EuGH Urteil v. - C-461/12

Auslegung der Steuerbefreiung für Wertpapierumsätze nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der 6. EG-Richtlinie sowie für Finanzdienstleistungen nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der 6. EG-Richtlinie

Leitsatz

Art. 13 Teil B Buchst. d der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass der Verkauf einer Rabattkarte wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden keinen Umsatz darstellt, der "sonstige Wertpapiere" oder "andere Handelspapiere" im Sinne von Nr. 5 bzw. Nr. 3 dieser Vorschrift betrifft, nach der bestimmte Umsätze durch die Mitgliedstaaten von der Mehrwertsteuer zu befreien sind.

Instanzenzug: Gerechtshof 's-Hertogenbosch (Niederlande) - (Verfahrensverlauf),

Entscheidungsgründe:

1Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).

2Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Granton Advertising BV (im Folgenden: Granton Advertising) und dem Inspecteur van de Belastingdienst Haaglanden/kantoor Den Haag (Leiter der Steuerverwaltung Haaglanden/Büro Den Haag, im Folgenden: Inspecteur) über die Mehrwertsteuerpflichtigkeit der von Granton Advertising zwischen 2001 und 2005 durchgeführten Verkäufe von Rabattkarten.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3Titel VIII ("Besteuerungsgrundlage") Art. 11 Teil A ("Im Inland") der Sechsten Richtlinie bestimmt in seinem Abs. 3:

"In die Besteuerungsgrundlage sind nicht einzubeziehen:

...

b) die Rabatte und Rückvergütungen auf den Preis, die dem Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger eingeräumt werden und die er zu dem Zeitpunkt erhält, zu dem der Umsatz bewirkt wird;

..."

4Titel X ("Steuerbefreiungen") Art. 13 ("Steuerbefreiungen im Inland") dieser Richtlinie umfasst die Teile A ("Befreiungen bestimmter dem Gemeinwohl dienender Tätigkeiten"), B ("Sonstige Steuerbefreiungen") und C ("Optionen").

5Art. 13 Teil B dieser Richtlinie sieht vor:

"Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten ... von der Steuer:

...

d) die folgenden Umsätze:

...

3. die Umsätze - einschließlich der Vermittlung - im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren, mit Ausnahme der [Einziehung] von Forderungen,

...

5. die Umsätze - einschließlich der Vermittlung, jedoch mit Ausnahme der Verwahrung und der Verwaltung - die sich auf Aktien, Anteile an Gesellschaften und Vereinigungen, Schuldverschreibungen oder sonstige Wertpapiere beziehen mit Ausnahme von

- Warenpapieren,

- Rechten oder Wertpapieren im Sinne von Artikel 5 Absatz 3,

..."

Niederländisches Recht

6Art. 11 des Mehrwertsteuergesetzes (Wet op de omzetbelasting) vom (Staatsblad 1968, Nr. 329) bestimmt in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung:

"1. Unter den durch Verordnung festzulegenden Voraussetzungen sind von der Steuer befreit:

...

i. folgende Lieferungen und Dienstleistungen:

...

2. die Umsätze - einschließlich der Vermittlung, jedoch mit Ausnahme der Verwahrung und der Verwaltung -, die sich auf Effekten und sonstige Wertpapiere beziehen, mit Ausnahme von Warenpapieren;

...

j. folgende Dienstleistungen:

...

2. die Umsätze - einschließlich der Vermittlung - im Giro- und Kontokorrentverkehr, im Einlagengeschäft, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren, mit Ausnahme der Einziehung von Forderungen;

..."

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

7Der Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits betrifft den Zeitraum von 2001 bis 2005, in dem die Granton Advertising, eine Gesellschaft niederländischen Rechts, die bis zum Granton Marketing BV hieß, als "Granton" bezeichnete Karten ausgab und verkaufte (im Folgenden: Grantoncards). Diese Karten, die den Verbrauchern zu einem Preis zwischen 15 Euro und 25 Euro verkauft wurden, gewährten im Gegenzug bei Händlern und Betrieben wie Restaurants, Kinos, Hotels oder Saunen (im Folgenden: angeschlossene Betriebe), die mit Granton Advertising hierzu eine Vereinbarung abgeschlossen hatten, einen Anspruch auf den Erwerb bzw. die Inanspruchnahme einer bestimmten Anzahl von Waren bzw. Dienstleistungen zu Vorzugsbedingungen. Die Grantoncards waren über Verkaufsstellen zu beziehen, die von Granton Advertising für jede verkaufte Grantoncard eine Vergütung erhielten.

