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Zuwendungen und Ausgleichszahlungen für Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr

Zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Zuwendungen und Ausgleichszahlungen im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) gilt Folgendes:

I. Allgemeines

Aufgabenträger des ÖPNV sind

  • die Region Hannover für den gesamten ÖPNV in ihrem Gebiet,

  • der Zweckverband Großraum Braunschweig für den gesamten ÖPNV in seinem Verbandsbereich,

  • das Land Niedersachsen für den Schienenpersonennahverkehr und

  • die Landkreise und kreisfreien Städte für den übrigen ÖPNV in ihrem jeweiligen Gebiet

(§ 4 Niedersächsisches Nahverkehrsgesetz vom – NNVG –).

Mehrere Aufgabenträger können sich zu einem Zweckverband zusammenschließen. Der Zweckverband hat den Charakter einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die folgenden Ausführungen gelten für die gesetzlichen Aufgabenträger und für die Zweckverbände.

Zur Sicherstellung eines ausreichenden Verkehrsangebots können die Aufgabenträger den Verkehrsunternehmern (VU) die ÖPNV-Leistungen entweder hoheitlich auferlegen oder bei ihnen durch öffentlichen Dienstleistungsauftrag vertraglich bestellen (EU-Verordnung 1370/2007). In beiden Fällen haben die Aufgabenträger an die VU Ausgleichszahlungen zu leisten, wenn die Fahrgeldeinnahmen zur Kostendeckung nicht ausreichen.

Zahlungen der Aufgabenträger oder anderer Einrichtungen an VU sind entweder Entgelte für Leistungen des VU an den Zuschussgeber, preisauffüllende Entgelte von Dritten oder echte nichtsteuerbare Zuschüsse. Zur Abgrenzung weise ich auf Abschn. 10.2 UStAE hin.

II. Zahlungen der Aufgabenträger für Verkehrsleistungen

Zahlungen der Aufgabenträger für Verkehrsleistungen unterliegen nur dann der Umsatzsteuer, wenn sie Entgelt für eine konkret vereinbarte Einzelleistung sind und damit ein Leistungsaustausch vorliegt. Fahrplanmäßig festgelegte Verkehrsangebote, die eine ausreichende Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im ÖPNV gewährleisten, sind nicht als Gegenstand einer konkreten Bestellung einzelner Nahverkehrsleistungen anzusehen. Mangels Leistungsaustausch sind Zahlungen für den vorstehenden Zweck kein Entgelt.

Die Zahlungen können preisauffüllende Entgelte von dritter Seite sein, die gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG bei den VU zusätzlich zu den Fahrgeldeinnahmen der Umsatzsteuer unterliegen oder echte, nicht steuerbare Zuschüsse.

Zusätzliches Entgelt sind solche Zahlungen, die von einem anderen als dem Leistungsempfänger für die Leistung des leistenden Unternehmers (Zahlungsempfängers) gewährt werden. Zahlungen für den Unternehmer (zu dessen Subventionierung) sind dagegen keine preisauffüllenden Entgelte. Die Abgrenzung zwischen echtem Zuschuss und zusätzlichem Entgelt eines Dritten wird gemäß Abschn. 10.2 Abs. 4 Satz 2 UStAE nach der Person des Bedachten und dem Förderungsziel vorgenommen (vgl. , BStBl 1990 II, 708). Nach bundeseinheitlicher Verwaltungspraxis ist hierbei auf die Bemessung der Zuschüsse abzustellen. Ist eine Preisauffüllung beabsichtigt (Preis-Preis-Vergleich), ist von steuerpflichtigen Entgelten von dritter Seite auszugehen (Abschn. 10.2 Abs. 5 UStAE). Sollen die Zuschüsse nicht gedeckte Kosten oder Verluste ausgleichen (Preis-Kosten-Vergleich), liegen echte, nicht steuerbare Zuschüsse vor. Das gilt auch für Zahlungen der Aufgabenträger (direkt oder über eine für die Verteilung zuständige Einrichtung) im Rahmen von Verkehrsverbünden.

Beispiel 1:

Im Interesse einer ausreichenden Verkehrsbedienung der Bevölkerung hält die Kommune die Verlängerung einer bestehenden oder die Einrichtung einer zusätzlichen Omnibuslinie für erforderlich. Der VU, auf den die Betriebsführungspflicht übertragen worden ist, ist jedoch zur Erweiterung seiner Verkehrsbedienung nur bereit, wenn er hierfür von der Kommune einen vertraglich abgesicherten finanziellen Ausgleich in Höhe der durch die Fahrgeldeinnahmen nicht gedeckten Kosten erhält.

Ein gesonderter Leistungsaustausch zwischen dem VU und der Kommune liegt nicht vor, die Zahlungen sind kein Entgelt.

Durch die Zahlungen sollen die nicht durch Fahrgeldeinnahmen gedeckten Kosten des VU (Preis-Kosten-Vergleich) ersetzt werden. Es handelt sich um Zuwendungen für den VU und nicht um Zahlungen für die (Beförderungs-)Leistungen. Preisauffüllende Entgelte von dritter Seite sind nicht anzunehmen. Dass die Zahlungen dem Leistungsempfänger (Fahrgast) insoweit zugute kommen, als er nur einen unter Berücksichtigung des Zuschusses niedriger kalkulierten Preis aufzubringen hat, vermag hieran nichts zu ändern. Der (BStBl 1986 II, 723) hierin lediglich eine vom Zuschussgeber gesehene, aber rechtlich unbeachtliche Folge des mit dem Zuschuss verfolgten Zwecks.

Die Zahlungen haben den Zweck, eine ausreichende Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im ÖPNV zu gewährleisten und sind echte nicht umsatzsteuerbare Zuschüsse.

