BFH Beschluss v. - IV S 17/14

Bemessung des Streitwerts; Rechtsschutzbedürfnis für die Streitwertfestsetzung durch das Revisionsgericht

Gesetze: GKG § 63 Abs. 3, GKG § 66, GKG § 52 Abs. 1, FGO § 128 Abs. 4

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Mit Beschluss vom IV S 14/13 hat der erkennende Senat den Antrag der Klägerin, Revisionsklägerin, Anschlussrevisionsbeklagten und Antragstellerin (Klägerin) auf Festsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren IV R 53/10 auf . € mangels eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses der Klägerin abgelehnt, weil die für die Streitwertfestsetzung maßgeblichen Rechtsgrundsätze durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt seien. Der Senat hat diese Grundsätze sodann im Einzelnen dargestellt und ausgeführt, die Höhe des Streitwerts lasse sich aus diesen und dem Antrag der Klägerin eindeutig ermitteln.

2 Durch Beschluss vom 8 K 8044/04 B hat das Finanzgericht (FG) den Streitwert sodann auf . € (. € für die Anfechtung/Aufhebung der Gewinnfeststellungsbescheide und . € für diejenige der Einheitswertbescheide) festgesetzt. Dabei ermittelte es die Bedeutung der Sache bezogen auf die Anfechtung/Aufhebung der Gewinnfeststellungsbescheide durch Ansatz eines typisierten Prozentsatzes in Höhe von 25 % auf die jeweiligen Gewinnanteile, wodurch die ebenfalls begehrte Bewertung des seinerzeitigen Hilfsantrags entfalle. Die Bedeutung der Sache bezogen auf die Anfechtung/Aufhebung der Einheitswertbescheide bestimmte das FG durch Ansatz eines pauschalen Prozentsatzes in Höhe von 1 % auf die Einheitswerte.

3 Nach weiterem Vortrag der Beteiligten änderte das seinen Streitwertbeschluss dahingehend, dass der Streitwert nunmehr auf . € festgesetzt wurde. Die Bedeutung der Sache bezogen auf den von der Klägerin gestellten Hauptantrag (Anfechtung/Aufhebung der Gewinnfeststellungsbescheide) sei richtigerweise durch Ansatz eines typisierten Prozentsatzes in Höhe von 1 % auf die jeweiligen Gewinnanteile zu ermitteln. Die Aufhebung der Gewinnfeststellungsbescheide habe für die Klägerin zu keiner körperschaftsteuerlichen Auswirkung geführt, denn der bislang festgestellte Anteil werde trotz Aufhebung der entsprechenden Bescheide bei der Körperschaftsteuerfestsetzung weiter berücksichtigt. Dem stehe auch der Senatsbeschluss vom IV S 14/13 nicht entgegen, denn dort sei auf den (BFH/NV 1986, 481) Bezug genommen, der von einem Streitwert in Höhe von 1 % des streitigen Betrags ausgehe. Der Streitwert betrage also . €. Zusätzlich sei aber auch noch ein Streitwert hinsichtlich des seinerzeit gestellten Hilfsantrags zu berücksichtigen, weil der Hauptantrag nur die steuerliche Anerkennung der stillen Gesellschaft, der Hilfsantrag dagegen die Höhe des Gewinnanteils selber betroffen habe. Der entsprechende Streitwert sei aus den anzusetzenden Gewinnminderungen in Höhe von . DM unter Anwendung eines pauschalen Steuersatzes in Höhe von 37,5 % abzuleiten und betrage . €. Die Streitwerte für den Haupt- und den Hilfsantrag seien zusammenzurechnen und um den —zwischen den Beteiligten unstreitigen— Streitwert für die Anfechtung/Aufhebung der Einheitswertbescheide zu erhöhen.

