BGH Beschluss v. - IX ZR 31/13

Instanzenzug:

Gründe

I.

1Der 1951 geborene Kläger nimmt die Beklagten als Gesellschafter einer Anwaltssozietät wegen fehlerhafter anwaltlicher Beratung auf Schadensersatz in Anspruch. Er macht dieser Sozietät (künftig: den Beklagten) zum Vorwurf, ihn bei dem Abschluss eines sein Dienstverhältnis betreffenden Aufhebungsvertrages fehlerhaft beraten zu haben.

2Der Kläger war seit dem Mitglied des Vorstands der AG. In dem Anstellungsvertrag vom wurde ihm ein Ruhegehalt zugesichert. Anlässlich einer Umstrukturierung teilte der Aufsichtsratsvorsitzende dem Kläger am mit, dass er mit sofortiger Wirkung von allen dienstlichen Pflichten freigestellt sei. Letztlich schloss der Kläger, der insoweit von den Beklagten vertreten und anwaltlich beraten wurde, mit der AG einen Vertrag, durch den der Anstellungsvertrag mit Wirkung zum gegen Zahlung einer Abfindung und Zusage von Ruhegeld aufgehoben wurde. Eine vertragliche Absicherung des Insolvenzrisikos konnte er gegenüber der AG nicht durchsetzen. Über das Vermögen der AG wurde am das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger meldete seine Ansprüche aus der Versorgungszusage zur Tabelle an; der PensionsSicherungs-Verein V. lehnte eine Eintrittspflicht ab.

3Das Landgericht hat nach Anhörung von drei Zeugen festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, dem Kläger den aus anwaltlicher Falschberatung entstandenen Schaden zu ersetzen. Es hat angenommen, der Kläger habe den ihm obliegenden Beweis erbracht, dass die beklagten Rechtsanwälte ihn im Zusammenhang mit dem Aufhebungsvertrag nicht ausreichend rechtlich beraten hätten. Sie hätten ihn pflichtwidrig nicht darauf hingewiesen, dass die ihm zugesagte betriebliche Altersversorgung noch nicht nach § 1b Abs. 1 BetrAVG unverfallbar gewesen sei und deswegen in der Insolvenz des Arbeitsgebers keine Ansprüche gegen den Pensions-SicherungsVerein nach § 7 BetrAVG bestünden. Wenn er zutreffend beraten worden wäre, hätte er sich mit der AG auf eine spätere Aufhebung des Anstellungsvertrages geeinigt, wozu das Unternehmen bereit gewesen wäre. Das Berufungsgericht hat nach Anhörung der Parteien ohne Wiederholung der Zeugenvernehmung das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung der Beklagten aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen.

4Hiergegen wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, mit der er die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung erreichen will. Er rügt insbesondere die Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Berufungsgericht.

II.

5Die Revision ist zuzulassen und begründet, weil das angegriffene Urteil den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Die Beschwerde führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

61. Das Berufungsgericht hat eine Beweislastentscheidung zum Nachteil des Klägers getroffen, ohne die erstinstanzlich vernommene Zeugin K. , wie es nach § 529 Abs. 1 Nr. 1, § 398 Abs. 1 ZPO erforderlich war, erneut zu vernehmen. Es hat die vom Landgericht fehlerhaft unterlassene Anhörung der Parteien zu den Gesprächen zwischen dem Kläger und den Beklagten, an denen Dritte nicht teilgenommen haben, nachgeholt und sich danach - abweichend vom Landgericht - auch unter Berücksichtigung der protokollierten Aussage der Ehefrau des Klägers nicht davon überzeugen können, dass die anwaltliche Beratung fehlerhaft war. Die Nichtzulassungsbeschwerde sieht darin mit Recht eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Sinne des Art. 103 Abs. 1 GG. Das Berufungsgericht durfte ohne erneute Vernehmung dieser Zeugin deren Aussage nicht anders würdigen als das Landgericht (vgl. , BKR 2013, 203 Rn. 12 f; vom - XI ZR 394/12, NZG 2013, 1436 Rn. 9 ff; vom - XI ZR 171/12, BKR 2014, 295 Rn. 18 f).

