BFH Urteil v. - I R 53/12

Nicht jeder Kursverlust bei Fremdwährungskrediten berechtigt zur Annahme einer voraussichtlich dauerhaften Wertveränderung

Leitsatz

1. Fremdwährungsverbindlichkeiten sind grundsätzlich mit dem Kurs im Zeitpunkt der Darlehensaufnahme zu bilanzieren und bei Krediten mit einer Restlaufzeit von zumindest zehn Jahren berechtigt nicht jeder Kursverlust zur Annahme einer voraussichtlich dauerhaften Wertveränderung. Ein solcher Währungsverlust kann auch kein Anlass dafür sein, die Kreditschuld steuerbilanziell mit einem höheren Wert auszuweisen. Dies gilt auch bei Aufnahme von Fremdwährungsdarlehen durch die Tochtergesellschaft und Geltendmachung einer Teilwertabschreibung auf ihre Beteiligung an der Tochtergesellschaft wegen veränderter Wechselkurse durch die Muttergesellschaft.
2. Eine Teilwertabschreibung auf die Beteiligung an einer nicht börsennotierten Kapitalgesellschaft setzt - vom Vorliegen einer Fehlmaßnahme abgesehen - voraus, dass sich der innere Wert des Beteiligungsunternehmens vermindert hat. Letzteres kann nicht allein durch den Anfall hoher Verluste begründet werden, sondern erfordert eine umfassende und einzelfallbezogene Würdigung der Ertragslage und Ertragsaussichten sowie des Vermögenswerts und der funktionalen Bedeutung des Beteiligungsunternehmens.

Gesetze: EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, ist Gesamtrechtsnachfolgerin der X-AG. In der auf den erstellten Bilanz wies die X-AG im Anlagevermögen ihre 100 %-ige Beteiligung an der X-GmbH mit den Anschaffungskosten von insgesamt 1.056.000 DM aus; hiervon entfielen 51.000 DM auf das Stammkapital der X-GmbH sowie 1 Mio. DM auf die im Jahre 1999 in deren Vermögen eingezahlte Kapitalrücklage. Im selben Jahr hatte die X-GmbH im Inland belegene Gewerbeimmobilien mittels Fremdwährungsdarlehen erworben, die in den Jahren 2019 und 2024 in Schweizer Franken (CHF) zu tilgen waren. Angesichts des steigenden Wechselkurses des Schweizer Franken —im Vergleich zum Jahresschluss 1999 (Euro-Referenzkurs der Europäischen Zentralbank: 1 € = 1,6051 CHF) ergab sich zum Ende des Streitjahres (2000; Euro-Referenzkurs: 1 € = 1,5232 CHF) eine Aufwertung von ca. 5,4 %— wies die X-GmbH in ihrer Bilanz zum einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 2.726.556,31 DM aus, der auf der Höherbewertung ihrer Darlehensverbindlichkeiten (Verlust: 3.163.035,18 DM) gründete.

2 In dem zum erstellten Jahresabschluss schrieb die X-AG die Beteiligung an der X-GmbH auf den Restwert von 1 DM ab, da die Fremdwährungsverluste die bilanzielle Überschuldung der X-GmbH und damit einen entsprechenden Verlust des Teilwerts ihrer Beteiligung zur Folge gehabt hätte.

3 Mit Körperschaftsteuerbescheid 2000 erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) die Teilwertabschreibung nicht an.

4 Die dagegen gerichtete Klage wurde vom Finanzgericht (FG) abgewiesen (Urteil des Schleswig-Holsteinischen , Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 499).

5 Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben sowie den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid unter Berücksichtigung einer Teilwertabschreibung in Höhe von 1.055.999 DM abzuändern.

6 Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

7 II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Beteiligung der X-AG an der X-GmbH in der zum erstellten Bilanz mit ihren Anschaffungskosten auszuweisen und eine Teilwertabschreibung ausgeschlossen war.

