BGH Urteil v. - IX ZR 300/13

Insolvenzanfechtung der von einem Dritten geleisteten Kaufpreiszahlungen aus einem Grundstückskaufvertrag:  Berücksichtigung des insolvenzrechtlichen Rückgewähranspruchs bei der Fälligkeit der wieder aufgelebten Kaufpreisforderung

Leitsatz

Ein Grundstücksverkäufer, dessen Kaufpreisforderung durch Zahlungen eines Dritten erfüllt worden ist, welche der Insolvenzverwalter über des Vermögen des Dritten nach Verfahrenseröffnung angefochten hat, kann dem Grundstückskäufer erst dann eine Frist zur Erfüllung der wieder aufgelebten Kaufpreisforderung setzen und den Rücktritt vom Vertrag androhen, wenn der insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch erfüllt ist.

Gesetze: § 323 Abs 1 BGB, § 144 Abs 1 InsO

Instanzenzug: Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt Az: 12 U 84/13vorgehend LG Stendal Az: 23 O 118/12

Tatbestand

1Die Kläger nehmen die Beklagte, eine Gesellschaft polnischen Rechts, auf Bewilligung der Löschung einer Auflassungsvormerkung in Anspruch. Mit notariellem Vertrag vom verkaufte der Nebenintervenient zu 1 als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e.      AG in B.   belegene Grundstücke an die Beklagte. Von dem vereinbarten Kaufpreis in Höhe von 685.000 € waren bereits 100.000 € erbracht, der Restbetrag sollte bis zum auf ein Anderkonto des Notars gezahlt werden. Zur Sicherung des Eigentumsverschaffungsanspruchs bewilligte der Verkäufer eine Auflassungsvormerkung zugunsten der Beklagten, die am in das Grundbuch eingetragen wurde.

2Nach wiederholten Mahnungen durch den Nebenintervenienten zu 1 wurden ab dem mehrere Teilzahlungen in Höhe von insgesamt 729.591,49 € auf den Kaufpreis geleistet, von denen 320.000 € von der A.         , einer Tochtergesellschaft der Beklagten, gezahlt wurden. Über das Vermögen der A.          , der die Beklagte den Besitz an den Grundstücken überlassen hatte, eröffnete das Insolvenzgericht am das Insolvenzverfahren und bestellte den Nebenintervenienten zu 2 zu deren Insolvenzverwalter.

3Mit notariellem Vertrag vom verkaufte der Nebenintervenient zu 1, für den eine vollmachtlose Vertreterin auftrat, die Grundstücke für 700.000 € an die Kläger und bewilligte zur Sicherung ihres Eigentumsverschaffungsanspruchs eine Auflassungsvormerkung. Diese wurde am in das Grundbuch eingetragen.

4Am erklärte der Nebenintervenient zu 2 gegenüber dem Nebenintervenienten zu 1 die Anfechtung der von der A.      GmbH geleisteten Zahlungen, wobei er sich in erster Linie auf eine Anfechtung wegen Unentgeltlichkeit gemäß § 134 InsO stützte. Der Nebenintervenient zu 1 schrieb daraufhin am gleichen Tag an die Beklagte, im Hinblick auf die Anfechtung durch den Nebenintervenienten zu 2 sei keine Erfüllungswirkung eingetreten. Für den Fall, dass die Beklagte nicht bis zum den offenen Betrag von 326.034,41 € zahle, trete er von dem Grundstückskaufvertrag zurück. Entsprechend dieser Ankündigung erklärte er mit Schreiben vom den Rücktritt von dem mit der Beklagten geschlossenen notariellen Vertrag. Alsdann genehmigte er am den mit den Klägern geschlossenen Kaufvertrag. In der Folgezeit überließ der Nebenintervenient zu 2 den Klägern die Grundstücke.

5Das Landgericht hat die Beklagte - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - zur Bewilligung der Löschung der zu ihren Gunsten im Grundbuch eingetragenen Vormerkung verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren auf Zustimmung zur Löschung der eingetragenen Auflassungsvormerkung weiter.

Gründe

6Die Revision der Kläger bleibt ohne Erfolg.

I.

7Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Kläger hätten keinen Anspruch nach § 894 BGB auf Zustimmung zur Löschung der Auflassungsvormerkung. Zwar seien sie als nachrangige Vormerkungsberechtigte anspruchsbefugt, eine Unrichtigkeit des Grundbuchs liege aber nicht vor. Die zugunsten der Beklagten eingetragene Auflassungsvormerkung sei nicht zu löschen, weil der Nebenintervenient zu 1 nicht wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten sei. Zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung am sei dessen Kaufpreisanspruch durch Zahlungen der Beklagten und Drittzahlungen der A.     GmbH sowie einer weiteren Gesellschaft bereits erfüllt gewesen. Die vom Nebenintervenienten zu 2 erklärte Anfechtung der Zahlungen der A.     GmbH in Höhe von 320.000 € sei ins Leere gegangen. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Forderung des Nebenintervenienten zu 1 gegen die Beklagte nicht werthaltig gewesen sei.