7a) Grundsätzlich steht es im Ermessen des Berufungsgerichts, ob es Zeugen, die in der Vorinstanz bereits vernommen worden sind, nach § 398 Abs. 1 ZPO erneut vernimmt. Das Berufungsgericht ist zur nochmaligen Vernehmung jedoch verpflichtet, wenn es die Glaubwürdigkeit der Zeugen anders beurteilen will als das Erstgericht (, BGHZ 158, 269, 274 f; Beschluss vom - VI ZR 190/10, VersR 2011, 817 Rn. 6); Gleiches gilt dann, wenn das Berufungsgericht die protokollierte Aussage eines Zeugen anders verstehen will als der Richter der Vorinstanz ( IVa ZR 152/80, NJW 1982, 1052, 1053; vom - VI ZR 195/82, NJW 1984, 2629 f) oder wenn es die Aussage eines Zeugen für zu vage und für präzisierungsbedürftig hält ( aaO; vom - VIII ZR 151/01, NJW-RR 2002, 1649, 1650) oder wenn es der Aussage auch nur ein anderes Gewicht, eine andere Tragweite oder ein vom Wortsinn abweichende Auslegung geben will (, zVb Rn. 23). In all diesen Fällen kann die nochmalige Vernehmung eines Zeugen nur unterbleiben, wenn sich das Rechtsmittelgericht auf Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen (, NJW 2011, 3780 Rn. 16; Beschluss vom - VII ZR 165/12, BauR 2013, 1726 Rn. 12).

8b) Das Berufungsgericht hat die protokollierte Aussage der als Zeugin vernommenen Ehefrau des Klägers anders gewertet als das Landgericht. Ihre Aussage sei entgegen der Meinung des Landgerichts nicht eindeutig. Sie habe zwar bekundet, dass über eine "Insolvenzsicherung gesetzlicher Ansprüche" niemals gesprochen worden sei, wohl aber über eine "Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersvorsorge". Ferner habe sie deutlich gemacht, die Insolvenzsicherung sei für sie kein "wirkliches Thema" in den Verhandlungen gewesen, weil sie damals nicht geglaubt habe, dass die AG in Insolvenz gehen werde. Dies alles lasse die Deutung zu, dass sie wegen der aus ihrer Sicht fehlenden Bedeutung des Themas entweder den Unterschieden zwischen einer versicherungstechnischen und gesetzlichen Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung des Klägers schon damals keine Beachtung geschenkt oder diese Unterschiede bei ihrer Vernehmung wegen der vergangenen langen Zeit nicht mehr erinnert oder der Kläger ihr diese Unterschiede bei seinen Berichten von den Gesprächen mit den Beklagten gar nicht auseinandergesetzt habe, weil auch er die Einschätzung seiner Ehefrau geteilt habe, dass eine Insolvenz der AG damals kein aktuelles Thema gewesen sei.

9Mit dieser Würdigung der Zeugenaussage weicht das Berufungsgericht jedoch, wie es selber erkannt hat, von der Bewertung durch das Landgericht ab. Dieses hat sich aufgrund der Aussage der Ehefrau davon überzeugt, dass die Beklagten den Kläger nicht auf §§ 1b, 7 BetrAVG hingewiesen haben. Die vom Oberlandesgericht zitierte Aussage der Zeugin hat das Landgericht in dem Sinn verstanden, dass die Eheleute nur über die vertragliche Absicherung der Altersversorgung und nicht über eine Insolvenzsicherung nach dem Betriebsrentengesetz gesprochen haben und die Insolvenzsicherung nach dem Betriebsrentengesetz nicht Gegenstand der von der Zeugin einseitig mitgehörten Telefonate war. Das Landgericht hat die Aussage der Ehefrau in diesem Sinne für eindeutig und präzise gehalten.

10Das Berufungsgericht durfte nicht davon ausgehen, dass eine erneute Vernehmung der Zeugin nicht zu einer auch für das Berufungsgericht eindeutigen Aussage führen könne. Es kann sein, dass die Zeugin vor dem Landgericht nur deshalb keine eindeutigen Angaben in diesem Sinne gemacht hat, weil das Landgericht ihre Aussage für eindeutig ansah und daher nicht nachfragte. Es ist auch möglich, dass die Zeugin sich eindeutig im Sinne des Verständnisses des Landgerichts geäußert hat, dies aber im Protokoll nicht in dieser Eindeutigkeit festgehalten worden ist. Unter diesen Umständen hätte das Berufungsgericht die Ehefrau des Klägers erneut als Zeugin vernehmen und auf eine eindeutige Aussage hinwirken müssen. Diese war zwar nur Zeugin vom Hörensagen, das ändert jedoch nichts daran, dass das Berufungsgericht ihre protokollierte Aussage nicht ohne erneute Vernehmung anders verstehen durfte als das Landgericht. Das andere Verständnis betraf gerade die Urteilsfähigkeit und das Erinnerungsvermögen der Zeugin, aber auch die Vollständigkeit ihrer Aussage.

112. Das angefochtene Urteil beruht auf der Gehörsverletzung. Dies ist bereits dann der Fall, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht bei verfahrensfehlerfreiem Vorgehen anders entschieden hätte (, ZInsO 2014, 1679 Rn. 15). So verhält es sich im Streitfall. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei Wiederholung der Vernehmung der Zeugin K. sich von einer Pflichtwidrigkeit der Beklagten überzeugt hätte. Gegebenenfalls wird das Berufungsgericht die weiteren Voraussetzungen des Haftungsanspruchs zu prüfen haben.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
ZAAAE-82745