BGH Urteil v. - II ZR 231/13

Haftung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH einer insolventen GmbH & Co. KG: Rückführung eines Darlehens an die Muttergesellschaft nach Eintritt der Insolvenzreife

Leitsatz

1. Die Ersatzpflicht des Organs für Zahlungen nach Insolvenzreife entfällt, soweit die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit ihr ausgeglichen wird.

2. Der als Ausgleich erhaltene Gegenstand muss nicht noch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorhanden sein. Maßgeblich für die Bewertung ist der Zeitpunkt, in dem die Masseverkürzung durch einen Massezufluss ausgeglichen wird.

Gesetze: § 130a Abs 1 HGB, § 177a S 1 HGB

Instanzenzug: Hanseatisches Az: 11 U 33/12vorgehend Az: 413 HKO 63/11

Tatbestand

1Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der S.                           GmbH & Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin). Der Eröffnungsantrag wurde am gestellt. Der Beklagte war Geschäftsführer der Verwaltungsgesellschaft S.                   mbH, der einzigen Komplementärin der Schuldnerin. Die Schuldnerin war jedenfalls seit dem zahlungsunfähig.

2Die Schuldnerin schloss mit der A                               AG, ihrer Muttergesellschaft, am eine "Darlehensvertrag - Rahmenvereinbarung". Deren § 1 lautet:

"§ 1 Darlehen

Der Darlehensgeber stellt der Darlehensnehmerin auf einem Rechtsanwaltsanderkonto der D.           Rechtsanwaltsgesellschaft mbH einen Betrag in Höhe von maximal € 150.000 darlehensweise zur Verfügung. Das Darlehen in Höhe von maximal € 150.000 steht der Darlehensnehmerin ab dem bis längstens nach eigenem Ermessen zur Verfügung und kann in voller Höhe oder teilweise und gegebenenfalls mehrfach bei Bedarf abgerufen werden. Sollte die Darlehensnehmerin den vollen Betrag oder Teilbeträge abrufen, so werden die Parteien über den jeweils abgeforderten Betrag eine diese Vereinbarung ergänzende Vereinbarung treffen."

3Am wurden 150.000 € über ein Rechtsanwaltsanderkonto der D.               Rechtsanwaltsgesellschaft mbH an die Schuldnerin auf ein kreditorisch geführtes Bankkonto der Schuldnerin ausgezahlt. Am zahlte die Schuldnerin 150.000 € auf dasselbe Rechtsanwaltsanderkonto. Am wurden erneut 150.000 € vom Rechtsanwaltsanderkonto auf das Konto der Schuldnerin überwiesen, als Verwendungszweck war angegeben „Darlehen gem. Vertrag vom “.

4Der Kläger hat mit der Klage vom Beklagten, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, Zahlung von 150.000 € verlangt. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage insoweit abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers.

Gründe

5Die Revision hat keinen Erfolg.

6I. Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, ausgeführt: Die Rückzahlung von 150.000 € am auf das Rechtsanwaltsanderkonto auf das Darlehen der A.      sei eine erlaubte Zahlung. Sie führe im Ergebnis nicht zu einer Schmälerung der Insolvenzmasse. Die Darlehenssumme sei am über 150.000 € erneut in das Vermögen der Schuldnerin gelangt. Diese Zahlung beruhe auf dem Darlehensvertrag vom . Zwar sei als Verwendungszweck auf dem Kontoauszug angegeben "Darlehen gemäß Vertrag vom ". Die Zahlung vom sei aber über dasselbe Rechtsanwaltsanderkonto abgewickelt worden wie die Zahlungen vom 29. September und vom . Da der Darlehensvertrag vom eine Zahlung von einem Rechtsanwaltsanderkonto vorgesehen habe und weder vorgetragen noch ersichtlich sei, dass dieses Anderkonto für andere Zwecke als die Abwicklung des Darlehens vorgesehen gewesen sei, bestehe kein vernünftiger Zweifel, dass die Zahlung dem Darlehensvertrag zuzuordnen sei.

