Bayerisches Landesamt für Steuern - S 0127.1.1-8/10 St42

Örtliche Zuständigkeit im Zusammenhang mit der gesonderten Gewinnfeststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2b AO


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Inhaltsverzeichnis

1.
Allgemeines
1
2.
Wohnsitzwechsel unter gleichzeitiger Veräußerung oder Betriebsaufgabe bzw. Wohnsitzwechsel nach Veräußerung oder Betriebsaufgabe
2
3.
Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe ohne Wohnsitzverlegung
3
4.
Trennung von Wohnsitz und Geschäftsleitung
3
5.
Zusammenlegung von Wohnsitz und Geschäftsleitung
4

1. Allgemeines

Gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2b AO sind die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder einer freiberuflichen Tätigkeit gesondert festzustellen, wenn nach den Verhältnissen zum Schluss des Gewinnermittlungszeitraums das für die gesonderte Feststellung zuständige Finanzamt nicht auch für die Steuern vom Einkommen zuständig ist.

Dieser Zeitpunkt bestimmt endgültig darüber, ob eine gesonderte Feststellung durchzuführen ist oder nicht; spätere Änderungen dieser Verhältnisse sind unbeachtlich Dabei ist die Entscheidung für jedes Jahr erneut zu treffen. Bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr oder einem Rumpfwirtschaftsjahr sind die Verhältnisse zum Schluss dieses Zeitraums maßgebend.

Durch das ZollkodexAnpG wurde durch den neu eingefügten § 180 Abs. 1 Satz 2 AO die Frage der Zuständigkeit für die Durchführung der Feststellung für alle Feststellungszeiträume, die nach dem beginnen (Art. 97 § 10b Satz 2 EGAO), neu geregelt:

Ändern sich danach nach Schluss des Gewinnermittlungszeitraums die für die Zuständigkeit maßgeblichen Verhältnisse, ist für die Durchführung der Feststellung das Finanzamt zuständig, das sich aus der Anwendung der § 18 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 in Verbindung mit § 26 AO ergibt. Die Frage, ob eine Feststellung durchzuführen ist, bestimmt sich auch für Feststellungszeiträume, die nach dem beginnen weiterhin nach den Verhältnissen zum Schluss des Gewinnermittlungszeitraums Jedoch wird in vielen Fällen ein Fall von geringer Bedeutung vorliegen (§ 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2. vgl. nachfolgende Tz 3).

Bei der Anwendung der Regelung des § 180 Abs. 1 Nr. 2b AO sind u. a. folgende Fallgestaltungen denkbar:

2. Wohnsitzwechsel unter gleichzeitiger Veräußerung oder Betriebsaufgabe bzw. Wohnsitzwechsel nach Veräußerung oder Betriebsaufgabe

Beispiel 1:

Der Steuerpflichtige verlegt im Laufe des Jahres 03 seinen Wohnsitz vom bisherigen Bezirk des FA A in den Bezirk des FA B und gibt zum gleichen Zeitpunkt seinen ebenfalls im Bezirk des FA A gelegenen Betrieb auf.

Beispiel 2:

Wie Beispiel 1, jedoch wird der Wohnsitz erst einen Monat nach der Betriebsaufgabe in den Bereich des FA B verlegt.

Verfahrensrechtliche Behandlung:

In beiden Fällen ist für das Jahr 03 keine gesonderte Feststellung vorzunehmen, weil der Wohnsitz und der Ort der Geschäftsleitung bzw. der Tätigkeitsort am Ende des Gewinnermittlungszeitraums (Rumpfwirtschaftsjahr) in den Zuständigkeitsbereich desselben Finanzamts (FA A) fallen:).

Die Personensteuerakten (ohne Bilanzakten) sind jeweils unverzüglich an das neue Wohnsitzfinanzamt abzugeben (ebenso bei Tz. 3, Beispiel 1 und Tz. 4 Beispiel 2). Für Betriebssteuern bleibt in Fallvariante 1 und 2 grundsätzlich das Betriebsfinanzamt zuständig, auch hinsichtlich der Erhebung und etwaigen Vollstreckung (vgl. hierzu sowie zur Frage der Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 AO Nr. 3 AEAO zu § 26 AO).

