BAG Urteil v. - 4 AZR 761/12

Ablösung verbandstariflicher Regelungen

Leitsatz

Die Ablösung tariflicher Regelungen durch einen anderen Tarifvertrag setzt voraus, dass die aufeinanderfolgenden Tarifvereinbarungen von denselben Tarifvertragsparteien geschlossen werden. Schließt ein an einen Verbandstarifvertrag kraft Mitgliedschaft gebundener Arbeitgeber mit der Gewerkschaft, die diesen Tarifvertrag vereinbart hat, einen Haustarifvertrag, findet auch hinsichtlich übereinstimmender Regelungsbereiche keine Ablösung statt, sondern es kann lediglich eine Tarifkonkurrenz eintreten.

Gesetze: § 164 Abs 1 BGB, § 256 Abs 1 ZPO, § 265 ZPO, § 325 Abs 1 ZPO, § 1 TVG, § 3 Abs 1 TVG

Instanzenzug: Az: 4 Ca 991/11 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 12 Sa 497/12 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten noch über die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags auf das zwischen ihnen bis zum bestandene Arbeitsverhältnis.

2Der Kläger ist seit dem bei der Beklagten - der Condor Berlin GmbH -, einem Luftfahrtunternehmen, als Flugzeugführer beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag heißt es ua.:

3Die Beklagte ist Mitglied in der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e.V. (AVH). Der Kläger trat am in die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit e.V. (VC) ein.

4Die AVH und die VC schlossen bereits am den „Manteltarifvertrag Nr. 1 für das Cockpitpersonal der Condor und Condor Berlin (gültig ab )“ (MTV Nr. 1) sowie am den „Tarifvertrag Übergangsversorgung Cockpit“ (TV Übergangsversorgung).

5Der TV Übergangsversorgung bestimmt zum Geltungsbereich in § 1:

6§ 1 Abs. 1 MTV Nr. 1 sieht zum Geltungsbereich vor:

7Im Hinblick auf eine geplante Übernahme der Beklagten und der Condor Flugdienst GmbH (CFG) durch die Air Berlin PLC (airberlin) und Thomas Cook fanden Tarifverhandlungen zwischen der VC einerseits und ua. der Beklagten, der CFG, der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG, der LTU Lufttransport-Unternehmen GmbH (LTU) sowie der dba Luftfahrtgesellschaft mbH (dba) andererseits statt. Diese führten am zu einer „Gemeinsamen Vereinbarung“, die ua. von der Beklagten und der VC unterzeichnet wurden.

8In einem „Sideletter zur gemeinsamen Vereinbarung vom betreffend Condor/Condor Berlin“ (Sideletter) vom gleichen Tag heißt es ua.:

9Airberlin und Thomas Cook zogen zu einem späteren Zeitpunkt ihren Antrag auf Zustimmung zum Zusammenschluss von airberlin und der Beklagten sowie der CFG beim Kartellamt zurück. Nachfolgend schlossen die Beklagte und die CFG sowie die VC am einen Tarifvertrag (TV Gemeinsame Vereinbarung), der mit dem Sideletter bis auf den nachstehenden Inhalt übereinstimmte:

10Der in der Fußnote genannte Manteltarifvertrag Airberlin Nr. 1a (MTV-AB Nr. 1a) regelt zum Geltungsbereich in § 1:

11Die AVH, die CFG sowie die Beklagte erzielten mit der VC am ein „Verhandlungsergebnis Tarifrunde 2009/2010“, das ua. folgenden Inhalt hat:

12Unter dem gleichen Datum schlossen die AVH und die VC den mit dem Verhandlungsergebnis übereinstimmenden „Manteltarifvertrag Nr. 2 für das Cockpitpersonal der Condor und Condor Berlin (gültig ab )“ (MTV Nr. 2), der ua. regelt:

13Mit seiner Klage hat der Kläger ua. die Feststellung begehrt, dass der TV Übergangsversorgung nach wie vor für das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis maßgebend sei. Dies ergebe sich sowohl kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme als auch aufgrund unmittelbarer Tarifgebundenheit der Arbeitsvertragsparteien. Weder der Sideletter noch der TV Gemeinsame Vereinbarung habe den Tarifvertrag abgelöst.

14Der Kläger hat zuletzt beantragt

15Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, aufgrund des Sideletter und des TV Gemeinsame Vereinbarung sei der TV Übergangsversorgung abgelöst worden. Zudem werde der Kläger nicht mehr von deren Geltungsbereich erfasst, da der MTV Nr. 1 nicht für ihn gelte.

16Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Im Verlauf des Revisionsverfahrens ist das Arbeitsverhältnis des Klägers am auf die Condor Flugdienst GmbH übergegangen. Den weiteren Antrag auf Feststellung, dass der „Tarifvertrag Lufthansa-Betriebsrente für das Cockpitpersonal gültig ab “ (TV Betriebsrente) Anwendung findet, haben die Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Tarifvertragsparteien zum TV Betriebsrente im August 2013 ein Verhandlungsergebnis erzielt und nachfolgend einen neuen Tarifvertrag geschlossen haben, von dessen personellen Geltungsbereich auch der Kläger erfasst wird.

Gründe

17Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den zulässigen Feststellungsantrag, über den der Senat aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien allein noch zu entscheiden hatte, zu Recht stattgegeben. Es kann dahingestellt bleiben, ob der TV Übergangsversorgung ab dem kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG für das Arbeitsverhältnis der Parteien galt. Denn dieser Tarifvertrag fand jedenfalls aufgrund der vertraglichen Bezugnahme in Nr. 2 des Arbeitsvertrags ab dem Anwendung.

18I. Der Feststellungsantrag, dessen gebotene (dazu  - Rn. 13 mwN) und vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigte Auslegung ergibt, dass er die Anwendbarkeit des TV Übergangsversorgung seit Beginn des Arbeitsverhältnisses am auf das zwischen den Parteien bis zum bestehende Arbeitsverhältnis festgestellt wissen will, ist zulässig. Insbesondere besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

191. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn die klagende Partei ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Das besondere Feststellungsinteresse ist eine in jedem Stadium des Rechtsstreits von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung. Es muss auch noch in der Revisionsinstanz gegeben sein (vgl. nur  - Rn. 15 mwN). Wird ein Antrag auf die Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses gerichtet, besteht ein Feststellungsinteresse nur dann, wenn sich aus der Entscheidung noch Rechtsfolgen für die Zukunft ergeben (vgl. nur  - aaO).

202. Nach diesen Maßstäben ist das erforderliche Feststellungsinteresse gegeben.

21a) Durch die Entscheidung kann die zwischen den Parteien streitige Frage geklärt werden, ob der TV Übergangsversorgung auf das zwischen ihnen ehemals bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund vertraglicher Bezugnahme Anwendung fand und dem Kläger im Falle einer tarifvertraglichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund dauernder Flugdienstuntauglichkeit Leistungen nach diesem Tarifvertrag beanspruchen kann. Für die Feststellung dieser Verpflichtung kann der Kläger nicht darauf verwiesen werden, erst den Eintritt des Leistungsfalls abzuwarten (st. Rspr., etwa für Versorgungsanwartschaften  - zu A III 2 der Gründe, BAGE 79, 236).

22b) Das Feststellungsinteresse ist entgegen der Auffassung der Revision auch nicht allein deshalb entfallen, weil das Arbeitsverhältnis nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien im Verlauf des Revisionsverfahrens zum nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die CFG übergegangen ist (zur Berücksichtigung des Vorbringens in der Revisionsinstanz s. nur  - Rn. 28 f. mwN).

23Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist von einer Rechtskrafterstreckung der Entscheidung in entsprechender Anwendung von §§ 265325 Abs. 1 ZPO auf den Betriebserwerber auszugehen. Die bindende Feststellung eines Rechtsverhältnisses zwischen dem Arbeitnehmer und dem Betriebsveräußerer wirkt gegenüber dem Betriebserwerber, wenn der Betriebsübergang nach Rechtshängigkeit erfolgt ist ( - Rn. 21 mwN). Die Rechte und Pflichten aus dem im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnis, in das der Betriebserwerber nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB eintritt, werden dann auch ihm gegenüber bindend festgestellt.

24II. Die Klage ist begründet. Der TV Übergangsversorgung ist kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme in Nr. 2 des Arbeitsvertrags Inhalt des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses gewesen. Eine Ablösung des TV Übergangsversorgung ist nicht erfolgt. Das ergibt die Auslegung der vereinbarten tariflichen Regelungen (zu den Maßstäben etwa  - Rn. 26 mwN, BAGE 129, 238).

251. Nach der unter Nr. 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrags vereinbarten Bezugnahmeregelung sind auf das Arbeitsverhältnis des Klägers die für die Beklagten „geltenden Tarifverträge“ anzuwenden. Zu diesen bei Vertragsschluss geltenden Tarifverträgen gehörte der am geschlossene TV Übergangsversorgung.

26a) Die Beklagte war aufgrund ihrer Mitgliedschaft im tarifschließenden Verband an den von der AVH und der VC „für das Cockpitpersonal der … Condor Berlin GmbH (CiB)“ geschlossenen TV Übergangsversorgung nach § 3 Abs. 1 TVG gebunden.