7Die Rückzahlung des Darlehens am einerseits und das Wiederaufleben der Möglichkeit, aus dem Rahmendarlehensvertrag den Betrag erneut abrufen zu dürfen, sowie die später erfolgte erneute Auszahlung des Darlehensbetrags über das Rechtsanwaltsanderkonto seien zwar nicht im Sinne eines Synallagmas verknüpft. Ein erneuter Abruf habe aber nach dem Darlehensrahmenvertrag die Zurückzahlung des Betrages vorausgesetzt, weil das Darlehen mit 150.000 € ausgeschöpft gewesen sei. Angesichts des Schutzzwecks von § 130a Abs. 1 HGB, dem es letztlich um die Erhaltung der Insolvenzmasse gehe, könne es bei der Beantwortung der Frage nach einer vollwertigen Gegenleistung nicht entscheidend um die Verknüpfung im Sinne eines Synallagmas gehen. Es müsse genügen, wenn ein Anspruch auf einem kompensierenden Massezufluss bestehe, der aus demselben Rechtsverhältnis herrühre. Die rechtstechnische Gestaltung des Darlehensvertrags spreche hier sogar dafür, bereits eine Zahlung zu verneinen. § 1 des Darlehensvertrags verdeutliche, dass es sich um ein einheitliches revolvierendes Darlehen übermaximal 150.000 € handele. Jede andere Wertung entspräche nicht dem Zweck des § 130a HGB, der der Auffüllung, nicht aber der Bereicherung der Masse diene. Die Schuldnerin habe durch die Rückzahlung des Darlehens einen Anspruch auf eine erneute Auszahlung der Darlehensvaluta erworben. Jedenfalls habe die Rückführung am der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters entsprochen.

8II. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand. Die Haftung des Beklagten nach § 130a Abs. 1, § 177a Satz 1 HGB für die Zahlung von 150.000 € am ist durch die Überweisung des gleichen Betrags am auf das Konto der Schuldnerin erloschen.

91. Die Ersatzpflicht des Organs für Zahlungen nach Insolvenzreife nach § 130a Abs. 1 HGB i.V.m. § 177a Satz 1 HGB entfällt, soweit die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit ihr ausgeglichen wird. § 130a Abs. 1 HGB soll im Interesse einer Gleichbehandlung der Gläubiger eine Schmälerung der Masse nach Eintritt der Insolvenzreife ausgleichen (st. Rspr., , ZIP 2014, 1523 Rn. 14; Urteil vom - II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 Rn. 7; Beschluss vom - II ZR 51/06, ZIP 2007, 1501 Rn. 4; vgl. zur Parallelvorschrift § 64 Satz 1 GmbHG bzw. § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. , BGHZ 146, 264, 275; Urteil vom - II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 186; Urteil vom - II ZR 277/94, BGHZ 131, 325, 328). Der Erstattungsanspruch gegen das Organ muss folgerichtig nicht nur bei Erfüllung durch das Organ entfallen, sondern auch, wenn die Massekürzung anderweitig ausgeglichen und der Zweck der Ersatzpflicht erreicht ist. Aus diesem Grund besteht kein Erstattungsanspruch gegen das Organ mehr, soweit es dem Insolvenzverwalter gelingt, durch die Insolvenzanfechtung eine Rückerstattung der Zahlung zu erreichen und so die Masseschmälerung wettzumachen (, ZIP 2014, 1523 Rn. 14; Urteil vom - II ZR 277/94, BGHZ 131, 325, 327), oder wenn die Massekürzung dadurch ausgeglichen wird, dass für die Zahlung ein Gegenwert in das Gesellschaftsvermögen gelangt ist, und der Sache nach lediglich ein Aktiventausch vorliegt (vgl. , ZIP 2010, 2400 Rn. 21 - Fleischgroßhandel; Urteil vom - II ZR 150/02, ZIP 2003, 1005, 1006; vgl. auch Beschluss vom - II ZR 262/06, ZIP 2008, 72 Rn. 5).