II.

8Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

91. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte (, BGHZ 188, 373 Rn. 9; vom - IX ZR 130/10, WM 2013, 333 Rn. 10 mwN) wurde von den Vorinstanzen rechtsfehlerfrei aus Art. 22 Nr. 1 EuGVVO hergeleitet. Danach sind die Gerichte desjenigen Mitgliedstaates für Klagen, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, ohne Rücksicht auf den Wohnsitz ausschließlich zuständig, in dem die unbewegliche Sache belegen ist. Diese Bestimmung ist dahingehend auszulegen, dass die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Belegenheitsstaats nicht alle Klagen umfasst, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, sondern nur solche, die darauf gerichtet sind, zum einen den Umfang oder den Bestand einer unbeweglichen Sache oder das Eigentum, den Besitz oder das Bestehen anderer dinglicher Rechte an ihr zu bestimmen und zum anderen den Inhabern dieser Rechte den Schutz der mit ihrer Rechtsstellung verbundenen Vorrechte zu sichern (, NJW 2014, 1871 Rn. 42), wobei der Unterschied zwischen einem dinglichen Recht und einem persönlichen Anspruch darin besteht, dass das dingliche Recht an einer Sache gegenüber jedermann wirkt, während der persönliche Anspruch nur gegen den Schuldner geltend gemacht werden kann ( aaO Rn. 43 mwN).

10Von einer entsprechenden dinglichen Wirkung der Vormerkung ist hier auszugehen, weil es nicht um den schuldrechtlichen Anspruch des Käufers gegen den Verkäufer auf Auflassung des Grundstücks, sondern um die Klage eines Dritten, dem gegenüber die Vormerkung dingliche Wirkung entfaltet, geht (vgl. Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 22 EuGVVO Rn. 78 f). Soweit die Revisionserwiderung unter Verweis auf Rauscher/Mankowski (Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 3. Aufl., 2011, Art. 22 EuGVVO Rn. 9), die Auffassung vertritt, der Streit um eine Auflassungsvormerkung falle nicht unter § 22 Nr. 1 EuGVVO, steht dies der ausschließlichen Zuständigkeit des Gerichts der belegenen Sache nicht entgegen, denn von den genannten Autoren wird nicht zwischen der Geltendmachung von Ansprüchen des Vormerkungsberechtigten gegen den schuldrechtlich Verpflichteten, um die es hier nicht geht, und von Berichtigungsansprüchen eines durch die Vormerkung beeinträchtigten Dritten, dem gegenüber die Vormerkung dingliche Wirkung entfaltet, unterschieden.

112. Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 894 BGB sind nicht erfüllt. Das Grundbuch ist nicht unrichtig.

12a) Nach § 894 BGB kann - wenn der Inhalt des Grundbuchs in Ansehung eines Rechts an dem Grundstück oder einer Verfügungsbeschränkung (§ 892 Abs. 1 BGB) mit der wirklichen Rechtslage nicht im Einklang steht - derjenige, dessen Recht durch die Eintragung einer nicht bestehenden Belastung oder Beschränkung beeinträchtigt ist, die Zustimmung zu der Berichtigung des Grundbuchs von demjenigen verlangen, dessen Recht durch die Berichtigung betroffen wird (, BGHZ 150, 138, 141 f). Die Vormerkung sichert gemäß § 883 BGB einen Anspruch auf Einräumung eines Rechts an einem Grundstück. Zu diesem Anspruch ist sie streng akzessorisch (vgl. , NJW 1994, 2947 f). Besteht er nicht, so ist auch die Vormerkung wirkungslos (, BGHZ 54, 56, 63; vom , aaO). Mit dem Untergang des gesicherten Anspruchs wird das Grundbuch unrichtig im Sinne des § 894 BGB (, BGHZ 60, 46, 50).

13Die zugunsten der Beklagten eingetragene Auflassungsvormerkung wäre danach wirkungslos und das Grundbuch unrichtig, wenn der Nebenintervenient zu 1 durch seinen am erklärten Rücktritt den Erfüllungsanspruch der Beklagten zu Fall gebracht hätte. Das Recht der Kläger, die Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs zu verlangen, ergäbe sich aus der zu ihren Gunsten am in das Grundbuch eingetragenen (nachrangigen) Auflassungsvormerkung, weil ihr Recht, aus dieser Vormerkung ihre Eintragung zu betreiben, durch die Voreintragung der Beklagten beeinträchtigt ist. Die vormerkungsberechtigte Beklagte könnte sich auf die relative Unwirksamkeit der zugunsten der Kläger eingetragenen Vormerkung nach § 883 Abs. 2 BGB berufen (vgl. , NJW 2009, 356 Rn. 8).