27b) Der TV Übergangsversorgung wurde entgegen der Auffassung der Beklagten weder aufgrund des Sideletter, bei dem es sich aufgrund der getroffenen Regelungen um einen Tarifvertrag handelt (zu den Maßstäben etwa  - Rn. 16 mwN, BAGE 124, 110), noch durch den TV Gemeinsame Vereinbarung abgelöst.

28aa) Die wirksame Ablösung eines Tarifvertrags durch eine Neuregelung setzt voraus, dass die aufeinanderfolgenden Tarifregelungen von denselben Tarifvertragsparteien vereinbart werden ( - Rn. 20). Schließt daher ein Arbeitgeber, der kraft Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband an die von diesem geschlossenen Verbandstarifverträge gebunden ist, mit der Gewerkschaft, die diesen Tarifvertrag abgeschlossen hat, einen Haustarifvertrag ab, führt dies, auch wenn übereinstimmende Regelungsbereiche gegeben sind, nicht zu einer Ablösung der verbandstariflichen Bestimmungen, sondern es kann (lediglich) zu einer Tarifkonkurrenz führen.

29Danach ist im Entscheidungsfall eine Ablösung des TV Übergangsversorgung schon deshalb nicht eingetreten, weil sowohl der Sideletter als auch der TV Gemeinsame Vereinbarung auf Arbeitgeberseite von der AVH geschlossen wurde. Vertragsparteien auf Arbeitgeberseite sind nach dem Vertragstext - lediglich - die Beklagte und die CFG.

30bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten trifft dies auch für den TV Gemeinsame Vereinbarung zu. Allein aus dem in der Unterschriftenzeile enthaltenen Zusatz „(AVH)“ vor den Worten „Condor Flugdienst GmbH/Condor Berlin GmbH“ kann nicht gefolgert werden, dieser Tarifvertrag sei als verbandsbezogener Haustarifvertrag von den beiden Gesellschaften sowohl in Vollmacht als auch im Namen der AVH geschlossen worden.

31(1) Eine wirksame Vertretung nach § 164 Abs. 1 BGB, die für den Abschluss von Tarifverträgen ebenso gilt, setzt voraus, dass der Vertreter - neben der Bevollmächtigung zur Abgabe der Willenserklärung - erkennbar im Namen des Vertretenen gehandelt hat. Anhand der Vertragsurkunde muss hinreichend erkennbar sein, wer im Einzelnen den Tarifvertrag für wen abgeschlossen hat (st. Rspr., s. nur  - Rn. 28 f. mwN). Allein der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien einvernehmlich davon ausgehen, eine der Vertragsparteien habe zugleich in Vertretung für eine andere Person gehandelt, reicht nicht aus, wenn dies im Tarifvertragstext keinen hinreichend deutlichen Niederschlag gefunden hat und daher objektiv nicht erkennbar ist ( - Rn. 16 mwN, BAGE 132, 268).

32(2) Ausgehend von diesen Maßstäben fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten in der Vertragsurkunde, der TV Gemeinsame Vereinbarung sollte zugleich für die AVH, vertreten durch die Beklagte, geschlossen werden. Die AVH ist bereits nicht als - weitere - Vertragspartei aufgeführt. Auch ist anhand der Unterschriftenzeile für den einzelnen Tarifgebundenen nicht mit der hinreichenden Deutlichkeit erkennbar, die Beklagte wolle als Mitglied der AVH nicht nur für sich, sondern zugleich im Namen der AVH handeln.

33c) Die arbeitsvertragliche Bezugnahme des TV Übergangsversorgung entfällt selbst dann nicht, wenn man davon ausgehen wollte, der Sideletter und der TV Gemeinsame Vereinbarung könnten die verbandstariflichen Regelungen, an die die Beklagte gebunden ist, infolge einer Tarifkonkurrenz nach dem Spezialitätsprinzip verdrängen (vgl. dazu etwa  - Rn. 31, BAGE 125, 314; - 4 AZR 237/00 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 97, 263), und dies wirke sich zugleich auf die Anwendbarkeit der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifbestimmungen aus. Denn es bestand mangels Überschneidung der tariflichen Regelungsbereiche bereits keine Tarifkonkurrenz zwischen den von der Beklagten selbst vereinbarten Tarifbestimmungen und der AVH geschlossenen TV Übergangsversorgung, die einer Auflösung bedurft hätte.

