BAG Urteil v. - 9 AZR 855/12

Auslegung einer Rückkehrzusage - Klageänderung in der Revisionsinstanz

Gesetze: § 559 Abs 1 ZPO, § 264 Nr 2 ZPO, § 133 BGB, § 157 BGB

Instanzenzug: Az: 58 Ca 9576/11 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 25 Sa 331/12 25 Sa 472/12 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Begründung eines Arbeitsverhältnisses.

2Zwischen den Parteien bestand bis zum ein Arbeitsverhältnis. Der Kläger erbrachte im Rahmen einer Personalgestellung seine Arbeitsleistung bei der Betriebskrankenkasse des beklagten Landes, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (im Folgenden: BKK Berlin). Im August 1995 lehnte das beklagte Land gegenüber dem Vorstand der BKK Berlin die weitere Übernahme der Personalkosten für die Führung der Krankenkasse ab.

3Der Kläger erhielt ein schriftliches Arbeitsvertragsangebot von der BKK Berlin. Mit Schreiben vom gab das beklagte Land, vertreten durch den damaligen Senator für Inneres, gegenüber dem Kläger und den anderen ca. 200 betroffenen Arbeitnehmern folgende Erklärung ab:

„…

die BKK Berlin hat Ihnen aufgrund des Arbeitgeberwechsels zum einen neuen Arbeitsvertrag ausgehändigt.

Vorausgesetzt, dass Sie dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses auf die BKK Berlin zugestimmt haben, freue ich mich, Ihnen mitteilen zu können, dass der Senat von Berlin Ihnen ein unbefristetes Rückkehrrecht zum Land Berlin für den Fall der Schließung/Auflösung der BKK Berlin einräumt.

…“

4Der Kläger unterzeichnete den Arbeitsvertrag mit der BKK Berlin.

5Das beklagte Land schloss mit der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) am eine Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung (im Folgenden: VBSV BKK). Diese enthielt ua. folgende Regelungen:

6Der Kläger erhielt vom beklagten Land eine schriftliche Mitteilung vom , in der es heißt:

„…

wie wir Ihnen bereits in unserem Schreiben vom mitgeteilt haben, wird Ihnen als Beschäftigte/r der BKK unter bestimmten Voraussetzungen ein unbefristetes Rückkehrrecht zum Land Berlin gewährt. Dieses Rückkehrrecht ist zwischenzeitlich in einer Vereinbarung, die zwischen den Gewerkschaften ÖTV und DAG und dem Land Berlin, vertreten durch die Senatsverwaltung für Inneres, abgeschlossen wurde, zusätzlich abgesichert und konkretisiert worden. ...“

7Zum erfolgte eine freiwillige Vereinigung der BKK Berlin mit der BKK Hamburg zur City BKK. Das beklagte Land teilte der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) mit Schreiben vom mit, dass nach der Fusion der Fortbestand der VBSV BKK nicht erforderlich erscheine, und bat um Mitteilung, ob eine einvernehmliche Aufhebung möglich sei. Darauf antwortete ver.di dem beklagten Land im Juni 2004 ua. Folgendes:

„… Aufgrund dieser Fusion zum und der sie ergänzenden tariflichen Verständigung mit der City BKK sehen wir die Grundlage der VBSV BKK als nicht mehr gegeben an, so dass sie mit Wirkung der Fusion der beiden BKKen in Berlin und Hamburg zur City BKK entbehrlich geworden ist.

Hinsichtlich der in § 3 Absatz 1 der VBSV BKK getroffenen Regelung bezüglich der Berücksichtigung von in der BKK Berlin erbrachten Beschäftigungs- und Dienstzeiten würde es uns der Einfachheit halber genügen, wenn Sie uns schriftlich bestätigen, dass Sie diese Regelung inhaltlich ggf. zur Anwendung brächten. Mithin würde die VBSV BKK vom mit Wirkung des keine Anwendung mehr finden.

