, sondern rückt in die Gläubigerstellung der Behörde ein, in deren Auftrag sie vollstreckt. Kenntnisse, die sie hinsichtlich einer eventuellen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners aufgrund dieser Stellung erlangt, sind gegebenenfalls für die ersuchende Behörde zu sammeln und an diese weiterzuleiten. Diese Aufgabe der ersuchten Vollstreckungsbehörde rechtfertigt es, die von ihr erlangten Kenntnisse der ersuchenden Behörde zuzurechnen. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, nach der jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation sicherstellen muss, dass die ihr zugehenden rechtserheblichen Informationen von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden können, und es deshalb so einrichten, dass ihre Repräsentanten, die dazu berufen sind, im Rechtsverkehr bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen, die erkennbar erheblichen Informationen tatsächlich an die entscheidenden Personen weiterleiten (BGH, aaO Rn. 6). Vor diesem Hintergrund hatte das Hauptzollamt die hinsichtlich der Finanzlage der Schuldnerin bei ihr eingehenden Informationen zusammenzuführen. Aufgrund der Vertreterstellung des Hauptzollamts war die Beklagte auch über die von der D.     , der T.      und der A.          gegen die Schuldnerin geführten Vollstreckungsverfahren, die eine Zahlungseinstellung der Schuldnerin offenbarten, unterrichtet.

24(2) Aus diesen Erwägungen folgt zugleich, dass die Beklagte nicht davon ausgehen durfte, im Wege der Zwangsvollstreckung und nicht auf der Grundlage von Rechtshandlungen des Schuldners befriedigt worden zu sein. Vielmehr ist ihr auch insoweit das Wissen des Hauptzollamts zuzurechnen, wonach der Schuldner zur Abwendung der Zwangsvollstreckung zahlte.

254. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auf die Einrede der Verjährung.

26a) Die Verjährung eines Anfechtungsanspruchs richtet sich gemäß § 146 Abs. 1 InsO nach den Regelungen über die regelmäßige Verjährung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Gemäß § 195 Abs. 1 BGB verjährt der Anfechtungsanspruch grundsätzlich nach drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Ende des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person der Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Da das Insolvenzverfahren am eröffnet und zugleich der Rückgewähranspruch fällig wurde (vgl. , BGHZ 171, 38 Rn. 20), kann die Verjährungsfrist frühestens zum angelaufen sein. Die Klage wurde jedoch bereits am unter Beifügung eines Kostenvorschusses bei Gericht eingereicht und der Beklagten demnächst (§ 167 ZPO) am zugestellt.

27b) Die mit einer Klageerhebung verbundene Hemmung der Verjährung scheitert nicht an einer unzureichenden Aufgliederung der verfolgten Einzelforderungen.

28aa) Liegt zunächst nur ein Antrag wegen verschiedener Teilansprüche vor, so ist der Bundesgerichtshof auf der Grundlage der bis zum Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom (BGBl. I S. 3138) maßgeblichen Rechtslage davon ausgegangen, dass die Verjährung für jeden hinreichend individualisierten Teilanspruch in Höhe der Gesamtsumme unterbrochen wurde (vgl. , NJW-RR 1988, 692, 693). Die nachträgliche Aufgliederung einer Teilklage, der mehrere nach Datum und Betrag bezeichnete Ansprüche zu Grunde lagen, wurde zugelassen (vgl. , NJW 2001, 305, 307). Voraussetzung für die fortdauernde Unterbrechung der Verjährung war lediglich, dass im Laufe des Rechtsstreits aufgeschlüsselt wurde, aus welchen Forderungen oder Teilbeträgen von Forderungen sich die geltend gemachte Klagesumme zusammensetzt (vgl. , NJW-RR 1996, 885, 886). Danach unterbrach eine Teilklage, mit der verschiedene Ansprüche geltend gemacht wurden, in Höhe des insgesamt eingeklagten Betrags auch dann die Verjährung eines jeden dieser Ansprüche, wenn diese zunächst ohne nähere Aufgliederung geltend gemacht worden waren (vgl. , NJW 2000, 3492, 3494).

29bb) An dieser Rechtsprechung ist auch nach den Veränderungen durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz festzuhalten, weil die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Eintritt der Verjährungshemmung durch Maßnahmen der Rechtsverfolgung gegenüber den bisherigen Voraussetzungen für den Eintritt der Verjährungsunterbrechung gleich geblieben sind (, NJW 2014, 3298 Rn. 19). Danach hemmt bereits die Erhebung einer Klage, mit der mehrere Ansprüche geltend gemacht werden, deren Summe den geltend gemachten Teil übersteigt, die Verjährung aller ausreichend bezeichneten Teilansprüche. Die Bestimmung, bis zu welcher Höhe und in welcher Reihenfolge die einzelnen Teilansprüche verfolgt werden, kann rückwirkend nachgeholt werden (BGH, aaO Rn. 16). Bei dieser Sachlage ist es unschädlich, dass der Kläger dem zunächst verfolgten Antrag auf Zahlung von 79.221,78 € eine Aufstellung nach Einzelbeträgen und weiteren Merkmalen individualisierter Forderungen über 80.647,38 € unterlegt hat. Er war auch unter Aspekten der Verjährungshemmung nicht gehindert, den eingeklagten Betrag später durch Staffelung der betroffenen Einzelforderungen auf exakt 79.147,38 € zu ermäßigen.

III.

39Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da es keiner weiteren Feststellungen bedarf, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der Klage kann nur in Höhe von 74.152,20 € stattgegeben werden, weil der Kläger für die behauptete Zahlung vom über 4.995,18 €, deren Erhalt die Beklagte bestritten hat, keinen Beweis angetreten hat. Darum vermindert sich der Verurteilungsbetrag auf 74.152,20 €.

Kayser                      Gehrlein                          Pape

                Grupp                         Möhring

Fundstelle(n):
BB 2015 S. 1537 Nr. 26
DB 2015 S. 1463 Nr. 25
DB 2015 S. 8 Nr. 25
GmbH-StB 2015 S. 257 Nr. 9
GmbHR 2015 S. 803 Nr. 15
NJW 2015 S. 2113 Nr. 29
NJW 2015 S. 8 Nr. 26
NWB-Eilnachricht Nr. 27/2015 S. 1977
PStR 2015 S. 212 Nr. 9
StuB-Bilanzreport Nr. 14/2015 S. 560
WM 2015 S. 1202 Nr. 25
ZIP 2015 S. 1234 Nr. 25
ZIP 2015 S. 47 Nr. 24
OAAAE-92379