BGH Beschluss v. - VII ZR 187/13

Instanzenzug:

Gründe

I.

1 Die Parteien machen wechselseitig Ansprüche aus einem inzwischen beendeten Handelsvertretervertrag geltend.

2 Der Kläger war für die Beklagte seit dem als Handelsvertreter tätig und leitete zuletzt die Direktion 682. Dem Kläger waren 17 Vermögensberater unmittelbar zu- bzw. untergeordnet. Mit Schreiben vom kündigte die Beklagte das Handelsvertreterverhältnis mit dem Kläger fristlos aus wichtigem Grund; die Direktion 682 wurde aufgelöst.

3 Gegenstand der Klage ist die Zahlung eines in einer Provisionsabrechnung als Saldo ausgewiesenen Betrags in Höhe von 7.088,92 €, die Zahlung eines so genannten Büroorganisationsleistungszuschusses in Höhe von 22.380 €, die Erteilung eines Buchauszugs, die Abrechnung des Provisionskontos, die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten und die Aushändigung von Prüfberichten. Die Beklagte hat im Wege der Widerklage die Feststellung der Verpflichtung des Klägers zum Ersatz aller Schäden begehrt, die der Beklagten aufgrund der ausgesprochenen fristlosen Kündigung entstanden sind.

4 Das Landgericht hat der Klage, von im Wege der Stufenklage geltend gemachten Zahlungsansprüchen abgesehen, stattgegeben. Insbesondere hat das Landgericht die Beklagte zur Erteilung eines Buchauszugs betreffend den Zeitraum bis verurteilt. Die Widerklage hat das Landgericht abgewiesen. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten, die ihren Klageabweisungsantrag und ihre gegen den Kläger gerichtete Widerklage weiterverfolgt.

II.

5 1. Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts beruht, soweit die Verurteilung der Beklagten zur Erteilung eines Buchauszugs (Nr. 2 der Urteilsformel des landgerichtlichen Urteils) vom Berufungsgericht bestätigt worden ist, auf einer Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör.

6 a) Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht bei der Bestätigung der genannten Verurteilung entscheidungserhebliches Vorbringen der Beklagten unter Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) außer Acht gelassen hat. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt voraus, dass im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Berufungsgericht in den Gründen des Berufungsurteils auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage nicht ein, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. , WuM 2011, 300 Rn. 3; Beschluss vom - I ZB 85/11, GRUR 2013, 1046 Rn. 11 - Variable Bildmarke; BVerfG, NJW 2009, 1584 Rn. 14 m.w.N.).

7 b) Nach diesen Maßstäben ist Art. 103 Abs. 1 GG hier verletzt. Den Gründen des Berufungsurteils ist nicht zu entnehmen, dass sich das Berufungsgericht mit dem Einwand der Beklagten, sie habe den Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs erfüllt, befasst und das betreffende Vorbringen bei der Entscheidung erwogen hat. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom geltend gemacht, sie habe den Bevollmächtigten des Klägers während des Berufungsverfahrens insgesamt 15 CD-ROMs übersandt, die nach ihrer Behauptung sämtliche gegenüber den früheren Partnern des Klägers abgerechneten Geschäfte abbilden; hierdurch sei Erfüllung des genannten Anspruchs eingetreten. Eine Verbescheidung dieses Erfüllungseinwands ist den Gründen des Berufungsurteils nicht zu entnehmen.

8 c) Auf dieser Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör kann das angefochtene Urteil, soweit die Verurteilung zur Erteilung eines Buchauszugs vom Berufungsgericht bestätigt worden ist, auch beruhen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht, wenn es das den Erfüllungseinwand stützende Vorbringen bei der Entscheidung erwogen hätte, zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass bezüglich des Anspruchs auf Erteilung eines Buchauszugs aufgrund der übersandten 15 CD-ROMs Erfüllung oder jedenfalls Teilerfüllung eingetreten ist (vgl. , VersR 1964, 429, 430; Urteil vom - I ZR 171/79, WM 1982, 152, 153).

9 2. Danach ist das angefochtene Urteil im tenorierten Umfang aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

10 Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

11 a) Die Nichtzulassungsbeschwerde macht geltend, es hätte keine Verurteilung zur Abrechnung und zur Erteilung eines Buchauszugs erfolgen dürfen. Im Ausgangspunkt zutreffend weist sie darauf hin, dass ein Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs grundsätzlich nicht besteht, solange der Unternehmer nicht abgerechnet hat (vgl. MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, 3. Aufl., § 87c Rn. 43; Oetker/Busche, HGB, 3. Aufl., § 87c Rn. 16; Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 87c Rn. 18 m.w.N.). Das Landgericht hat allerdings, wie sich aus Seite 16 seines Urteils ergibt, den vom Kläger gestellten Antrag Nr. 2 a) dahin verstanden, dass der Wendung "gegenüber dem Kläger abzurechnen" angesichts der begehrten Erteilung des Buchauszugs keine eigenständige Bedeutung zukommt. Für das Berufungsgericht, das vollumfänglich auf die Ausführungen im Urteil des Landgerichts Bezug genommen hat, gilt Entsprechendes. Dem Kläger ist im weiteren Verfahren Gelegenheit zu geben klarzustellen, ob der Antrag in diesem Sinne zu verstehen ist.

12 b) Ohne Erfolg macht die Nichtzulassungsbeschwerde geltend, das Berufungsgericht habe, soweit es die Verurteilung zur Erteilung eines Buchauszugs bestätigt hat, ein unzulässiges Teilurteil erlassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde führt insoweit aus, der Kläger habe - nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils - die Klage beim Landgericht erweitert und die Erteilung eines Buchauszugs auch für den Zeitraum vom bis beansprucht; da die Widerspruchsfreiheit nicht gewährleistet sei, habe das Berufungsgericht nicht lediglich über den Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Buchauszugs für das zweite Halbjahr 2008 entscheiden dürfen.

13 Grundsätzlich darf allerdings ein Teilurteil auch bei subjektiver oder objektiver Klagehäufung oder grundsätzlicher Teilbarkeit des Streitgegenstands nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen - auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - ausgeschlossen ist (st. Rspr.; vgl. , NJW-RR 2011, 189 Rn. 21 m.w.N.). Eine solche Gefahr besteht bei einer Mehrheit selbständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen ihnen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt sind (vgl. , aaO, Rn. 22 m.w.N.).

14 Im Streitfall ist indes ein etwaiger Widerspruch zwischen der Entscheidung über den Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs betreffend den Zeitraum bis im vorliegenden Verfahren und der späteren Entscheidung über den Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs betreffend den Zeitraum bis angesichts der Besonderheit der prozessualen Situation hinzunehmen. Die genannte Klageerweiterung ist vom Kläger erst nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils beim Landgericht anhängig gemacht worden. Mit Beschluss vom hat das Landgericht bezüglich dieser Klageerweiterung - im Einvernehmen mit den Parteien - das Ruhen des Verfahrens angeordnet, soweit dieses nicht bereits Gegenstand des Berufungsverfahrens war. Die genannte Klageerweiterung ist beim Berufungsgericht nicht angefallen. Das Berufungsgericht hatte und hat auch keine Möglichkeit, die Klageerweiterung ohne Zustimmung der Parteien an sich zu ziehen.

15 c) Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, sich mit den weiteren Rügen der Nichtzulassungsbeschwerde auf Seite 20 der Beschwerdebegründung unter II. 3. c) zu befassen.

16 3. Soweit die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem angefochtenen Urteil des Berufungsgerichts im Übrigen zurückgewiesen worden ist, wird von einer Begründung abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
VAAAE-67313