Sollten Sie wie wir mit dem Eintreten der Fusion zum die Wirkung der VBSV BKK vom als beendet ansehen und mit der unbürokratischen Verfahrensweise bezüglich einer möglichen Anwendung der sinngemäßen Regelungen hinsichtlich der in der BKK Berlin erbrachten Beschäftigungs- und Dienstzeiten einverstanden sein, bitten wir Sie lediglich um eine kurze schriftliche Bestätigung.“

8Das beklagte Land erwiderte hierauf mit Schreiben vom :

9Zum fusionierte die City BKK mit der BKK Bauknecht und der BeneVita BKK. Die dadurch entstandene Betriebskrankenkasse führte ebenfalls den Namen City BKK. Mit Bescheid vom ordnete das Bundesversicherungsamt die Schließung der City BKK mit Ablauf des an. Diese teilte dem Kläger Anfang Mai 2011 mit, dass sein Arbeitsverhältnis nach § 164 Abs. 4 SGB V mit Ablauf des ende. Vorsorglich kündigte sie das Arbeitsverhältnis zum sowie hilfsweise zum . Der Kläger verfolgt in einem gesonderten Verfahren die Feststellung des Fortbestands seines Arbeitsverhältnisses zur City BKK.

10Im Mai 2011 machte der Kläger unter Hinweis auf das Schreiben des beklagten Landes vom und die VBSV BKK schriftlich sein Rückkehrrecht gegenüber dem beklagten Land geltend. Dieses lehnte mit Schreiben vom die von dem Kläger beantragte Wiedereinstellung ab.

11Der Kläger ist der Auffassung, die Voraussetzungen der Rückkehrzusage des beklagten Landes vom seien erfüllt. Er behauptet, er habe dem Wechsel zur BKK Berlin nur wegen dieser Zusage zugestimmt. Nach dieser sei er so zu stellen, als wäre er über den hinaus beim Land Berlin weiterbeschäftigt worden.

12Der Kläger hat vor dem Landesarbeitsgericht zuletzt beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, sein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags als Verwaltungsangestellter beginnend mit dem in Vollzeittätigkeit mit einem Entgelt nach Entgeltgruppe 13 nach Maßgabe des Tarifvertrags zur Angleichung des Tarifrechts des Landes Berlin an das Tarifrecht der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vom unter Berücksichtigung der bei der BKK Berlin KöR bis zum sowie der City BKK KöR bis zum zurückgelegten Betriebszugehörigkeit anzunehmen,

hilfsweise festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, mit ihm einen Arbeitsvertrag als Verwaltungsangestellter beginnend mit dem in Vollzeittätigkeit mit einem Entgelt nach Entgeltgruppe 13 nach Maßgabe des Tarifvertrags zur Angleichung des Tarifrechts des Landes Berlin an das Tarifrecht der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vom unter Berücksichtigung der bei der BKK Berlin KöR bis zum sowie der City BKK KöR bis zum zurückgelegten Betriebszugehörigkeit abzuschließen, sobald die Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit der City BKK KöR i. A. rechtskräftig feststeht.

13Das beklagte Land hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, der Fall der Schließung der City BKK sei von seiner Rückkehrzusage nicht umfasst. Diese habe sich ausschließlich auf die Schließung/Auflösung der BKK Berlin bezogen. Dementsprechend sei auch die VBSV BKK im Einvernehmen mit ver.di aufgehoben worden. Soweit der Kläger die Berücksichtigung von Zeiten verlange, in denen er in einem Arbeitsverhältnis zu den Betriebskrankenkassen gestanden habe, sei dies zu pauschal. Jedenfalls sei für dieses Begehren keine Anspruchsgrundlage ersichtlich. Die im Schreiben vom an ver.di erfolgte Zusage der Anerkennung von Beschäftigungs- und Dienstzeiten habe sich nur auf die durch die Vereinigung mit der BKK Hamburg entstandene City BKK, nicht aber auf die Betriebskrankenkasse gleichen Namens bezogen, die durch die spätere Vereinigung mit den weiteren zwei Kassen entstanden sei.