8 1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) —EStG 1997 n.F.— sind nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens im Grundsatz mit ihren Anschaffungs- oder Hestellungskosten anzusetzen. Jedoch kann für solche Wirtschaftsgüter gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 n.F. der Teilwert angesetzt werden, wenn dieser aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger ist. Beide Regelungen und damit auch die Anforderungen an die steuerrechtliche Berücksichtigung einer Teilwertabschreibung sind nach § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 1999 auch für die gegenüber der Klägerin festzusetzende Körperschaftsteuer zu beachten.

9 2. Eine voraussichtlich dauernde Wertminderung i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 n.F. liegt vor, wenn der Teilwert nachhaltig unter den maßgeblichen Buchwert gesunken ist (BTDrucks 14/443, S. 22; , BFH/NV 1987, 442) und deshalb aus Sicht des Bilanzstichtags aufgrund objektiver Anzeichen ernstlich mit einem langfristigen Anhalten der Wertminderung gerechnet werden muss (Senatsurteil vom I R 123/73, BFHE 114, 415, BStBl II 1975, 294). Hierfür bedarf es einer an der Eigenart des Wirtschaftsgutes ausgerichteten Prognose (Senatsurteil vom I R 22/05, BFHE 212, 526, BStBl II 2006, 680).

10 a) Der Senat kann offen lassen, ob im Streitfall die Klage bereits deshalb keinen Erfolg haben kann, weil eine Teilwertabschreibung auf die Beteiligung an einer nicht börsennotierten Kapitalgesellschaft —vom Vorliegen einer Fehlmaßnahme abgesehen— voraussetzt, dass sich der innere Wert des Beteiligungsunternehmens vermindert hat, und Letzteres nicht allein durch den Anfall hoher Verluste begründet werden kann, sondern einer umfassenden und einzelfallbezogenen Würdigung der Ertragslage und Ertragsaussichten sowie des Vermögenswerts und der funktionalen Bedeutung des Beteiligungsunternehmens erfordert (ständige Rechtsprechung; z.B. , BFHE 204, 438, BStBl II 2004, 416; Senatsurteil vom I R 20/03, BFH/NV 2005, 19, jeweils m.w.N.; zur Einzelfallprüfung s. , BFH/NV 2010, 610; zur Teilwertabschreibung auf börsennotierte Aktien sowie Aktienfonds s. , BFHE 235, 263, und I R 7/11, BFHE 235, 273).

11 b) Hierauf ist deshalb nicht einzugehen, weil nach der Rechtsprechung des , BFHE 224, 564, BStBl II 2009, 778) Fremdwährungsverbindlichkeiten grundsätzlich mit dem Kurs im Zeitpunkt der Darlehensaufnahme zu bilanzieren sind und bei Krediten mit einer Restlaufzeit von zumindest zehn Jahren nicht jeder Kursverlust zur Annahme einer voraussichtlich dauerhaften Wertveränderung berechtigt; ein solcher Währungsverlust kann deshalb auch kein Anlass dafür sein, die Kreditschuld steuerbilanziell mit einem höheren Wert auszuweisen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 n.F.). Der erkennende Senat hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen und hierbei darauf hingewiesen, dass im Zusammenhang mit Verbindlichkeiten deren gesamte Laufzeit zu betrachten ist (Senatsurteil vom I R 98/10, BFHE 234, 137, BStBl II 2012, 716; vgl. auch Senatsurteil in BFHE 235, 263).

