Anforderung an die schlüssige Darlegung eines Wiedereinsetzungsgrundes (hier: verlorengegangenes Schriftstück bei der Postbeförderung)
Gesetze: FGO § 116 Abs. 3, FGO § 56 Abs. 1, FGO § 56 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
1 I. Mit Urteil vom wies das Finanzgericht (FG) die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger), mit der dieser sich gegen eine die Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2008 bis 2010 umfassende Prüfungsanordnung wandte, als unbegründet ab. Gemäß der vom Postbediensteten gefertigten Zustellungsurkunde wurde das Urteil dem Kläger, einem Steuerberater, am zugestellt.
2 Am ging beim Bundesfinanzhof (BFH) ein Telefax des Klägers ein, mit dem er Nichtzulassungsbeschwerde einlegte und eine Begründung in einem gesonderten Schriftsatz ankündigte.
3 Im Schreiben vom , das laut Zustellungsurkunde am zugestellt wurde, wies der Senatsvorsitzende den Kläger auf den bereits am erfolgten Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist und die Vorschrift des § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hin.
4 Bereits am ging per Telefax eine nicht unterschriebene, am eine unterschriebene Fassung der unter dem gefertigten Beschwerdebegründung ein.
5 Mit weiterem Schreiben vom (beim BFH eingegangen am ) teilte der Kläger mit, dass die Begründung am per Post versandt worden und offensichtlich beim BFH nicht eingegangen sei. Es werde deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
6 Nachdem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) u.a. den verspäteten Vortrag der die Wiedereinsetzung rechtfertigenden Tatsachen gerügt hatte, teilte der Kläger mit am beim BFH eingegangenem Schreiben u.a. mit, dass er selbst die Beschwerdebegründung als einfachen Brief am Ende der Straße seines Kanzleisitzes in einen Briefkasten eingeworfen habe. Er habe die Absendung auch in seinem Postausgangsbuch vermerkt, weil sein Telefaxgerät an diesem Tag nicht funktionsfähig gewesen sei. Zudem legte der Kläger die Kopie eines Teiles der entsprechenden Seite seines Postausgangsbuchs vor.
7 II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil die Beschwerdebegründung nicht innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist beim BFH eingegangen ist (vgl. § 116 Abs. 3 FGO).
8 1. a) Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 FGO ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen und die Begründung beim BFH einzureichen.
9 b) Das FG-Urteil ist dem Kläger am zugestellt worden. Die Beschwerdebegründungsfrist endete, da es sich beim um einen gesetzlichen Feiertag handelte, am Freitag, den (§ 54 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung sowie §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Eine unterschriebene Beschwerdebegründung ging indessen erst am beim BFH ein.
10 2. Dem Kläger kann für die Versäumnis der Begründungsfrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) gewährt werden.
11 a) Der Kläger hat innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist den Wiedereinsetzungsgrund nicht hinreichend substantiiert und in sich schlüssig dargelegt.
12 aa) Gemäß § 56 Abs. 1 FGO ist demjenigen, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist bei Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO).
13 Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist aus § 56 Abs. 2 FGO zu folgern, dass die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO vollständig, substantiiert und in sich schlüssig darzulegen sind (vgl. z.B. , BFH/NV 2008, 1349, m.w.N.; Senatsbeschluss vom III R 64/09, BFH/NV 2011, 54). Beruft sich der Kläger darauf, dass das maßgebliche Schreiben auf dem Postwege verlorengegangen sei, sind insbesondere Angaben dazu erforderlich, zu welchem Zeitpunkt (Tag und Uhrzeit) der Briefumschlag von welcher Person und auf welche Weise (Einwurf in einen bestimmten Postbriefkasten) zur Post aufgegeben worden ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom II B 197/88, BFH/NV 1990, 298; vom VIII R 64/88, BFH/NV 1990, 577, und vom V S 10/11, BFH/NV 2011, 1526). Außerdem ist eine Schilderung der Fristenkontrolle nach Art und Umfang erforderlich (, BFH/NV 1994, 813; Senatsurteil vom III R 208/84, III R 210-211/84, BFH/NV 1989, 370). Ist dies nicht geschehen, kann Wiedereinsetzung nur gewährt werden, wenn ein Wiedereinsetzungsgrund offenkundig, gerichtsbekannt oder aktenkundig ist.
