BGH Beschluss v. - VII ZR 277/12

Architektenhonorarprozess: Verletzung rechtlichen Gehörs bei Nichtbeachtung von Parteivorbringen zu erbrachten isolierten Besonderen Leistungen

Gesetze: § 126 BGB, Art 103 Abs 1 GG, § 2 Abs 3 S 2 AIHonO vom , § 5 Abs 4 AIHonO vom , § 15 Abs 2 AIHonO vom

Instanzenzug: Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Az: 2 U 34/08vorgehend Az: 13 O 383/03

Gründe

I.

1Die Klägerin verlangt mit der Klage ihr angeblich zustehendes restliches Honorar aus Architektenleistungen aus Verträgen von 1999 und 2001 im Umfang von ursprünglich 581.351,52 €. Die Beklagte verlangt widerklagend Schadensersatz wegen mangelhafter Planungsleistungen der Klägerin in Höhe von 495.000 €.

2Das Landgericht hat der Klage im Umfang von 286.439,43 € stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben sich beide Parteien mit der Berufung gewandt. Das Berufungsgericht hat durch Teilurteil über den Grund und Zwischenfeststellungsurteil die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage im Umfang von weiteren 200.618,52 € ("Zusatzleistungen") abgewiesen und den mit der Widerklage geltend gemachten Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen.

3Mit der Nichtzulassungsbeschwerde wendet sich die Klägerin gegen das Berufungsurteil. Sie greift dieses unter anderem an, soweit das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil betreffend "Zusatzleistungen" im Umfang von 200.618,52 € abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen hat.

II.

4Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht, soweit dieses das landgerichtliche Urteil hinsichtlich der "Zusatzleistungen" in Höhe von 200.618,52 € abgeändert und die Klage abgewiesen hat. Das Berufungsgericht verletzt insoweit den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise, Art. 103 Abs. 1 GG.

51. Das Berufungsgericht führt, soweit hier von Interesse, aus: Besondere Leistungen, die zu den Grundleistungen hinzutreten, seien nach § 5 Abs. 4 Satz 1 HOAI (1996) nur dann zusätzlich zu vergüten, wenn das Honorar schriftlich, d.h. in Schriftform gemäß § 126 BGB, vereinbart worden sei. Hierunter fielen sowohl die in § 15 HOAI aufgezählten "besonderen Leistungen" als auch andere zu den Grundleistungen hinzutretende Leistungen des Architekten, denn nach § 2 Abs. 3 Satz 2 HOAI sei die Aufzählung der besonderen Leistungen in den Leistungsbildern nicht abschließend. Nicht erfasst von § 5 Abs. 4 HOAI seien dagegen isolierte besondere Leistungen, d.h. solche, die nicht zu einer Grundleistung hinzuträten. Soweit der Sachverständige in seinem Gutachten die von der Klägerin berechneten Leistungen als nicht in § 15 Abs. 2 HOAI erfasst eingestuft habe, habe er sich ersichtlich an der Aufzählung insbesondere der besonderen Leistungen in § 15 Abs. 2 HOAI orientiert und diese Aufzählung offenbar - rechtlich unzutreffend - als abschließend verstanden. Für das Berufungsgericht sei nicht erkennbar, dass und gegebenenfalls welche Zusatzleistungen die Klägerin berechne, die nicht als Ergänzung zu den vereinbarten Grundleistungen verstanden werden könnten. Daher sei für alle Zusatzarbeiten § 5 Abs. 4 HOAI maßgeblich. Die deshalb erforderliche Schriftform liege nicht vor.

62. Mit diesen Ausführungen hat das Berufungsgericht entscheidungserheblichen Vortrag der Klägerin in der Berufungsinstanz nicht berücksichtigt. Deshalb ist anzunehmen, dass das Berufungsgericht die Ausführungen der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen, jedenfalls nicht in Erwägung gezogen hat, was einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG begründet (vgl. , juris Rn. 12).

7Nach dem Beschluss des Berufungsgerichtes vom , in dem dieses darauf hingewiesen hatte, es sei nicht erkennbar, dass und gegebenenfalls welche "Zusatzleistungen" die Klägerin berechnet habe, die nicht als Ergänzung zu den vereinbarten Grundleistungen verstanden werden könnten, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom (S. 12-27) und mit Schriftsatz vom (S. 5-17) ergänzend zu den von ihr in Anspruch genommenen "Zusatzleistungen" ausgeführt. Auf diesen Vortrag ist das Berufungsgericht in keiner Weise eingegangen, sondern hat die identische Formulierung des Hinweisbeschlusses benutzt, um für alle Zusatzarbeiten § 5 Abs. 4 HOAI anzuwenden.

83. Der Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei umfassender Würdigung des ergänzenden Vortrages der Klägerin zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Anspruch auf die Honorierung von "Zusatzleistungen" besteht.

III.

9Im Übrigen wird von einer Begründung der Entscheidung über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO).

Kniffka                           Eick                            Halfmeier

                 Jurgeleit                     Graßnack

Fundstelle(n):
FAAAE-64829