34aa) Soweit nach Nr. 2 Sideletter und Nr. 2 TV Gemeinsame Vereinbarung „die gemeinsame Vereinbarung airberlin, dba und LTU vom entsprechende Geltung auch für die Condor/Condor Berlin“ entfalten und „das bestehende Tarifwerk der Condor/Condor Berlin für alle ab dem eingestellten Piloten“ ablösen soll, ist diese Vereinbarung aufgrund der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) nicht in Kraft getreten. Da der entsprechende Antrag zurückgenommen wurde, liegt keine Zustimmung des Kartellamts zum erwähnten Zusammenschluss vor. Von daher musste der Senat nicht darüber befinden, ob eine tarifrechtliche Verdrängung des TV Übergangsversorgung überhaupt in Betracht gekommen wäre.

35bb) Eine von dem durch die AVH vereinbarten TV Übergangsversorgung abweichende tarifliche Regelung durch einen von der Beklagten selbst geschlossenen Tarifvertrag, die in Anwendung des Spezialitätsprinzips zu dessen Verdrängung führen könnte, besteht nicht. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus der „vorläufigen, entsprechenden Anwendung des VTV Nr. 1a und des MTV Nr. 1a der airberlin-Gruppe“ für ab dem „neueingestellte Mitarbeiter“ nach der Fußnote zu Nr. 3 des TV Gemeinsame Vereinbarung und Nr. 3 Abs. 1 Sideletter.

36(1) Eine Tarifkonkurrenz wäre nur dann möglich, wenn sich aus den von der Beklagten geschlossenen Tarifverträgen ergeben würde, eine tarifliche Übergangsversorgung solle für ab dem eingestellte Arbeitnehmer nicht mehr bestehen.

37(2) Entgegen der Auffassung der Beklagten kann nach dem eindeutigen Regelungsbereich der beiden Tarifregelungen, die ausschließlich die Geltung des „VTV Nr. 1a und des MTV Nr. 1a der airberlin-Gruppe“ betreffen, nicht davon ausgegangen werden, auch das sonstige bei der Beklagten bestehende Tarifwerk und der TV Übergangsversorgung sollten nicht mehr zur Anwendung kommen und „nur noch“ die „VTV- und MTV-Konditionen … entsprechend Anwendung“ finden (Nr. 3 Abs. 1 Sideletter/TV Gemeinsame Vereinbarung). Das zeigt die Systematik der beiden Tarifvereinbarungen. Lediglich für den Fall einer Zustimmung des Kartellamts für den geplanten Zusammenschluss sollte das „bestehende Tarifwerk“ der Beklagten „abgelöst“ werden.

38(3) Ein von der Beklagten für ihre Auffassung angeführter etwaiger Wille der Tarifvertragsparteien, es sollten lediglich die bei airberlin zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Tarifverträge - Mantel- und ein Vergütungstarifvertrag - für neu eingestellte Mitarbeiter gelten, hat in den von der Beklagten geschlossenen Tarifverträgen Sideletter und TV Gemeinsame Vereinbarung keinen Niederschlag gefunden (zu diesem Erfordernis  - Rn. 40; - 4 AZR 670/06 - Rn. 32 mwN, BAGE 124, 110). Gleiches trifft auf ihr weiteres Vorbringen zu, es habe kein Anlass bestanden, neu eingestellte Mitarbeiter unter den Geltungsbereich insbesondere des TV Übergangsversorgung zu fassen. Entgegen der Revision spricht für eine solche Auslegung des Sideletter und des TV Gemeinsame Vereinbarung auch nicht die Regelung in Nr. 1 Sideletter, nach der „Condor zukünftig eine eigene Tarifkommission haben wird“. Schlussfolgerungen für bereits bestehende Tarifverträge und deren Geltung ergeben sich hieraus nicht. Ebenso können Nr. 3 Abs. 2 Sideletter/TV Gemeinsame Vereinbarung keine Anhaltspunkte entnommen werden, die die Auffassung der Beklagten stützen, die weiteren bei der Beklagten bestehenden Tarifverträge sollten „abgelöst“ werden. Die Verhandlungen, die „in dem Fall einer Nichterteilung der Kartellamtszustimmung … durchgeführt werden“ sollen, beziehen sich lediglich auf die „Regelungen des vorstehenden Satzes“, also den Mantel- und den Vergütungstarifvertrag der airberlin, nicht aber auf weitere bei der Beklagten und nach ihrer Auffassung „vormals“ bestehende Tarifverträge.