8Aus dem Wortlaut des vom vorlegenden Gericht zitierten Mustervertrags zwischen Granton Advertising und einem angeschlossenen Betrieb geht hervor, dass die angeschlossenen Betriebe durch die Zusammenarbeit mit Granton Advertising das Ziel verfolgten, Kunden für den Erwerb ihrer Waren und Dienstleistungen zu gewinnen. Die angeschlossenen Betriebe verpflichteten sich zu diesem Zweck, die während ihrer Gültigkeitsdauer vorgelegten Grantoncards anzunehmen und die Waren und/oder Dienstleistungen zu liefern, die auf jeder Grantoncard angegeben waren, und zwar bis zu dem auf ihr angegebenen Höchstwert.

9Im Übrigen geht aus dem Mustervertrag hervor, dass Granton Advertising Konzeption, Herstellung, Vertrieb, Absatzförderung und Verkauf der Grantoncards übernahm. Nach Unterzeichnung der Vereinbarung stellte Granton Advertising den angeschlossenen Betrieben für die Grantoncards keinen Betrag in Rechnung und erhielt von diesen auch keine Vergütung.

10Zu den Merkmalen dieser Karten führt das vorlegende Gericht aus, dass jede Grantoncard ihrem Inhaber Anspruch auf einen Preisnachlass bei Bestellungen bei den auf der Karte genannten angeschlossenen Betrieben gab. Der Preisnachlass wurde für die auf der Karte angegebenen Angebote gewährt, wobei diese Angebote unterschiedlicher Natur waren, je nachdem, welche Vereinbarungen der angeschlossene Betrieb mit Granton Advertising getroffen hatte. Diese Preisnachlässe wurden durch Vorlage der Karte, durch Abgabe eines zur Karte gehörenden Coupons oder im Wege eines vom betreffenden angeschlossenen Betrieb auf der Karte anzubringenden Vermerks in Anspruch genommen. Als weiteren Vorteil konnten die Inhaber der Grantoncard häufig auch zwei Einheiten der angebotenen Ware oder Dienstleistung zum Preis von einer erhalten. Im Übrigen waren die Grantoncards so gestaltet, dass der Inhaber bereits beim einmaligen Gebrauch einen Vorteil erzielte. In einer Reihe von Fällen konnte während der Gültigkeitsdauer der Karte, meist sechs Monate, mehrfach oder sogar täglich von dem (den) auf ihr genannten Angebot(en) Gebrauch gemacht werden.

11Die Grantoncards waren des Weiteren nicht personengebunden, sondern übertragbar. Sie konnten allerdings nicht gegen Geld oder Waren eingetauscht werden.

12Im Jahr 2005 führte der Inspecteur bei Granton Advertising eine Buchprüfung durch. In der Annahme, dass der Verkauf der Grantoncards durch dieses Unternehmen einen der Umsatzsteuer unterliegenden Umsatz darstelle, erließ er gegen sie einen Bescheid über die Nacherhebung von Umsatzsteuer. Nach einem von ihr hiergegen eingelegten Einspruch belief sich der mit diesem Nacherhebungsbescheid geforderte Betrag auf 643 567 Euro.

13Granton Advertising ging ihrerseits davon aus, dass der Verkauf von Grantoncards von der Umsatzsteuer befreit sei und erhob gegen diesen Bescheid des Inspecteur Klage bei der Rechtbank Breda (erstinstanzliches Gericht Breda). Die Rechtbank Breda wies ihre Klage allerdings ab, da die Grantoncards ihrer Auffassung nach nicht unter die Begriffe "sonstige Wertpapiere" oder "andere Handelspapiere" im Sinne der Sechsten Richtlinie fielen, insbesondere unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in den sich diese Begriffe in der Richtlinie einfügten, sowie ihres Sinngehalts in der niederländischen Sprache und in anderen Sprachfassungen der Richtlinie. Im Übrigen seien diese Begriffe eng auszulegen.

14Granton Advertising legte gegen dieses Urteil der Rechtbank Breda beim vorlegenden Gericht, dem Gerechtshof 's-Hertogenbosch (Berufungsgericht Herzogenbusch), Berufung ein. Der Gerechtshof nahm an, dass eine umfassendere als die von der Rechtbank Breda gewählte Auslegung der Begriffe "sonstige Wertpapiere" und "andere Handelspapiere" in Betracht gezogen werden könne. Er stellt allerdings fest, dass weder die parlamentarische Entstehungsgeschichte noch das Schrifttum, noch die bestehende Rechtsprechung es erlaubten, die Tragweite dieser Begriffe in einem Zusammenhang wie dem des Ausgangsverfahrens zu bestimmen.