14Das Arbeitsgericht hat den erstinstanzlich gestellten Hauptantrag abgewiesen und dem erstinstanzlich gestellten Hilfsantrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und dahingehend neu gefasst, dass das beklagte Land verurteilt wird, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines Arbeitsvertrags als Verwaltungsangestellter beginnend mit dem in Vollzeittätigkeit mit einem Entgelt nach Entgeltgruppe 13 nach Maßgabe des Tarifvertrags zur Angleichung des Tarifrechts des Landes Berlin an das Tarifrecht der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vom unter Berücksichtigung der bei dem beklagten Land bis zum und der bei der BKK Berlin bis zum zurückgelegten Betriebszugehörigkeit anzunehmen. Mit seiner Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger hat seine Revision zurückgenommen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger seinen zweitinstanzlichen Klageantrag mit der Maßgabe gestellt, dass sein Vertragsangebot nicht Entgelt nach Entgeltgruppe 13, sondern nach Entgeltgruppe 12 beinhalte.

Gründe

15Die zulässige Revision des beklagten Landes ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen und der Berufung des Klägers teilweise stattgegeben. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass das beklagte Land sein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags als Verwaltungsangestellter beginnend mit dem in Vollzeittätigkeit mit einem Entgelt nach Entgeltgruppe 13 nach Maßgabe des Tarifvertrags zur Angleichung des Tarifrechts des Landes Berlin an das Tarifrecht der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vom unter Berücksichtigung der beim beklagten Land bis zum und der bei der BKK Berlin bis zum zurückgelegten Betriebszugehörigkeit annimmt.

16I. Zwar war das beklagte Land grundsätzlich aufgrund des in seinem Schreiben vom zugesagten Rückkehrrechts zur Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger verpflichtet (vgl.  - Rn. 22 ff.). Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Abschluss eines Arbeitsvertrags, der das beklagte Land verpflichtet, ihn nach Entgeltgruppe 13 zu vergüten und zu beschäftigen. Die Zusage vom begründet nur einen Anspruch darauf, unter Berücksichtigung der im Dezember 1998 zuletzt bestehenden Eingruppierung so gestellt zu werden, als habe er über den hinaus in einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis zum beklagten Land gestanden ( - Rn. 43). Der Kläger hat mit Schriftsatz vom selbst eingeräumt, dass er vor diesem Hintergrund nur den Abschluss eines Arbeitsvertrags mit einem Entgelt nach Entgeltgruppe 12, nicht aber nach Entgeltgruppe 13 verlangen könne.

17II. Der Kläger konnte seinen Klageantrag in der Revisionsinstanz nicht mehr dahingehend ändern, dass das beklagte Land verurteilt wird, sein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags als Verwaltungsangestellter in Vollzeittätigkeit mit einem Entgelt nach Entgeltgruppe 12 anzunehmen. Hierbei handelt es sich um eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung.

181. Nach § 559 Abs. 1 ZPO ist in der Revisionsinstanz eine Klageänderung grundsätzlich ausgeschlossen. Der Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz bildet nicht nur bezüglich des tatsächlichen Vorbringens, sondern auch bezüglich der Anträge der Parteien die Entscheidungsgrundlage für das Revisionsgericht. Hiervon hat die Rechtsprechung aus prozessökonomischen Gründen Ausnahmen in den Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO zugelassen, sowie dann, wenn sich der geänderte Sachantrag auf einen in der Berufungsinstanz festgestellten oder von den Parteien übereinstimmend vorgetragenen Sachverhalt stützen kann, sich das rechtliche Prüfprogramm nicht wesentlich ändert und die Verfahrensrechte der anderen Partei durch eine Sachentscheidung nicht verkürzt werden ( - Rn. 18 mwN; vgl. auch GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 74 Rn. 44; Schwab/Weth/Ulrich ArbGG 3. Aufl. § 74 Rn. 44).

192. Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Zulässigkeit der Klageänderung liegen nicht vor.