12 c) Hieran ist auch für den Streitfall mit der Folge festzuhalten, dass eine Höherbewertung der Fremdwährungsverbindlichkeiten, die erst in den Jahren 2019 und 2024 zurückzuzahlen waren, aufgrund des Kursanstiegs des Schweizer Franken in der Steuerbilanz der X-GmbH zum bei einer zutreffenden Beurteilung der materiellen Rechtslage nicht hätte anerkannt werden dürfen. Demgemäß war die Kursveränderung zum Ende des Streitjahres (2000) auch nicht geeignet, eine Teilwertabschreibung wegen einer voraussichtlich dauernden Minderung der in der Bilanz der X-AG ausgewiesenen Beteiligung an ihrer Tochtergesellschaft (X-GmbH) zu rechtfertigen. Ob —was nach den tatsächlichen Feststellungen des FG sowie dem Vortrag der Beteiligten naheliegend erscheint— der Kursgewinn des Schweizer Franken tatsächlich die Körperschaftsteuer 2000 der X-GmbH gemindert hat, ist für den Bilanzausweis der Beteiligung bei der X-AG unerheblich. Abgesehen davon, dass es sich bei der Fremdwährungsverbindlichkeit der X-GmbH und der Beteiligung der X-AG um zwei Wirtschaftsgüter gehandelt hat, besteht jedenfalls weder eine materiell-rechtliche noch eine verfahrensrechtliche Bindung des Beteiligungsausweises an die —möglicherweise fehlerhafte— bilanzielle Behandlung auf der Stufe des Beteiligungsunternehmens (X-GmbH). Maßgeblich ist deshalb die zutreffende und vorstehend erläuterte materielle Rechtslage, nach der im Rahmen der gebotenen steuerrechtlichen Betrachtung (s. hierzu , BFHE 219, 100, BStBl II 2009, 294; in BFHE 235, 263) die Wechselkursänderungen im Streitfall keine voraussichtlich dauernde Wertminderung des Beteiligungsausweises tragen können.

13 d) Die hiergegen erhobenen Einwände der Klägerin führen zu keiner anderen Beurteilung.

14 aa) Der Hinweis darauf, dass die dem Streitjahr zugrunde liegende Bilanz erst nach den Anschlägen vom erstellt worden sei und zu einer fundamentalen Änderung der ökonomischen Erwartungen geführt habe, geht fehl. Zwar hat —wie erläutert— der BFH bisher noch nicht dazu Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise von einer dauerhaften Währungskursveränderung auszugehen ist. Auch im Streitfall bedarf dies keiner Erörterung, weil es sich bei den Anschlägen —bezogen auf die Verhältnisse zum Bilanzstichtag ()— nicht um wertaufhellende, sondern um später eingetretene und damit unbeachtliche Umstände handelt. Hinzu kommt, dass am die gesetzliche Frist für die Aufstellung des Jahresabschlusses der X-AG verstrichen (vgl. § 264 Abs. 1 Satz 3 und 4 des Handelsgesetzbuches) und damit auch der sog. Wertaufhellungszeitraum abgelaufen war (Senatsbeschluss vom I B 27/12, BFH/NV 2013, 545, m.w.N.).

15 bb) Ebenso wenig greift der Hinweis darauf durch, dass sich in Folge des Kursanstiegs des Schweizer Franken der Gesellschafter der X-AG für die Fremdwährungsverbindlichkeiten der X-GmbH verbürgt habe. Abgesehen davon, dass eine solche Sicherung für das funktionale Gewicht und damit den inneren Wert der Beteiligung an der X-GmbH spricht, lässt der Einwand außer Acht, dass der Anspruch auf eine Nachsicherung der Kreditgeber Gegenstand der vertraglichen Vereinbarungen war und die Sicherungsansprüche nach den Feststellungen der Vorinstanz bereits dann bestanden, wenn der Kurs des Schweizer Franken bezogen auf die Verhältnisse der Darlehensaufnahme um zumindest 5 % steigt. Letzterem kann indes im Rahmen des steuerrechtlichen Teilwertausweises keine Bedeutung beigemessen werden, da hierfür —d.h. bei der Frage einer voraussichtlich dauernden Wertveränderung i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 n.F.— nicht die einzelvertraglichen Sicherungsabreden maßgebend sind, sondern von dem Grundsatz auszugehen ist, dass bei langfristigen Darlehen Wechselkursschwankungen regelmäßig nicht mit der Annahme einer voraussichtlich dauerhaften Veränderung der Fremdwährungsschuld verbunden sind.

16 3. Die Sache ist spruchreif. Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen; die Revision der Klägerin ist demnach zurückzuweisen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2014 S. 1016 Nr. 7
HFR 2014 S. 1046 Nr. 12
StuB-Bilanzreport Nr. 13/2014 S. 499
KAAAE-64995