BGH Beschluss v. - 1 StR 142/14

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen 69 Fällen der Beihilfe zur Steuerhinterziehung schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten K. deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, den Angeklagten D. zu einer solchen von drei Jahren und den Angeklagten S. zu einer solchen von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der gegen die Angeklagten K. und S. verhängten Gesamtfreiheitsstrafen hat das Landgericht zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat es gegen die Angeklagten den Verfall von Wertersatz angeordnet, gegen den Angeklagten K. in Höhe von 60.000 Euro, gegen den Angeklagten D. in Höhe von 30.000 Euro und gegen den Angeklagten S. in Höhe von 7.500 Euro.

2Die Angeklagten wenden sich gegen ihre Verurteilung mit auf die Beanstandung der Verletzung materiellen und (ohne dies näher auszuführen) formellen Rechts gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben lediglich zum Strafausspruch und zum Ausspruch über den Verfall von Wertersatz mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

3 I.

Zu den Schuldsprüchen sind die Revisionen der Angeklagten aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts genannten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Nachprüfung des Urteils auf die Revisionsrechtfertigungen der Angeklagten hat insoweit keinen sie beschwerenden Rechtsfehler ergeben.

4 II.

Die Strafaussprüche haben insgesamt keinen Bestand.

5 1.

In den Fällen 1 bis 24 der Urteilsgründe hat das Landgericht bei allen drei Angeklagten besonders schwere Fälle der Beihilfe zur Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 Satz 1 AO, § 27 Abs. 1 StGB) angenommen, weil die Angeklagten jeweils das Regelbeispiel eines besonders schweren Falls der Tatbegehung als Mitglied einer Bande (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO) erfüllt haben und zum Teil auch noch das Regelbeispiel einer Steuerverkürzung in großem Ausmaß (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO) verwirklicht ist.

6Bereits die Strafrahmenwahl in diesen Fällen hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Ausführungen des Landgerichts lassen nicht erkennen, dass dem Landgericht die Notwendigkeit einer eigenen Gesamtwürdigung der jeweiligen Beihilfehandlung als solcher bewusst war. Entscheidend ist nicht, dass sich die Tat des Haupttäters, zu der Beihilfe geleistet wird, als besonders schwerer Fall erweist; zu prüfen ist vielmehr, ob das Gewicht der Beihilfehandlung selbst die Annahme eines besonders schweren Falles rechtfertigt (vgl. , wistra 2001, 105). Dies gilt nicht nur in Fällen unbenannter besonders schwerer Fälle, sondern auch dann, wenn im Wege einer Gesamtwürdigung zu klären ist, ob die Indizwirkung eines oder mehrerer Regelbeispiele für besonders schwere Fälle widerlegt ist. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft auch nicht bedacht, dass das Vorliegen des vertypten Milderungsgrundes Beihilfe Anlass sein kann, einen besonders schweren Fall zu verneinen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Einzelstrafen auf diesen Rechtsfehlern beruhen.

7 2.

Der Senat hebt die Einzelstrafen insgesamt auf, weil nicht auszuschließen ist, dass die in den Fällen 1 bis 24 der Urteilsgründe verhängten Strafen (darunter die Einsatzstrafen) die übrigen Einzelstrafen beeinflusst haben. Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafen nach sich.

8 III.

Auch die Aussprüche über den Verfall von Wertersatz haben keinen Bestand. Das Landgericht hat nach der Feststellung des von den Angeklagten aus den Taten Erlangten den Verfallsbetrag gemäß § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB bei dem Angeklagten K. auf 60.000 Euro, bei dem Angeklagten D. auf 30.000 Euro und bei dem Angeklagten S. auf 7.500 Euro beschränkt, weil eine Verfallsanordnung in voller Höhe der erlangten Beträge eine unbillige Härte darstellen würde (UA S. 47). Dabei hat es die Härtefallregelung des § 73c StGB nicht ausschließbar zum Nachteil der Angeklagten rechtsfehlerhaft angewendet.

9a)

Die Annahme einer "unbilligen Härte" im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB setzt nach ständiger Rechtsprechung eine Situation voraus, nach der die Anordnung des Verfalls das Übermaßverbot verletzen würde, also schlechthin "ungerecht" wäre. Die Auswirkungen müssen im konkreten Einzelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen; es müssen besondere Umstände vorliegen, auf Grund derer mit der Vollstreckung des Verfalls eine außerhalb des Verfallszwecks liegende zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Betroffenen auch unter Berücksichtigung des Zwecks des Verfalls nicht zugemutet werden kann (, wistra 2009, 23).

10b)

Die Aussprüche über den Verfall von Wertersatz können hier schon deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht die gebotene Prüfungsreihenfolge nicht beachtet hat. Dies kann die Angeklagten beschweren.

11Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich aus dem systematischen Verhältnis zwischen der bei "unbilliger Härte" zwingend zum Ausschluss der Verfallsanordnung führenden Regelung in § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB einerseits und der Ermessensvorschrift in § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB andererseits, dass regelmäßig zunächst auf der Grundlage letztgenannter Vorschrift zu prüfen ist, ob von einer Anordnung des Verfalls oder Verfalls von Wertersatz abgesehen werden kann. Denn gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB kann eine Verfallsanordnung unterbleiben, soweit das Erlangte oder dessen Wert zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung im Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden sind. Es ist deshalb zunächst festzustellen, was der jeweilige Angeklagte für die Tat oder aus ihr erlangt hat, sodann ist diesem Betrag der Wert seines noch vorhandenen Vermögens gegenüberzustellen. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.

12Das Landgericht hat zunächst die Beträge festgestellt, welche die Angeklagten im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB für die von ihnen begangenen Taten erhalten haben. Es hat sodann den Verfall von Wertersatz (§ 73a StGB) jeweils auf einen niedrigeren Betrag beschränkt. Als Begründung hierfür hat es lediglich angeführt, dass in Anbetracht der wirtschaftlichen Verhältnisse der Angeklagten und des Umstands, dass sie mit einer Inanspruchnahme für die Steuerschulden der Firma Sy. aus § 71 AO zu rechnen haben, eine Verfallsanordnung in voller Höhe der erlangten Beträge eine unbillige Härte darstellen würde.

13Ohne nähere Ausführungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen kann der Senat jedoch nicht prüfen, ob das Erlangte jeweils noch im Vermögen der Angeklagten vorhanden war und ob sogar ein gänzliches Absehen von einer Verfallsanordnung gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB in Betracht kam.

14c)

Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da sie von den Rechtsfehlern, die zur Teilaufhebung des Urteils geführt haben, nicht betroffen sind. Das neue Tatgericht wird jedenfalls zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Angeklagten ergänzende, mit den bisherigen nicht im Widerspruch stehende weitere Feststellungen zu treffen haben.

15 IV.

Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat zur Möglichkeit der Verhängung kurzer (Einzel-)Freiheitsstrafen:

16Im Rahmen der Anwendung des § 47 Abs. 1 StGB dürfen auch generalpräventive Erwägungen vorgenommen werden. Nach dieser Vorschrift ist es ausreichend, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe entweder zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlichmachen. Damit genügt es, dass die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe aus generalpräventiven Gründen unerlässlich ist (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 47 Rn. 7, 10).

Fundstelle(n):
AO-StB 2016 S. 13 Nr. 1
AO-StB 2016 S. 13 Nr. 1
BFH/NV 2015 S. 941 Nr. 6
HFR 2015 S. 803 Nr. 8
PStR 2015 S. 111 Nr. 5
StBW 2015 S. 373 Nr. 10
wistra 2015 S. 235 Nr. 6
BAAAE-87474