20a) Der Kläger hat seinen Antrag nicht im Wege einer Teilklagerücknahme iSd. § 264 Nr. 2 ZPO beschränkt. Der Abschluss eines Arbeitsvertrags mit einem Entgelt nach Entgeltgruppe 12 ist im Vergleich zum Abschluss eines Arbeitsvertrags mit der Entgeltgruppe 13 kein Minus, sondern etwas anderes. Die Festlegung der Entgeltgruppe hat nicht nur Folgen für die Höhe des Entgelts, sondern auch für den Inhalt der geschuldeten Tätigkeiten. Der öffentliche Arbeitgeber ist nicht berechtigt, dem Arbeitnehmer (auf Dauer) eine Tätigkeit einer niedrigeren als der vereinbarten Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe zu übertragen (vgl.  - zu B I 3 a bb der Gründe, BAGE 112, 361). Während der Kläger in der ersten und zweiten Instanz hinreichend klar zum Ausdruck gebracht hat, dass er auch dann den Abschluss eines Arbeitsvertrags mit dem beklagten Land begehrt, wenn die Beschäftigungszeit vom bis zum nicht anerkannt wird, lässt sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen, dass er den Abschluss eines Arbeitsvertrags auch dann verlangt, wenn er dadurch zu geringerwertigen und schlechter bezahlten Tätigkeiten verpflichtet wird. Insbesondere hätte es Vortrag dazu bedurft, welche Entgeltgruppen von seinem Antrag umfasst sein sollen. Bei dem Kläger, der beim beklagten Land zuletzt bei der Betriebskrankenkasse als Leiter der Innenrevision tätig war, kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass er auch bereit ist, ein Arbeitsverhältnis auf Basis zB der Entgeltgruppe 2 zu begründen.

21b) Der Senat konnte über den geänderten Antrag auch nicht auf der Grundlage eines von den Parteien übereinstimmend vorgetragenen Sachverhalts entscheiden. Zwar haben die Parteien in der Revisionsinstanz übereinstimmend vorgetragen, der Kläger sei beim beklagten Land zuletzt im Wege des Aufstiegs aus der Vergütungsgruppe III BAT in die Vergütungsgruppe IIa BAT eingruppiert gewesen. Weitere wesentliche Umstände haben die Parteien jedoch nicht unstreitig gestellt. Die Pflicht zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses durch Annahme eines Vertragsangebots setzt grundsätzlich den Zugang eines entsprechenden Angebots voraus (vgl.  - Rn. 24). Der Kläger hat geltend gemacht, bereits sein Vertragsangebot sei auf ein Entgelt nach Entgeltgruppe 12 gerichtet gewesen. Insoweit fehlt es an (übereinstimmendem) Vortrag, welches Vertragsangebot sich aus welchen für das beklagte Land erkennbaren Umständen auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags auf der Grundlage der Entgeltgruppe 12 bezogen haben soll.

22III. Der vor dem Landesarbeitsgericht gestellte Hilfsantrag ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Ist in der Vorinstanz dem Hauptantrag einer Partei stattgegeben worden, so fällt der Hilfsantrag zwar grundsätzlich auch ohne Anschlussrechtsmittel ohne Weiteres in der Rechtsmittelinstanz an. Dies gilt zumindest dann, wenn zwischen dem Hauptantrag und dem Hilfsantrag ein enger sachlicher und rechtlicher Zusammenhang besteht ( - zu B III 1 der Gründe). Der Kläger hat den Hilfsantrag ausweislich seiner Ausführungen im Schriftsatz vom jedoch nur für den Fall gestellt, dass das Gericht den Hauptantrag abweist, weil „das Rückkehrrecht des Klägers von der endgültigen rechtlichen Beendigung aller arbeitsrechtlicher Beziehungen des Klägers zur City BKK KöR i. A. abhängt“. Diese Bedingung ist nicht eingetreten.

23IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1, §§ 565, 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
EAAAE-62894