4 Dagegen wehrt sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie den Streitwert für das gesamte Verfahren auf . € festgesetzt wissen will. Die Streitwertfestsetzung des FG könne nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) geändert werden, denn das Verfahren wegen der Entscheidung über den Streitwert schwebe noch in der Rechtsmittelinstanz und die Änderung sei auch innerhalb einer angemessenen Frist beantragt worden. Wegen der Höhe des Streitwerts im Revisionsverfahren sei der erkennende Senat in seinem Beschluss vom IV S 14/13 davon ausgegangen, dass die Bedeutung der Sache bezogen auf die Anfechtung/Aufhebung der Gewinnfeststellungsbescheide durch Ansatz eines typisierten Prozentsatzes in Höhe von 37,5 % zu bemessen sei. Der Senat habe sich die einschlägigen Ausführungen im (Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1488) zu eigen gemacht. Dort würden nur die körperschaftsteuerlichen, nicht aber die gewerbesteuerlichen Auswirkungen berücksichtigt. Da das FG im Streitfall sowohl über den Haupt- als auch den Hilfsantrag entschieden habe, seien die entsprechenden Streitwerte zusammenzurechnen. Es ergebe sich bezogen auf die Feststellungsbescheide und den Hauptantrag —unter Berücksichtigung eines pauschalen Satzes von 37,5 %— ein Streitwert in Höhe von . €. Für den Hilfsantrag betrage der Streitwert —wie vom FG berechnet— . € und für die Einheitswerte . €. (.)

5 Die Klägerin beantragt, den Streitwert des Revisionsverfahrens auf . € festzusetzen und den dahingehend zu ändern, dass der Streitwert für die erste Instanz ebenfalls . € beträgt.

6 Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Anschlussrevisionskläger (das Finanzamt —FA—) beantragt, den Antrag auf Änderung des betreffend die Streitwertfestsetzung für die erste Instanz zurückzuweisen, hilfsweise den Streitwert für das Revisionsverfahren auf . € und den Streitwert für die erste Instanz auf . € festzusetzen.

7 Für den Antrag auf Streitwertfestsetzung im Revisionsverfahren fehle weiterhin das Rechtsschutzinteresse. Der BFH habe die bei der Streitwertberechnung zu berücksichtigenden Grundsätze in seinem Beschluss vom IV S 14/13 dargelegt und das FG sei auch von ihnen ausgegangen. Dieses habe nur die einkommensteuerlichen Auswirkungen in den Blick genommen und die gewerbesteuerlichen Auswirkungen —auch unter Berücksichtigung der BFH-Rechtsprechung— zu Recht unberücksichtigt gelassen. Der Hilfsantrag sei in die Bemessung des Streitwerts des Revisionsverfahrens schon deshalb nicht einzubeziehen, weil der BFH über ihn nicht entschieden habe und ansonsten eine Doppelberücksichtigung drohe. Die begehrte Änderung der Streitwertfestsetzung für die erste Instanz sei unzulässig, denn beim BFH schwebe kein entsprechendes Verfahren, weil der angefochtene Beschluss des FG unanfechtbar sei.

8 II. Der von der Klägerin gestellte Antrag auf Änderung der Streitwertfestsetzung für die erste Instanz ist unzulässig und war daher abzulehnen.

9 Nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG kann der BFH als Rechtsmittelinstanz zwar die Streitwertfestsetzung der ersten Instanz ändern, wenn das Verfahren wegen der Entscheidung über den Streitwert in der Rechtsmittelinstanz schwebt. Das ist aber bezogen auf die vom FG vorgenommene Streitwertfestsetzung nicht der Fall, weil der angefochtene Beschluss nach § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar und im finanzgerichtlichen Verfahren das Rechtsmittel der Beschwerde in Streitigkeiten über die Streitwertfestsetzung durch das FG gesetzlich nicht vorgesehen ist (vgl. , BFH/NV 2012, 1798). Anders als die Klägerin meint, schwebt das Verfahren auch nicht deshalb vor der Rechtsmittelinstanz, weil dort zugleich ein Antrag auf Streitwertfestsetzung für das Revisionsverfahren gestellt worden ist.

III.

10 Der Antrag auf Festsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren ist statthaft (dazu 1.) und führt zur Festsetzung eines Streitwerts in Höhe von . € (dazu 2.).

