Verfahrensrüge im Strafverfahren: Beruhen eines Urteils auf der Nichtgewährung des letzten Wortes nach Wiedereintritt in die Hauptverhandlung; Bargeldübergabe des Angeklagten an den Nebenkläger im Rahmen des Adhäsionsverfahrens
Gesetze: § 258 Abs 2 Halbs 2 StPO
Instanzenzug: Az: 39 Ks 19/13
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf Verfahrensbeanstandungen und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht. Der Strafausspruch hat hingegen keinen Bestand. Insoweit hat der zulässig gerügte Verstoß des Landgerichts gegen § 258 Abs. 2 Halbsatz 2 und Abs. 3 StPO die Aufhebung des Urteils zur Folge. Der Rüge liegt im Wesentlichen folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
3In der Hauptverhandlung vom schloss der Angeklagte mit dem Nebenkläger im Adhäsionsverfahren einen Vergleich über die Zahlung von 15.000 €, wobei ein Teilbetrag von 5.000 € am fällig war. Nachdem die Vertreterin der Staatsanwaltschaft und die Verteidiger des Angeklagten an demselben Prozesstag ihre Schlussvorträge gehalten und ihre Anträge gestellt hatten, hatte der Angeklagte das letzte Wort. Am darauffolgenden Sitzungstag, dem , übergab der Angeklagte an den Nebenkläger 5.000 € in bar. Nach Beratung wurde sodann das angefochtene Urteil verkündet, ohne dass dem Angeklagten (erneut) das letzte Wort gewährt wurde.
4Diese Verfahrensweise verstieß gegen § 258 Abs. 2 Halbsatz 2, Abs. 3 StPO.
5Im Falle des Wiedereintritts in die Hauptverhandlung müssen die in § 258 StPO vorgeschriebenen Worterteilungen - mithin auch das letzte Wort des Angeklagten im Sinne des § 258 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO - wiederholt werden. Ein Wiedereintritt in die Hauptverhandlung setzt keinen Gerichtsbeschluss oder eine sonstige ausdrückliche Anordnung voraus, sondern kann auch stillschweigend geschehen. Er liegt insbesondere bei allen Prozesshandlungen vor, die ihrer Natur nach in den Bereich der Beweisaufnahme gehören (vgl. LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 258 Rn. 4 ff., 7). So verhielt es sich hier:
Die sich aus den Urteilsgründen ergebende Feststellung des Landgerichts über die Barzahlung von 5.000 € war ein - selbständiges, nicht nur einen Annex zum Vergleichsschluss darstellendes - zur Beweisaufnahme im "materiellen Sinne" (vgl. LR/Becker, aaO, § 244 Rn. 3) über die Wiedergutmachung des vom Angeklagten angerichteten Schadens gehörendes Prozessgeschehen. Es führte daher - auch ohne eine förmliche Anordnung der Fortsetzung der Beweisaufnahme - zum Wiedereintritt in die Hauptverhandlung und machte eine Wiederholung der in § 258 StPO vorgeschriebenen Worterteilungen einschließlich der Gewährung des letzten Wortes des Angeklagten erforderlich.
6Dieser Rechtsfehler hat die Aufhebung des Strafausspruches zur Folge. Die Nichterteilung des letzten Wortes begründet nicht ausnahmslos die Revision, sondern nur dann, wenn und soweit das Urteil darauf beruht. Dies kann indes nur in besonderen Ausnahmefällen ausgeschlossen werden (vgl. , BGHSt 22, 278, 280 f.; LR/Stuckenberg, aaO, Rn. 60 ff., 69). Vorliegend kann der Senat im Hinblick auf die Beweislage zur Täterschaft des Angeklagten, der diese nach den Gesamtumständen eingeräumt hat, und die Tatsache, dass das nach dem letzten Wort des Angeklagten stattgefundene Prozessgeschehen ausschließlich für die Strafzumessung relevant war, ausschließen, dass der Schuldspruch auf dem Verfahrensverstoß beruht. Dies gilt indes nicht für den Strafausspruch (vgl. , NStZ 1999, 473). Dieser bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
Becker Hubert Schäfer
Mayer Gericke
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JAAAE-71010