Es ermittelt im Wege der Amtshilfe für Zwecke der Einkommensteuer die Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb für die Zeit bis zur Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe (einschließlich eines etwaigen Veräußerungs- oder Aufgabegewinns). Dazu übersendet das neue Wohnsitzfinanzamt ggf. die vom Steuerpflichtigen eingereichten Gewinnermittlungsunterlagen an das bisherige Betriebsfinanzamt. Das Betriebsfinanzamt teilt die Höhe der gewerblichen Einkünfte dem neuen Wohnsitzfinanzamt formlos mit.

Soweit erforderlich, sind auch die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Vorjahre im Wege der Amtshilfe zu ermitteln.

Da eine gesonderte Feststellung der aus dem veräußerten oder aufgegebenen Betrieb erzielten Einkünfte nach § 180 Abs. 1 Nr. 2b AO nicht zulässig ist, obliegt die Entscheidung, in welcher Höhe die Einkünfte bei der Veranlagung anzusetzen sind – unbeschadet der vom Betriebsfinanzamt zu leistenden Amtshilfe – dem neuen Wohnsitzfinanzamt. Das Betriebsfinanzamt hat deshalb ggf. dem Wohnsitzfinanzamt die Ermittlung eines von der Einkommensteuererklärung des Steuerpflichtigen abweichenden Gewinns/Verlustes zu erläutern. Das Wohnsitzfinanzamt entscheidet selbständig, ob es diese Einkünfte in den Einkommensteuerbescheid übernehmen will oder nicht; ggf. kann es noch eigene Ermittlungen vornehmen.

Zur Behandlung der Fälle, in denen am neuen Wohnort zeitnah ein neuer Betrieb gegründet wird, vgl. Karte 5 zu § 26 AO.

3. Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe ohne Wohnsitzverlegung

Beispiel:

Der Wohnsitz befindet sich im Bezirk des FA A, der Betrieb im Bezirk des FA B. Der Betrieb wird im Laufe des Jahres 03 aufgegeben.

Verfahrensrechtliche Behandlung:

Das FA B hat nicht nur für die Veranlagungszeiträume 01 und 02, sondern auch für den Veranlagungszeitraum 03 eine gesonderte Feststellung nach §180 Abs. 1 Nr. 2b AO durchzuführen, da nach den Verhältnissen zum Schluss des Gewinnermittlungszeitraums (Rumpfwirtschaftsjahr) der Wohnsitz und der Ort der Geschäftsleitung bzw. der Tätigkeitsort in dem Zuständigkeitsbereich verschiedener Finanzämter liegen.

Für die Betriebssteuern der Veranlagungszeiträume 01 bis 03 ist das FA B ebenfalls zuständig.

4. Trennung von Wohnsitz und Geschäftsleitung

Beispiel 1 (Wohnsitzverlegung):

Der Steuerpflichtige verlegt seinen Wohnsitz im Laufe des Jahres 03 in den Bezirk des FA B und behält seine gewerbliche Tätigkeit im Bezirk des bisherigen Wohnsitzfinanzamts (FA A) unverändert bei.

Verfahrensrechtliche Behandlung:

Das FA A hat für den Feststellungszeitraum 03 und für die folgenden Feststellungszeiträume gesonderte Feststellungen gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2b AO durchzuführen, weil nach den Verhältnissen zum Schluss dieser Gewinnermittlungszeiträume der Wohnsitz und der Ort der Geschäftsleitung bzw. der Tätigkeitsort in den Zuständigkeitsbereich verschiedener Finanzämter fallen.

Für die Jahre 01 und 02 teilt es dem Wohnsitzfinanzamt (FA B) den Gewinn im Wege der Amtshilfe formlos mit, soweit die Veranlagungen noch nicht durchgeführt worden sind (vgl. hierzu Tz. 1).

Für die Betriebssteuern ergeben sich aus der Wohnsitzverlegung keine Änderungen.