14b) Ein wirksamer Rücktritt des Nebenintervenienten zu 1 von dem am beurkundeten Kaufvertrag mit der Beklagten, der zur Folge hätte, dass diese aus dem Vertrag keine Erfüllungspflichten mehr herleiten könnte (vgl. , BGHZ 150, 187, 197) und damit auch der durch die Auflassungsvormerkung gesicherte Anspruch entfallen wäre, ist nicht erfolgt.

15aa) Gemäß § 323 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger vom Vertrag zurücktreten, wenn bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbringt und er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat (, BGHZ 193, 315 Rn. 16). Vor der Fälligkeit der Leistung kann eine Frist zur Leistung oder zur Nacherfüllung nicht wirksam gesetzt werden; eine solche Nachfristsetzung ist unbeachtlich ( aaO mwN; vom - V ZR 124/05, NJW 2006, 1198 Rn. 13).

16(1) Im Streitfall hat der Nebenintervenient zu 1 der Beklagten die Frist zur Erfüllung der Kaufpreisforderung am gesetzt, nachdem der Nebenintervenient zu 2 ihm gegenüber die Teilerfüllung der Kaufpreisforderung durch die A.     GmbH als unentgeltliche Leistungen im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO angefochten hatte. Die Kaufpreisforderung des Nebenintervenienten zu 1 war zu diesem Zeitpunkt erfüllt. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hatten die Zahlungen der Beklagten und die Drittzahlungen der A.     GmbH und einer weiteren Gesellschaft die Forderung zum Erlöschen gebracht (§ 267 Abs. 1, § 362 Abs. 1 BGB).

17(2) Eine die Fristsetzung des Nebenintervenienten zu 1 rechtfertigende neuerliche Fälligkeit des Kaufpreisanspruchs, aufgrund deren die Voraussetzungen für einen Rücktritt des Nebenintervenienten zu 1 nach § 323 Abs. 1 BGB gegeben sein könnten, ist durch die Anfechtung der von der A.    GmbH auf die Kaufpreisforderung geleisteten Drittzahlungen nicht eingetreten. Gemäß § 144 Abs. 1 InsO lebt die Forderung des Empfängers einer anfechtbaren Leistung wieder auf, wenn dieser das Erlangte an den anfechtenden Insolvenzverwalter zurückgewährt. Diese Vorschrift gilt unabhängig von dem geltend gemachten Anfechtungsgrund (vgl. MünchKomm-InsO/Kirchhof, 3. Aufl., § 144 Rn. 5). Voraussetzung für das Wiederaufleben der Forderung ist die tatsächliche Rückgewähr des Empfangenen. Dass der Insolvenzverwalter den Rückgewähranspruch geltend macht, genügt nicht (Jacoby in Kübler/Prütting/Bork,InsO, 2011, § 144 Rn. 7). Anzuwenden ist die Vorschrift auch im anfechtungsrechtlichen Drei-Personen-Verhältnis (, ZInsO 2013, 73 Rn. 12 mwN). Entgegen der Auffassung des Revisionsklägers enthält § 12 AnfG keine andere Rechtsfolge. Auch dort lebt die Forderung zu Gunsten des Anfechtungsgegners erst mit der Rückgewähr der anfechtbar empfangenen Leistung wieder auf (RGZ 86, 99, 102; MünchKomm-AnfG/Kirchhof, § 12 Rn. 8).

18Nach diesen Grundsätzen ist eine neuerliche Fälligkeit der Kaufpreisforderung des Nebenintervenienten zu 1 gegen die Beklagte nicht eingetreten. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen zur Erfüllung des Rückgewähranspruchs des Nebenintervenienten zu 2 durch den Nebenintervenienten zu 1 getroffen. Im Rechtsstreit ist eine tatsächliche Erfüllung dieses Anspruchs nicht einmal behauptet worden. Damit fehlen die Voraussetzungen für das (teilweise) Wiederaufleben der Kaufpreisforderung des Nebenintervenienten zu 1. Auf die Frage, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen für eine Anfechtung von Drittzahlungen nach § 134 Abs. 1 InsO zutreffend beurteilt hat, kommt es nicht an.

19bb) Die Nachfristsetzung des Nebenintervenienten zu 1 war demzufolge für die Beklagte wirkungslos, ein Rücktritt kam trotz des erfolglosen Ablaufs der Frist am mangels fälliger Forderung nicht in Betracht.

Kayser                      Vill                         Lohmann

                Pape                     Möhring

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BB 2015 S. 513 Nr. 10
DB 2015 S. 549 Nr. 10
DB 2015 S. 6 Nr. 10
DNotZ 2015 S. 289 Nr. 4
NJW 2015 S. 8 Nr. 12
NJW-RR 2015 S. 565 Nr. 9
WM 2015 S. 485 Nr. 10
ZIP 2015 S. 18 Nr. 9
ZIP 2015 S. 485 Nr. 10
QAAAE-85502