15Unter diesen Voraussetzungen hat der Gerechtshof 's-Hertogenbosch beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist der Ausdruck "sonstige Wertpapiere" in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass er eine Grantoncard erfasst, bei der es sich um eine übertragbare Karte handelt, die zur (teilweisen) Bezahlung für Waren und Dienstleistungen verwendet wird, und, wenn ja, sind dann die Ausgabe und der Verkauf einer solchen Karte von der Umsatzsteuer befreit?

2. Wenn dies nicht der Fall ist, ist dann der Ausdruck "andere Handelspapiere" in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass er eine Grantoncard erfasst, bei der es sich um eine übertragbare Karte handelt, die zur (teilweisen) Bezahlung für Waren und Dienstleistungen verwendet wird, und, wenn ja, sind dann die Ausgabe und der Verkauf einer solchen Karte von der Umsatzsteuer befreit?

3. Ist es, falls eine Grantoncard ein "sonstiges Wertpapier" oder ein "anderes Handelspapier" im vorbezeichneten Sinne darstellt, für die Frage, ob deren Ausgabe und Verkauf von der Umsatzsteuer befreit sind, von Bedeutung, dass bei Verwendung dieser Karte die Erhebung der Steuer (auf einen verhältnismäßigen Teil des) für sie entrichteten Entgelts praktisch illusorisch ist?

Zu den Vorlagefragen

16Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 13 Teil B Buchst. d der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass der Verkauf einer Rabattkarte wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden einen Umsatz darstellt, der "sonstige Wertpapiere" oder "andere Handelspapiere" im Sinne von Nr. 5 bzw. Nr. 3 dieser Vorschrift betrifft, nach der bestimmte Umsätze durch die Mitgliedstaaten von der Mehrwertsteuer zu befreien sind.

Vorbemerkungen

17Die Frage der Mehrwertsteuerpflichtigkeit der Grantoncards und die etwaige Berechnung dieser Steuer hängen von den rechtlichen und wirtschaftlichen Merkmalen dieser Karten ab (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Deutschland, C-427/98, EU:C:2002:581, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung). Da sich die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen insbesondere auf eine eventuelle Steuerbefreiung des Umsatzes aus dem Verkauf dieser Karten beziehen, ist im Vorfeld zunächst zu klären, unter welchen Bedingungen diese Karten vermarktet werden, da diese Gesichtspunkte die Ermittlung des steuerpflichtigen Umsatzes und die Beurteilung seiner Art beeinflussen.

18Aus der Vorlageentscheidung geht hierzu hervor, dass der Inhaber einer Grantoncard die von den angeschlossenen Betrieben angebotenen Waren und Dienstleistungen zu den zwischen diesen Betrieben und Granton Advertising vereinbarten Vorzugsbedingungen erhalten kann, zu denen insbesondere Preisnachlässe gehören. Während eine Grantoncard nach dem Wortlaut der Vorlagefragen "zur (teilweisen) Bezahlung" von Warenlieferungen und der Erbringung von Dienstleistungen "verwendet" wird, zeigt sich auf der Grundlage weiterer in der Vorlageentscheidung enthaltener Anhaltspunkte, dass der angeschlossene Betrieb auf Vorlage dieser Karte durch ihren Inhaber konkret auf die Geltendmachung eines Teils des üblichen Preises verzichtet, so dass der Inhaber in Höhe dieses Preisnachlasses keine Zahlung leistet.

19Der Umstand, dass der angeschlossene Betrieb in den Verzicht auf die Vereinnahmung des Betrags einwilligt, der dem nach diesen Vorzugsbedingungen erhaltenen Preisnachlass entspricht, stellt ? wie auch die Europäische Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen vorgetragen hat ? einen Rabatt im Sinne des Art. 11 Teil A Abs. 3 Buchst. b der Sechsten Richtlinie dar. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bildet ein solcher Rabatt, der nicht in die Besteuerungsgrundlage des in Rede stehenden Umsatzes einzubeziehen ist, namentlich den Unterschied zwischen dem gewöhnlichen Einzelhandelspreis und dem von dem Einzelhändler tatsächlich erhaltenen Geldbetrag (vgl. in diesem Sinne Urteile Boots Company, C-126/88, EU:C:1990:136, Rn. 22, und Argos Distributors, C-288/94, EU:C:1996:398, Rn. 16).