10Da der "Schaden" bereits in dem Abfluss von Mitteln aus der im Stadium der Insolvenzreife der Gesellschaft zugunsten der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhaltenden Vermögensmasse liegt (, ZIP 2007, 1006 Rn. 7), ist nicht jeder beliebige weitere Massezufluss als Ausgleich der Masseschmälerung zu berücksichtigen. Vielmehr ist ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Zahlung erforderlich, damit der Massezufluss der Masseschmälerung zugeordnet werden kann. Auf eine Zuordnung nach wirtschaftlicher Betrachtung zur einzelnen masseschmälernden Zahlung kann nicht verzichtet werden, da der Ersatzanspruch nicht auf Erstattung eines Quotenschadens gerichtet ist (vgl. , ZIP 2007, 1006 Rn. 7; Beschluss vom - II ZR 51/06, ZIP 2007, 1501 Rn. 4).

112. Dagegen ist es nach dem Zweck der Vorschrift nicht erforderlich, dass der Gegenstand des Massezuflusses auch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch vorhanden ist. Sollten die Entscheidungen, in denen die Berücksichtigung eines "Aktiventausches" für möglich erachtet wurde, wenn die Gegenleistung nicht nur ins Gesellschaftsvermögen gelangt ist, sondern auch darin verbleibt, anders zu verstehen sein (, ZIP 2010, 2400 Rn. 21 - Fleischgroßhandel; Urteil vom - II ZR 150/02, ZIP 2003, 1005, 1006; Urteil vom - II ZR 370/99, ZIP 2000, 1896, 1897; Urteil vom - II ZR 2/72, NJW 1974, 1088, 1089), hält der Senat daran nicht fest. Maßgeblich für die Bewertung ist der Zeitpunkt, in dem die Masseverkürzung durch einen Massezufluss ausgeglichen wird, nicht der Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung (MünchKommGmbHG/Müller § 64 Rn. 137; Ulmer/Casper, GmbHG, § 64 Rn. 85; Habersack/Foerster, ZHR 178 [2014], 387, 404; aA Baumbach/Hueck/Haas, GmbHG, 20. Aufl., § 64 Rn. 70b; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., § 64 Rn. 7; Sandhaus in Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, § 64 Rn. 27). Die Masseverkürzung ist ausgeglichen und die Haftung des Organs für die masseverkürzende Leistung entfällt, sobald und soweit ein ausgleichender Wert endgültig in das Gesellschaftsvermögen gelangt ist (vgl. RGZ 159, 211, 230). Wenn ein Gegenstand oder eine Geldleistung, die als Ausgleich der Masseschmälerung in das Gesellschaftsvermögen gelangt ist, danach wieder ausgegeben wird, führt dies ggf. zu einem neuen Erstattungsanspruch nach § 130a Abs. 1 HGB. Würde demgegenüber der zuvor erfolgte Ausgleich der ersten Masseverkürzung nicht beachtet, würde es ggf. sogar zu einer Vervielfachung des zu erstattenden Betrags kommen, obwohl wertmäßig die Masse nur einmal verkürzt wurde. Das "Zahlungsverbot" soll aber nur eine Masseverkürzung verhindern, nicht einer Massebereicherung dienen.

12Eine dem Gesellschaftsorgan nicht zurechenbare, insbesondere zufällige Verschlechterung des Gegenstands des Ausgleichs bei der Gesellschaft bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällt schon nicht unter den Schutzzweck § 130a Abs. 1 HGB. Das Organ ist nach dieser Vorschrift nicht für jede Masseverkürzung verantwortlich. § 130a Abs. 1 HGB schützt nur vor Massekürzungen, die das Organ veranlasst hat (vgl. , ZIP 2009, 956 Rn. 13; zu § 64 Satz 1 GmbHG , ZIP 2011, 422 Rn. 28; zu § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG , ZIP 2009, 860 Rn. 42), und erfasst nicht jeden Schaden, der durch die Insolvenzverschleppung entsteht. Für Insolvenzverschleppungsschäden, die nicht in einer Masseschmälerung durch Zahlung bestehen, haftet das Organ nach § 15a Abs. 1 InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB.