14 bb) Ausgehend vom Vortrag des Klägers ist das Hindernis im vorliegenden Fall spätestens am entfallen, da der Kläger in dem Schreiben des Senatsvorsitzenden darauf hingewiesen wurde, dass innerhalb der Frist des § 116 Abs. 3 FGO keine Beschwerdebegründung beim BFH eingegangen war.
15 Innerhalb der am endenden Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO hat der Kläger nur mitgeteilt, dass die Begründung am per Post versandt worden sei. Weitere Angaben zu den näheren Umständen der Aufgabe des Schreibens zur Post hat der Kläger weder innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist gemacht noch können solche Umstände aus Unterlagen entnommen werden, die dem BFH innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgelegen haben. Ebenso fehlen Angaben zu Art und Umfang der Fristenkontrolle. Um seinen Vortrag schlüssig zu machen, wären insbesondere Erläuterungen zur Frage erforderlich gewesen, wieso der Kläger am eine Beschwerdebegründung „vorab per Telefax” versandt hat, obwohl er den Hinweis des Senatsvorsitzenden zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht erhalten hatte (Zugang ) und deshalb —nach seinem Vortrag— davon ausgehen hätte müssen, dass die am versandte Beschwerdebegründung bereits beim BFH eingegangen war. Damit hat der Kläger innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist den Kern des Wiedereinsetzungsgrundes nicht hinreichend vollständig, substantiiert und in sich schlüssig dargelegt.
16 Da die aufgezeigten Lücken in der Begründung des Wiedereinsetzungsbegehrens nach Ablauf der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht mehr geschlossen werden können (, BFH/NV 1993, 611, m.w.N.), kommt es auf den Inhalt des erst am beim BFH eingegangenen Schreibens des Klägers nicht an.
17 b) Überdies hat der Kläger den Wiedereinsetzungsgrund auch nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
18 aa) Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO sind die Tatsachen zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen.
19 bb) Der Kläger hat nur eine teilweise Kopie einer Seite aus einem Postausgangsbuch vorgelegt, aus der eine Eintragung für den hervorgeht, wonach eine Beschwerdebegründung in Sachen einer Prüfungsanordnung an den BFH gesendet worden sei. Hieraus lässt sich insbesondere nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit entnehmen, dass in der Kanzlei des Klägers eine wirksame Fristenkontrolle stattgefunden hat. Über den oben dargelegten Schlüssigkeitsmangel hinaus ergeben sich erhebliche Zweifel an einer solchen Fristenkontrolle daraus, dass die Schriftsätze über die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde, über den Antrag auf Wiedereinsetzung und über die Nachreichung der Beschwerdebegründung nicht auf der übermittelten Kopie des Postausgangsbuchs verzeichnet sind, obwohl sie in den dort aufgezeichneten Zeitrahmen fallen. Die bloße Behauptung des Klägers, er habe im Postausgangsbuch nur Schriftstücke eingetragen, bei welchen der Versand nicht durch andere Belege (z.B. Faxprotokoll) glaubhaft gemacht werden könne, genügt für eine Glaubhaftmachung der wirksamen Fristenkontrolle nicht, zumal etwa der Wiedereinsetzungsantrag dem BFH nicht per Telefax übermittelt wurde. Dies gilt umso mehr als der Kläger sehr ungewöhnliche Umstände behauptet, wenn er darlegt, dass an dem betreffenden Absendetag () sowohl sein Telefaxgerät nicht funktionsfähig gewesen, als auch die Briefsendung auf dem Postweg verloren gegangen sei.
20 3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
21 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 FGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2015 S. 505 Nr. 4
MAAAE-85269