392. Der Kläger wird auch vom in § 1 Buchst. b TV Übergangsversorgung geregelten personellen Geltungsbereich erfasst.

40a) Der TV Übergangsversorgung gilt „für die Mitarbeiter des Cockpitpersonals, die unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrags für das Cockpitpersonal … der CiB in seiner jeweils gültigen Fassung fallen“. Der Kläger gehört als Flugzeugführer zum Cockpitpersonal der Beklagten iSd. jeweiligen § 1 MTV Nr. 1 und den diesen ablösenden MTV Nr. 2, der ebenfalls von der AVH und der VC geschlossen wurde. An den MTV Nr. 1 war die Beklagte kraft Mitgliedschaft im tarifschließenden Verband ununterbrochen gebunden, bis er durch den MTV Nr. 2 - der gleichfalls nach § 3 Abs. 1 TVG für sie gilt - zum abgelöst wurde.

41b) Entgegen der Auffassung der Beklagten scheidet eine Bezugnahme des TV Übergangsvorsorgung nicht deshalb aus, weil der MTV Nr. 1 nach dem Inhalt der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeregelung - die in Nr. 2 Abs. 2 bis zum Inkrafttreten des MTV Nr. 2 ua. die Anwendung des MTV-AB Nr. 1a vorsah - nicht auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis anwendbar war.

42aa) § 1 Buchst. b TV Übergangsversorgung beschreibt durch die Formulierung „für die Mitarbeiter des Cockpitpersonals, die unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrags für das Cockpitpersonal der CFG und der CiB in seiner jeweils gültigen Fassung fallen“ lediglich dessen personellen Anwendungsbereich und inkorporiert damit den bei seinem Inkrafttreten im Jahr 2005 in § 1 Abs. 1 bis 4 MTV Nr. 1 näher geregelten personellen Geltungsbereich des Manteltarifvertrags, an den die Beklagte bis zur Ablösung durch den MTV Nr. 2 auch gebunden war. Das sind vorliegend die „tätigen Mitarbeiter des Cockpitpersonals der … Condor Berlin GmbH (CIB)“, also der Beklagten, iSd. § 1 Abs. 1 MTV Nr. 1. Eine weitere Voraussetzung, nach der die Bestimmungen des Manteltarifvertrags für das betreffende Arbeitsverhältnis kraft Tarifgebundenheit tatsächlich gelten oder im Falle einer Bezugnahme anwendbar sein müssten, kann dem TV Übergangsversorgung nicht entnommen werden.

43bb) Darüber hinaus würde der Kläger auch vom Geltungsbereich des bei der Beklagten bis zum gleichfalls geltenden MTV-AB Nr. 1a erfasst werden, der aufgrund seiner „entsprechenden Anwendung“ nach Nr. 3 Abs. 1 Sideletter/TV Gemeinsame Vereinbarung statt „für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (nachfolgend zusammenfassend ‚Arbeitnehmer‘) des Cockpitpersonals der Air Berlin“ für die Arbeitnehmer der Beklagten gilt.

443. Schließlich ergibt sich auch aus der von der Beklagten in der Revisionsinstanz vorgelegten Gemeinsamen Vereinbarung vom kein anderes Ergebnis. Es kann dahinstehen, ob es sich um ein neues Vorbringen handelt, das in der Revisionsinstanz nach § 559 Abs. 1 ZPO grundsätzlich unzulässig ist. Soweit darin die „Vereinigung Cockpit und Condor“ festgelegt haben, über tarifliche Bedingungen der Mitarbeiter, „die neu … eingestellt werden, Verhandlungen zu führen“ und weiterhin „die neu abzuschließenden Tarifverträge … für diese Mitarbeiter die bisherigen Tarifverträge“ ersetzen sollen, ist schon nicht erkennbar, dass diese Vereinbarung auch von der AVH getroffen wurde oder die VC einerseits sowie die Beklagte und die CFG andererseits durch die AVH zum Abschluss von solchen Tarifverträgen bevollmächtigt waren, um die bestehenden Verbandstarifverträge ablösen zu können. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten hiervon ausginge, hätten weder der Sideletter noch der TV Gemeinsame Vereinbarung aus den vorstehenden Gründen (unter II 1 c, 2) zu einer Ablösung des TV Übergangsversorgung geführt.

45III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO. Im Hinblick auf den von den Parteien in der Hauptsache für übereinstimmend erledigt erklärten Feststellungsantrag zur Anwendbarkeit des TV Betriebsrente waren die Kosten, über die gleichfalls im Urteil zu entscheiden war ( - Rn. 34 mwN), nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nach billigem Ermessen der Beklagten aufzuerlegen. Die vorstehenden Gründe zur Anwendbarkeit des TV Übergangsversorgung (unter II 2) wären für die TV Betriebsrente entsprechend heranzuziehen gewesen.

Fundstelle(n):
DB 2015 S. 7 Nr. 15
NJW 2015 S. 8 Nr. 17
DAAAE-87913