20Zur Besteuerungsgrundlage des im Verkauf der Grantoncards bestehenden Umsatzes ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass die von den Verbrauchern für den Erwerb einer Grantoncard an Granton Advertising gezahlten Beträge nicht so verstanden werden können, als seien sie mittelbar der Gegenwert oder ein Teil desselben der Leistungen, die diese Verbraucher später bei den angeschlossenen Betrieben in Anspruch nehmen können. Es besteht nämlich kein hinreichend unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem von diesen Verbrauchern für den Erhalt der Grantoncard gezahlten Betrag und den von ihnen bei den angeschlossenen Betrieben gegebenenfalls erhaltenen Waren oder Dienstleistungen (vgl. in diesem Sinne Urteile Coöperatieve Aardappelenbewaarplaats, 154/80, EU:C:1981:38, Rn. 12, und Hotel Scandic Gåsabäck, C-412/03, EU:C:2005:47, Rn. 22).

21Abgesehen davon, dass zwischen den Inhabern der Grantoncards und den angeschlossenen Betrieben kein Vertrag besteht und dass diese Betriebe keinen Anteil an den von Granton Advertising aus dem Verkauf der Karten erlösten Einnahmen erhalten, besteht zudem kein zwingender Zusammenhang zwischen der Zahlung des Verbrauchers an Granton Advertising für den Erhalt einer Grantoncard und dem Wert der Preisnachlässe, die dieselben Verbraucher gegebenenfalls bei den angeschlossenen Betrieben erhalten. Die Höhe der eventuellen Preisnachlässe, die insbesondere vom Einsatz dieser Karte sowie von der Verfügbarkeit der Angebote bei den angeschlossenen Betrieben abhängt, ist zufällig und kann im Voraus praktisch nicht bestimmt werden (vgl. entsprechend Urteil Lebara, C-520/10, EU:C:2012:264, Rn. 38).

22Dementsprechend ist erstens davon auszugehen, dass die Verwendung einer Grantoncard entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts keine "Zahlung" im Sinne der Sechsten Richtlinie sein kann, da es tatsächlich um einen Preisnachlass geht, zweitens, dass die von den angeschlossenen Betrieben gewährten Preisnachlässe nicht in der Besteuerungsgrundlage der zwischen diesen Betrieben und den Inhabern einer Grantoncard gegebenenfalls bewirkten Umsätze enthalten sind und drittens, dass die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen insbesondere der Feststellung dienen, ob der im Verkauf von Grantoncards an Verbraucher bestehende Umsatz - unabhängig von anderen gegebenenfalls zwischen den gleichen Verbrauchern und den angeschlossenen Betrieben getätigten Geschäften - von der Mehrwertsteuer befreit werden muss oder nicht.

Zur Steuerbefreiung des im Verkauf von Grantoncards bestehenden Umsatzes

23Zur Frage, ob es angezeigt ist, den im Verkauf von Grantoncards bestehenden Umsatz von der Mehrwertsteuer zu befreien oder nicht, ist festzustellen, ob diese Rabattkarten unter die Begriffe "sonstige Wertpapiere" bzw. "andere Handelspapiere" in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 bzw. Nr. 3 der Sechsten Richtlinie fallen.

24Sämtliche Beteiligten, die beim Gerichtshof schriftliche Erklärungen eingereicht haben, nämlich die niederländische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Europäische Kommission, sind der Meinung, dass Rabattkarten wie die Grantoncards nicht unter diese Begriffe fallen und ihr Verkauf daher keinen von der Mehrwertsteuer befreiten Umsatz darstellt.

25Es ist darauf hinzuweisen, dass Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach Art. 13 der Sechsten Richtlinie umschrieben sind, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs autonome unionsrechtliche Begriffe sind, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems verhindern sollen (Urteil Nordea Pankki Suomi, C-350/10, EU:C:2011:532, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung), und dass diese Begriffe eng auszulegen sind, da diese Steuerbefreiungen Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt (Urteile Stichting Uitvoering Financiële Acties, 348/87, EU:C:1989:246, Rn. 13, und Skandinaviska Enskilda Banken, C-540/09, EU:C:2011:137, Rn. 20).