Beispiel 2

Ein Landkreis fördert aus Umweltschutzgründen die Akzeptanz des ÖPNV in seinem Bereich durch Zuschüsse. Die VU gewähren ihren Fahrgästen einen Rabatt von 25 v. H. auf die jeweiligen Haustarife. Der Landkreis zahlt Zuschüsse an die VU in Höhe der gewährten Rabatte.

Ein gesonderter Leistungsaustausch zwischen den VU und dem Landkreis liegt nicht vor. Die Zuschüsse des Landkreises stellen jedoch steuerpflichtige Entgelte von dritter Seite (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG) zu den Fahrgeldeinnahmen dar. Durch die Zuschüsse werden die rabattierten Fahrgeldeinnahmen i. S. eines Preis-Preis-Vergleichs aufgefüllt. Die Zuschüsse unterliegen wie die Fahrgeldeinnahmen unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG dem ermäßigten Steuersatz.

Liegt nach den vorstehenden Grundsätzen ein echter nicht umsatzsteuerbarer Zuschuss des Aufgabenträgers zur Förderung oder Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung der Bevölkerung vor und wird durch den Zuschuss des Aufgabenträgers zugleich die verkehrsmäßige Anschließung eigener oder fremder Einrichtungen (z. B. Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten) verbessert, so überlagert der im allgemeinen öffentlichen Interesse liegende Zuschusszweck ein eventuelles Eigeninteresse des Aufgabenträgers. Ein Leistungsaustausch ist deshalb nicht anzunehmen.

Ein steuerpflichtiger Leistungsaustausch zwischen dem Aufgabenträger und dem VU liegt ausnahmsweise dann vor, wenn der Zuschuss nicht die allgemeine Verkehrsbedienung der Bevölkerung fördern soll, sondern mit speziellen Interessen des Aufgabenträgers zusammenhängt.

Beispiel 3

Eine Kommune gewährt einem VU einen Zuschuss für die Verlängerung einer Omnibuslinie zu einem außerhalb gelegenen kommunalen Heizkraftwerk, um den dort Beschäftigten die Fahrt zur Arbeitsstätte mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu ermöglichen. Für die zusätzliche Strecke besteht im Übrigen kein Bedarf zur allgemeinen Verkehrsbedienung; sie ist nicht im Nahverkehrsplan gemäß § 6 NNVG enthalten.

Der Zuschuss stellt beim VU Entgelt für eine besondere Leistung an die Kommune dar. Diese Leistung unterliegt dem allgemeinen Steuersatz, weil sie keine unter § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG fallende Beförderungsleistung ist.

III. Zahlungen der Aufgabenträger für andere Leistungen

Übernimmt eine privatrechtliche Gesellschaft dem Aufgabenträger obliegende Aufgaben des ÖPNV, die keine Verkehrsleistungen sind, wie z. B. Verwaltungstätigkeiten oder Erstellung der Nahverkehrspläne, erfolgt dies kraft eines vertraglichen Geschäftsbesorgungsverhältnisses. Aufwendungsersatz, den die privatrechtliche Gesellschaft für die Durchführung der Aufgabe erhält, unterliegt als Leistungsentgelt der Umsatzsteuer (Abschn. 2.11 Abs. 3 UStAE).

Zuwendungen der Aufgabenträger über die privatrechtliche Gesellschaft mit der Zweckbindung, fahrplanmäßig festgelegte Verkehrsangebote zur Bedienung der Allgemeinheit im ÖPNV zu finanzieren, sind nach den in II. dargestellten Grundsätzen echte, nicht umsatzsteuerbare Zuschüsse.

IV. Zahlungen anderer Einrichtungen

Leisten nicht Aufgabenträger, sondern andere Einrichtungen (z. B. Privatschulen, private Krankenhäuser) Zahlungen an VU, handelt es sich entsprechend den o. a. Grundsätzen nur dann um echte, nicht steuerbare Zuschüsse außerhalb eines Leistungsaustausches, wenn die Zahlungen dazu bestimmt sind, eine ausreichende Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im ÖPNV zu gewährleisten.

Im Allgemeinen ist jedoch davon auszugehen, dass private Zuschussgeber nicht in erster Linie die allgemeine Verkehrsbedienung der Bevölkerung fördern können und wollen, sondern vorwiegend eigene Interessen verfolgen. Daher liegt regelmäßig ein Leistungsaustausch zwischen den VU und dem privaten Zuschussgeber vor. Das gilt unabhängig davon, wie die Zuwendungen an den VU bezeichnet oder errechnet werden. Auch eine reine Verlustabdeckung stellt ein steuerpflichtiges Leistungsentgelt dar.

Wird durch den im speziellen Eigeninteresse gewährten Zuschuss der privaten Einrichtung gleichzeitig eine Verbesserung der allgemeinen Verkehrsbedienung erreicht, ist für die umsatzsteuerliche Beurteilung gleichwohl der im Vordergrund stehende im eigenen Interesse liegende Zuschusszweck maßgebend.

Beispiel 4

Eine Privatschule vereinbart mit einem VU – außerhalb der Trägerschaft des ÖPNV – die Verlängerung einer Omnibuslinie bis zu ihrer Schule am Stadtrand. Die neu eingerichtete Linie wird auch von der Allgemeinheit im Rahmen der Freizeitgestaltung mitbenutzt. Da die tarifmäßigen Fahrgeldeinnahmen die zusätzlichen Kosten nicht decken, übernimmt die Privatschule den Fehlbetrag.

Es liegt ein mit dem Regelsteuersatz zu besteuernder Leistungsaustausch zwischen dem VU und der Schule vor.

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Fundstelle(n):
UR 2015 S. 487 Nr. 12
GAAAE-88774