13Auch bei einer durch das Organ veranlassten Verarbeitung oder ähnlichen Fällen eines Verlusts eines als Ausgleich in die Masse gelangten Gegenstands entstehen keine Schutzlücken. Regelmäßig bleibt dadurch der geschaffene Wert im Vermögen der Gesellschaft erhalten oder es wird eine Gegenleistung erwirtschaftet. Ist dies ausnahmsweise nicht der Fall, kommt auch hier eine Haftung nach § 15a Abs. 1 InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB wegen Insolvenzverschleppung in Betracht.

143. Mit der Überweisung von 150.000 € am auf das Konto der Schuldnerin wurde die Masseschmälerung durch die Rückzahlung des Darlehens am ausgeglichen und entfiel die damit ausgelöste Erstattungspflicht des Beklagten.

15a) Die Rückzahlung des Darlehens am auf das Rechtsanwaltsanderkonto führte zu einer Masseschmälerung. Die Schuldnerin konnte darüber nicht frei verfügen, so dass die Zahlung keiner Umbuchung von einem kreditorischen Konto der Schuldnerin auf ein anderes entspricht. Die Schuldnerin erwarb mit der Rückzahlung nur das Recht, einen entsprechenden Betrag erneut abzurufen. Bei jedem Abruf musste aber nach der Rahmenabrede vom eine neue Darlehensvereinbarung getroffen werden.

16Dass das Limit von 150.000 € aus der Vereinbarung vom nach der Zahlung vom wieder ausgeschöpft werden konnte, steht einer Masseverkürzung nicht entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob und ggf. unter welchen Umständen bereits durch die Begründung einer Forderung gegen den Empfänger der masseverkürzenden Zahlung ein ausgleichender Wert endgültig in das Gesellschaftsvermögen gelangt und die Masseverkürzung ausgeglichen ist. Die Schuldnerin erwarb mit der Rückzahlung des Darlehens am noch keine Forderung gegen ihre Muttergesellschaft, sondern nur eine Abrufmöglichkeit. Die Abrufmöglichkeit stand einer durchsetzbaren Forderung nicht gleich. Bei einem Abruf musste nach der Rahmenabrede erst eine neue Darlehensvereinbarung getroffen werden.

17b) Die Masseverkürzung vom wurde aber dadurch ausgeglichen, dass der zurückgezahlte Betrag am wieder auf das Konto der Schuldnerin gelangte. Die Zahlung beruhte auf der Vereinbarung vom , die eine wiederkehrende Inanspruchnahme des Darlehens innerhalb des Limits ermöglichte, steht damit in unmittelbarem Zusammenhang mit der Rückzahlung vom , die erst den erneuten Abruf ermöglichte, und ist dieser Masseschmälerung wirtschaftlich zuzuordnen. Dass damit erneut eine Verbindlichkeit der Schuldnerin begründet wurde, das Darlehen zurückzuzahlen, lässt den Massezufluss nicht entfallen. Die Begründung von Verbindlichkeiten schmälert die zur Verteilung zur Verfügung stehende Masse nicht. Ob die zurückgeführten Mittel bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch vorhanden waren, ist für die Entscheidung ohne Bedeutung, da der Zeitpunkt des Massezuflusses maßgeblich ist.

Bergmann                           Caliebe                           Drescher

                       Born                              Sunder

Fundstelle(n):
AG 2015 S. 122 Nr. 4
BB 2015 S. 65 Nr. 3
DB 2015 S. 55 Nr. 1
DB 2015 S. 7 Nr. 1
DStR 2015 S. 180 Nr. 4
GmbH-StB 2015 S. 71 Nr. 3
GmbHR 2015 S. 137 Nr. 3
NJW 2015 S. 8 Nr. 3
NJW-RR 2015 S. 418 Nr. 7
NWB-Eilnachricht Nr. 4/2015 S. 160
StBW 2015 S. 154 Nr. 4
StuB-Bilanzreport Nr. 4/2015 S. 160
WM 2015 S. 77 Nr. 2
WPg 2015 S. 252 Nr. 5
ZIP 2015 S. 2 Nr. 1
ZIP 2015 S. 71 Nr. 2
XAAAE-82040