11 1. Nach § 63 Abs. 2 Satz 2 GKG setzt in der Finanzgerichtsbarkeit das Prozessgericht den Wert des Streitgegenstandes durch Beschluss fest, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen erachtet. Bereits in seinem Beschluss vom IV S 14/13 hat der Senat dazu darauf hingewiesen, dass für den Antrag ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis bestehen muss (vgl. BFH-Beschlüsse vom VIII R 346/83, BFHE 152, 5, BStBl II 1988, 287; vom IV S 17/12, BFH/NV 2013, 248). Dieses fehlt zwar in der Regel, wenn sich die Höhe des Streitwerts aus den Anträgen der Beteiligten und der bisherigen Rechtsprechung des BFH zur Bemessung des Streitwerts in gleichartigen Fällen eindeutig ermitteln lässt (, BFHE 235, 122, BStBl II 2012, 246). Legt aber ein Beteiligter —wie im Streitfall die Klägerin— substantiiert dar, das FG habe die bestehende BFH-Rechtsprechung bei der Streitwertfestsetzung für das erstinstanzliche Verfahren fehlerhaft angewandt und es stehe zu befürchten, dass der zuständige Kostenbeamte des FG die Rechtsauffassung des FG auch für die Festsetzung des Streitwerts für die Revisionsinstanz anwenden werde, so ist das Rechtsschutzbedürfnis des Beteiligten für eine Streitwertfestsetzung durch das Revisionsgericht jedenfalls zu bejahen, wenn die BFH-Rechtsprechung —wie sich aus den Ausführungen unter 2. ergibt— tatsächlich fehlerhaft angewandt wurde.

12 2. Der Streitwert für das Revisionsverfahren ist im Gefolge der Ausführungen des Senats in seinem Beschluss vom IV S 14/13 —insoweit wie vom FG im ursprünglichen Streitwertbeschluss vom vorgenommen— auf . € festzusetzen.

13 a) In seinem Beschluss vom IV S 14/13 hat der Senat dargelegt, dass in Fällen, in denen die Aufhebung eines Gewinnfeststellungsbescheids beantragt wird, grundsätzlich der gesamte Gewinn Gegenstand des Rechtsstreits ist. Bei der Klage nur eines Gesellschafters gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid ist der Streitwert dabei von dem (anteiligen) Betrag zu berechnen, um den der Gewinnanteil des klagenden Gesellschafters zu vermindern wäre (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2006, 315, m.w.N.). Gleiches gilt hinsichtlich der Bescheide über die Einheitswerte des Betriebsvermögens. Im Verfahren der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen bemisst sich dabei der Streitwert nach der typisierten einkommensteuerlichen oder körperschaftsteuerlichen Bedeutung für den Kläger. Die Bedeutung ist dabei grundsätzlich mit 25 % des streitigen Gewinns oder Verlusts zu bemessen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2013, 248, m.w.N.). Nur ausnahmsweise kommt der Ansatz eines höheren oder niedrigeren Prozentsatzes dann in Betracht, wenn ohne besondere Ermittlungen im Gewinnfeststellungsverfahren erkennbar ist, dass der Pauschalsatz von 25 % den tatsächlichen steuerlichen Auswirkungen nicht gerecht wird (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 315, m.w.N.). In diesem Zusammenhang ist bereits geklärt, dass bei einem Rechtsstreit, der wegen Nichtbestehens einer Mitunternehmerschaft die ersatzlose Aufhebung des Gewinnfeststellungsbescheids zum Gegenstand hat, der Ansatz eines niedrigeren Prozentsatzes (z.B. 1 %) nicht zur Anwendung kommt (BFH-Beschlüsse vom IV B 22/71, BFHE 116, 530, BStBl II 1976, 22; vom VIII E 2/11, BFH/NV 2012, 444). Das gilt auch dann, wenn der Bescheid in Gänze aufgehoben wird, weil eine atypisch stille Gesellschaft nicht besteht.

14 b) Wendet man die vorgenannten Grundsätze auf die Festsetzung des Streitwerts für die Anfechtung/Aufhebung der Gewinnfeststellungsbescheide an, so ergibt sich, dass hier ein pauschalierter Satz in Höhe von 25 % zur Anwendung kommen muss, weil kein Fall vorliegt, in dem ausnahmsweise ein höherer oder niedrigerer Prozentsatz anzusetzen wäre.