Beispiel 2 (Betriebsverlegung):

Der Steuerpflichtige verlegt im Laufe des Jahres 03 die Geschäftsleitung seines Betriebes vom bisherigen einheitlichen Wohn- und Betriebssitz im Bezirk des FA A in den Bezirk des FA B.

Verfahrensrechtliche Behandlung:

Das FA B hat für den Feststellungszeitraum 03 und die folgenden Feststellungszeiträume die Einkünfte nach § 180 Abs. 1 Nr. 2b AO festzustellen. Es wird mit Verlegung der Geschäftsleitung auch für die Betriebssteuern zuständig.

Soweit noch ausstehende Betriebssteuerveranlagungen für die Jahre vor 03 innerhalb kurzer Zeit ohne Schwierigkeit durchgeführt werden können, kann nach § 26 Satz 2 AO verfahren werden, so dass dadurch die Durchführung des Besteuerungsverfahrens für die Veranlagungszeiträume vor 03 in der Hand des FA A verbleiben kann. In diesen Fällen kann die Vereinbarung nach § 26 Satz 2 AO auch auf ggf. sich anschließende Rechtsbehelfsverfahren ausgedehnt werden.

5. Zusammenlegung von Wohnsitz und Geschäftsleitung

Ergibt sich nach den gesetzlichen Zuständigkeitsregelungen für Feststellungszeiträume, die vor oder nach dem beginnen, dass das Feststellungs- und das Wohnsitz-Finanzamt identisch sind, liegt regelmäßig ein Fall von geringer Bedeutung vor (vgl. die neu gefasste Nr. 4 des AEAO zu § 180), so dass gem. § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO auf die Durchführung des Feststellungsverfahrens verzichtet werden kann.

Beispiel 1 (Betriebsverlegung):

Die Geschäftsleitung im Bezirk des FA A wird im Laufe des Jahres 03 zum Wohnsitz im Bezirk des FA B verlegt.

  • Feststellungszeiträume, die vor dem beginnen

    Das FA A hat für die Feststellungszeiträume 01 und 02 gesonderte Feststellungen gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2b AO durchzuführen. Für die Betriebssteuern ist zwar für alle noch offenen Veranlagungen das FA B zuständig.

    Aus Praktikabilitätsgründen sollen jedoch die Betriebssteuerveranlagungen 01 und 02 (noch) vom FA A durchgeführt werden, wenn diese innerhalb kurzer Zeit ohne Schwierigkeiten möglich sind (§ 26 Satz 2 AO). Zur Zuständigkeit bei einem ggf. sich anschließenden Rechtsbehelfsverfahren vgl. Tz. 3, Beispiel 2.

  • Feststellungzeiträume, die nach dem beginnen

    Das FA B wird wegen § 180 Abs. 1 Satz 2 AO für die Durchführung der Feststellungen für die Feststellungszeiträume 01 und 02 zuständig. Wegen der parallelen Zuständigkeit für die Ertragsbesteuerung, kann regelmäßig auf die Durchführung des Feststellungsverfahrens gem. § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO verzichtet werden.

    Für die Betriebssteuem ist für alle noch offenen Veranlagungen ebenfalls das FA B zuständig.

Beispiel 2 (Wohnsitzverfegung):

Der Wohnsitz, bisher im Bezirk des FA A, wird im Laufe des Jahres 03 am Ort der Geschäftsleitung im Bezirk des FA B begründet.

Nach Nr. 4 des AEAO zu § 180 AO ist bei dieser Konstellation für die Jahre 01 und 02 regelmäßig ein Fall von geringer Bedeutung nach § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO anzunehmen, denn das Finanzamt B ist auch für die Einkommensteuerveranlagung zuständig geworden.

Hinweis:

Die bisherige Karte 7 zu § 26 AO (Kontroll-Nr: 1/2014) ist auszureihen.

Bayerisches Landesamt für Steuern v. - S 0127.1.1-8/10 St42

Fundstelle(n):
DB 2015 S. 835 Nr. 15
SAAAE-87720