OFD Niedersachsen - S 7106 - 296 - St 171

Umsatzsteuerliche Beurteilung der Verpachtung dauerdefizitärer Einrichtungen durch juristische Personen des öffentlichen Rechts

Juristische Personen des öffentlichen Rechts (jpdöR) betreiben dauerdefizitäre Einrichtungen wie Schwimmbäder, Stadthallen oder Jugendzentren häufig nicht selbst, sondern schalten Unternehmer des privaten Rechts als Betreiber ein. Der Betreiber kann ein von der jPdöR unabhängiger Dritter sein, es kann sich aber auch um eine privatrechtliche Gesellschaft handeln, an der die jPdöR mehrheitlich oder allein beteiligt ist. Vielfach verpachtet die jPdöR die Einrichtung an den Betreiber und gewährt ihm zum Unterhalt und Betrieb der dauerdefizitären Einrichtung einen Zuschuss oder Verlustausgleich, der die Pacht überschreitet.

Ob die Verpachtung eine unternehmerische Tätigkeit der jPdöR ist, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab.

  1. Hat sich die jPdöR in dem Pachtvertrag verpflichtet, dem Betreiber einen Zuschuss oder Verlustausgleich zu gewähren, liegt eine tatsächliche und rechtliche Verknüpfung zwischen der vereinnahmten Pacht und dem gewährten Zuschuss bzw. Verlustausgleich vor. In dem Zuschuss bzw. Verlustausgleich ist eine Rückzahlung der wirksam vereinbarten Pacht i. S. v. § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG zu sehen. Die jPdöR verpachtet die Einrichtung nicht gegen Entgelt und ist folglich nicht als Unternehmerin tätig (§ 2 Abs. 1 UStG).

  2. Fehlt es an einer rechtlichen Verknüpfung zwischen Pacht und Zuschuss bzw. Verlustausgleich, ist eine Verrechnung nicht zulässig. Dann verpachtet die jPdöR die Einrichtung gegen Entgelt. Die Verpachtung kann eine nicht umsatzsteuerbare Beistellung sein oder im Rahmen eines Leistungsaustausches erfolgen.

    Hat sich der Betreiber gegenüber der jpdöR verpflichtet, den Betrieb der Einrichtung aufrechtzuerhalten oder die Einrichtung in einer von der jPdöR gewünschten konkreten Art und Weise (z. B. hinsichtlich Nutzung, Öffnungszeiten, Ausstattung, Mitarbeiterqualifikation und -einsatz) zu betreiben, erbringt der Betreiber eine Geschäftsbesorgungsleistung an die jPdöR. Der Zuschuss bzw. die Verlustübernahme ist Entgelt (s. auch , BStBl 2010 II S. 310, , nv und , nv). Zu der Geschäftsbesorgungsleistung leistet die jPdöR einen eigenen Beitrag in Form der Verpachtung der in ihrem Eigentum stehenden Einrichtung. Es handelt sich hierbei um eine Leistungsbeistellung i. S. v. Abschn. 1.1 Abs. 6f UStAE. Der Beistellung liegt kein Bereicherungs- und Leistungswille zugrunde. Die vertraglich vereinbarte Pacht spricht zwar für eine steuerbare Leistung. Bei Würdigung der Gesamtumstände ist ein Leistungswille jedoch zu verneinen (vgl. , BStBl 1959 III S. 227). Denknotwendig muss der Betreiber berechtigt sein, die Einrichtung zu nutzen. Ohne Nutzungsrecht könnte er weder die Geschäftsbesorgungsleistung gegenüber der jPdöR, noch die Leistungen gegenüber den Besuchern der Einrichtung erbringen. Wegen der nichtsteuerbaren Beistellung kann die Verpachtung keine Unternehmereigenschaft der jPdöR hinsichtlich der Einrichtung begründen.

    Erbringt der Betreiber keine Geschäftsbesorgungsleistung an die jPdöR, erfolgt die entgeltliche Verpachtung der Einrichtung im Rahmen eines Leistungsaustausches. Die jPdöR handelt insoweit unternehmerisch i. S. v. § 2 Abs. 1 UStG. Für die Unternehmereigenschaft einer jPdöR ist darüber hinaus erforderlich, dass die Tätigkeit zugleich den Begriff des Betriebes gewerblicher Art i. S. v. § 4 KStG erfüllt (§ 2 Abs. 3 UStG). Das ist der Fall, wenn die Umsätze des Betreibers nachhaltig die Grenze von 30.678,00 EUR überschreiten (§ 4 Abs. 4 KStG i. V. m. R 6 Abs. 5 Sätze 6 und 7 KStR 2004).

Zusammenstellung


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Sachverhalt
Unternehmereigenschaft der jPdöR durch Verpachtung der Einrichtung
zwischen der vereinnahmten Pacht und dem gewährten Zuschuss bzw. Verlustausgleich liegt eine tatsächliche und rechtliche Verknüpfung vor
nein,
Verpachtung ist keine entgeltliche Tätigkeit
Betreiber erbringt Geschäftsbesorgungsleistung an die jPdöR
nein,
Verpachtung ist eine nicht umsatzsteuerbare Beistellung
Betreiber erbringt keine Geschäftsbesorgungsleistung an die jPdöR
ja,
wenn Umsätze des Betreibers nachhaltig 30.678,00 EUR übersteigen

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Fundstelle(n):
USt-Kartei NI UStG § 2 Abs. 3 Karte S 7106 Karte 4 - 1274 -
DB 2014 S. 2623 Nr. 46
DStR 2014 S. 2572 Nr. 51
UR 2014 S. 988 Nr. 24
Ubg 2015 S. 45 Nr. 1
SAAAE-77342