15 aa) Soweit das FA vorträgt, es sei deshalb nur ein pauschaler Satz von 1 % anzuwenden, weil die gewerbesteuerlichen Auswirkungen unberücksichtigt zu lassen seien, ist dem nicht zu folgen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind die gewerbesteuerlichen Auswirkungen zwar nur zu berücksichtigen, soweit sie sich unmittelbar auf die festgestellten Einkünfte auswirken. Der Wert des Streitgegenstandes wird aber durch die Minderung der Gewerbesteuerrückstellung beeinflusst, die sich bei einem für den Steuerpflichtigen positiven Ausgang des Rechtsstreits als Folge einer Gewinnminderung ergibt (, BFHE 130, 484, BStBl II 1980, 591). Der Erfolg der Revision der Klägerin führt aber —worauf die Klägerin auch zu Recht hingewiesen hat— zu einer Minderung der Gewerbesteuerrückstellung.

16 bb) Anders als die Klägerin meint, ist allerdings im Streitfall kein höherer pauschaler Satz als 25 % anzuwenden. In der Rechtsprechung ist zwar nach den Ausführungen im Senatsbeschluss vom IV S 14/13 geklärt, dass ausnahmsweise der Ansatz eines höheren Prozentsatzes in Betracht zu ziehen ist, wenn es erkennbar zu einer höheren einkommensteuerlichen Auswirkung kommt (vgl. z.B. , BFH/NV 2012, 1153, m.w.N.). Gleiches gilt, wenn es sich —wie im vorliegenden Fall— bei der Klägerin um eine Körperschaft im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) handelt; dann ist der anzuwendende Satz nach den körperschaftsteuerlichen Auswirkungen zu bemessen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1986, 481). Bei der typisiert erfolgenden Ermittlung der körperschaftsteuerlichen Auswirkungen darf aber bereits nicht unberücksichtigt bleiben, dass unter dem im Streitfall anzuwendenden Anrechnungsverfahren nicht nur der Thesaurierungssteuersatz in Höhe von 45 % (§ 23 Abs. 1 KStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung —KStG a.F.—) und der Ausschüttungssteuersatz in Höhe von 30 % (§ 27 Abs. 1 KStG a.F.) zur Anwendung kommen konnte, sondern auch die Möglichkeit bestand, dass Beträge für die Ausschüttung verwendet wurden, die § 30 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 KStG a.F. unterfielen und nicht mit Körperschaftsteuer zu belasten waren. In Fällen, in denen sich —wie im Streitfall— die steuerlichen Auswirkungen auf die Höhe der Einkünfte nur auf die Änderung der Gewerbesteuerrückstellung beziehen, ist zudem kein Fall gegeben, in welchem der Pauschalsatz von 25 % den tatsächlichen steuerlichen Auswirkungen nicht gerecht würde. Entsprechend besteht auch kein Bedürfnis, einen höheren pauschalierten Satz anzuwenden.

17 cc) Der von der Klägerin gestellte Hilfsantrag ist deshalb nicht mit einem eigenen Streitwert zu bemessen, weil er denselben Streitgegenstand betraf. Während nämlich der Hauptantrag auf den Wegfall des streitigen Gewinnanteils gerichtet war, zielte der Hilfsantrag (nur) auf die Minderung des Gewinns. Beide Anträge sind danach materiell-rechtlich auf die Reduzierung der entsprechenden Einkünfte gerichtet, so dass der Hilfsantrag im Hauptantrag enthalten ist.

18 c) Da zwischen den Beteiligten kein Streit über die Höhe des Streitwerts für die Anfechtung/Aufhebung der Einheitswertbescheide besteht, sieht der Senat dazu von weiteren Ausführungen ab.

IV.

19 1. Gerichtsgebühren für die Streitwertfestsetzung fallen nicht an, da es an einem entsprechenden Gebührentatbestand im GKG fehlt.

20 2. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG, § 128 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
DAAAE-87991