26Um zu bestimmen, ob Rabattkarten wie die Grantoncards entweder unter den Begriff "sonstige Wertpapiere" oder unter den Begriff "andere Handelspapiere" im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d der Sechsten Richtlinie fallen, sind insbesondere der Wortlaut dieser Vorschrift, der Zusammenhang, in den sich diese Begriffe einfügen, und das Ziel der von ihr vorgesehenen Steuerbefreiung zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteile Merck, 292/82, EU:C:1983:335, Rn. 12, ebookers.com Deutschland, C-112/11, EU:C:2012:487, Rn. 12, und RVS Levensverzekeringen, C-243/11, EU:C:2013:85, Rn. 23).

Zur Frage, ob die Grantoncards unter den Begriff "sonstige Wertpapiere" fallen

27Zum Wortlaut der Vorschrift über die in Rede stehende Steuerbefreiung ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Sechsten Richtlinie u. a. die Umsätze von der Steuer befreien, die sich auf "Aktien, Anteile an Gesellschaften und Vereinigungen, Schuldverschreibungen oder sonstige Wertpapiere" beziehen. Auch wenn diese Steuerbefreiung somit speziell zum einen nur Wertpapiere, die ein Eigentumsrecht an juristischen Personen begründen, und zum anderen Schuldverschreibungen betrifft, sind die unter diese Vorschrift fallenden "sonstigen Wertpapiere" dennoch zumindest auch als "Wertpapiere" anzusehen. Demnach müssen sie ihrer Art nach mit den in dieser Vorschrift speziell genannten Wertpapieren vergleichbar sein.

28Diese Feststellung wird durch die Wertpapiere bestätigt, die ausdrücklich von der Steuerbefreiung nach dieser Vorschrift ausgenommen sind, nämlich Warenpapiere sowie Anteilrechte und Aktien, deren Besitz rechtlich oder tatsächlich das Eigentums- oder Nutzungsrecht an einem Grundstück oder Grundstücksteil begründet, solange Letztere durch den Mitgliedstaat nach Art. 5 Abs. 3 Buchst. c der Sechsten Richtlinie als körperliche Gegenstände betrachtet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil DTZ Zadelhoff, C-259/11, EU:C:2012:423, Rn. 42). Die Art der Letztgenannten als "Wertpapiere", und zwar als solche, die insbesondere Eigentumsrechte an beweglichen oder unbeweglichen Gegenständen abbilden, stellt nämlich - ungeachtet ihres Ausschlusses von der Steuerbefreiung nach dieser Vorschrift - einen Anhaltspunkt dafür dar, was unter "Wertpapier" im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Sechsten Richtlinie zu verstehen ist.

29Zum Zusammenhang dieser Vorschrift ist auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu verweisen, nach der die aufgrund von Art. 13 Teil B Buchst. d der Sechsten Richtlinie von der Mehrwertsteuer befreiten Umsätze ihrer Art nach Finanzgeschäfte sind. Obwohl solche Umsätze, die durch die Art der erbrachten Dienstleistungen definiert werden, nicht notwendigerweise von Banken oder Finanzinstituten getätigt werden müssen, fallen sie dennoch in ihrer Gesamtheit in den Bereich der Finanzgeschäfte (vgl. in diesem Sinne Urteil Velvet & Steel Immobilien, C-455/05, EU:C:2007:232, Rn. 21 und 22 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

30Was die Ziele dieser Vorschrift angeht, besteht der Zweck der Mehrwertsteuerbefreiung der in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Sechsten Richtlinie aufgeführten Finanzgeschäfte nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs insbesondere darin, die Schwierigkeiten, die mit der Bestimmung der Bemessungsgrundlage und der Höhe der abzugsfähigen Mehrwertsteuer verbunden sind, zu vermeiden (Urteile Velvet & Steel Immobilien, EU:C:2007:232, Rn. 24, und Skandinaviska Enskilda Banken, EU:C:2011:137, Rn. 21).

31Hinsichtlich der Frage, ob im vorliegenden Fall eine Rabattkarte wie die Grantoncard als "sonstiges Wertpapier" im Sinne des Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Sechsten Richtlinie anzusehen ist, ist zunächst hervorzuheben, dass ein Verbraucher, wenn er eine solche Karte kauft, weder ein Eigentumsrecht an der Gesellschaft Granton Advertising noch eine Forderung gegen dieses Unternehmen, noch im Übrigen irgendein mit diesen Rechten in Zusammenhang stehendes Recht erwirbt. Die Grantoncard zeichnet sich nämlich dadurch aus, dass sie ihrem Inhaber lediglich ein Recht verleiht, von den angeschlossenen Betrieben angebotene Preisnachlässe auf Waren und Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.

32Des Weiteren geht aus einer Untersuchung der grundlegenden Merkmale der Grantoncard, wie sie der dem Gerichtshof übersandten Akte zu entnehmen sind, hervor, dass diese keinen Nennwert besitzt und auch bei den angeschlossenen Betrieben nicht gegen Geld oder Waren getauscht werden kann. Unter diesen Umständen stellt der Verkauf einer solchen Karte an Verbraucher seiner Art nach kein Finanzgeschäft im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 13 Teil B Buchst. d der Sechsten Richtlinie dar (vgl. in diesem Sinne Urteile Velvet & Steel Immobilien, EU:C:2007:232, Rn. 22 und 23, und Nordea Pankki Suomi, EU:C:2011:532, Rn. 24 bis 27).

33Dass schließlich die Besteuerungsgrundlage des steuerpflichtigen Umsatzes der Gegenleistung entspricht, die die Verbraucher für den Erwerb der Grantoncards bezahlen, kann die Berechnung der Mehrwertsteuer auf dieser Grundlage keine besonderen Schwierigkeiten hervorrufen.

34Da die Steuerbefreiungen nach Art. 13 Teil B Buchst. d der Sechsten Richtlinie, wie in Rn. 25 des vorliegenden Urteils ausgeführt, eng auszulegen sind, ist festzustellen, dass Rabattkarten wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht unter den Begriff "sonstige Wertpapiere" im Sinne des Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 dieser Richtlinie fallen.

Zur Frage, ob die Grantoncards unter den Begriff "andere Handelspapiere" fallen

35Nach dem Wortlaut des Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Sechsten Richtlinie befreien die Mitgliedstaaten namentlich Umsätze "im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren" von der Steuer.

36Wie in Rn. 29 des vorliegenden Urteils zum Begriff "sonstige Wertpapiere" im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Sechsten Richtlinie festgestellt worden ist, ist davon auszugehen, dass die nach Nr. 3 dieser Vorschrift steuerbefreiten Umsätze ebenfalls in den Bereich der Finanzgeschäfte fallen (vgl. in diesem Sinne Urteil Velvet & Steel Immobilien, EU:C:2007:232, Rn. 22).

37Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Sechsten Richtlinie betrifft u. a. Zahlungsmittel wie Schecks. Wie in den Rn. 18 und 31 des vorliegenden Urteils ausgeführt, stellen Grantoncards, auch wenn sie einen Anspruch auf Preisnachlässe verschaffen, selbst jedoch kein Zahlungsmittel im Sinne dieser Richtlinie dar. Wie auch die Regierung des Vereinigten Königreichs vorgetragen hat, führt die Funktionsweise solcher Karten, auch wenn sie übertragbar und zu einem bestimmten Preis weiterverkäuflich sind, im Gegensatz zu Zahlungen, Überweisungen und Schecks insbesondere nicht zu einem Geldtransfer.

38Unter diesen Bedingungen und vor dem Hintergrund, dass die Steuerbefreiungen nach Art. 13 Teil B Buchst. d der Sechsten Richtlinie, wie in Rn. 25 des vorliegenden Urteils in Erinnerung gerufen worden ist, eng auszulegen sind, ist davon auszugehen, dass Rabattkarten wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht unter den Begriff "andere Handelspapiere" im Sinne des Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Sechsten Richtlinie fallen.

39Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 13 Teil B Buchst. d der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass der Verkauf einer Rabattkarte wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden keinen Umsatz darstellt, der "sonstige Wertpapiere" oder "andere Handelspapiere" im Sinne von Nr. 5 bzw. Nr. 3 dieser Vorschrift betrifft, nach der bestimmte Umsätze durch die Mitgliedstaaten von der Mehrwertsteuer zu befreien sind.

Kosten

40Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 13 Teil B Buchst. d der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass der Verkauf einer Rabattkarte wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden keinen Umsatz darstellt, der "sonstige Wertpapiere" oder "andere Handelspapiere" im Sinne von Nr. 5 bzw. Nr. 3 dieser Vorschrift betrifft, nach der bestimmte Umsätze durch die Mitgliedstaaten von der Mehrwertsteuer zu befreien sind.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
DStR 2014 S. 12 Nr. 25
HAAAE-67737