BAG Urteil v. - 5 AZR 700/12

Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt ("equal pay") - gestaffelte Bezugnahme auf Tarifverträge - vertragliche Ausschlussfrist - Günstigkeitsvergleich

Gesetze: § 10 Abs 4 AÜG, § 307 Abs 1 S 2 BGB, § 271 BGB, § 4 Abs 3 TVG, § 9 Nr 2 AÜG

Instanzenzug: ArbG Wesel Az: 4 Ca 2561/11 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 8 Sa 128/12 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über Differenzvergütung unter dem Gesichtspunkt des equal pay.

2Der 1979 geborene Kläger war vom 2. August bis zum bei der Beklagten, die gewerblich Arbeitnehmerüberlassung betreibt, beschäftigt. Er erhielt einen Stundenlohn von 11,43 Euro brutto. Darüber hinaus wiesen die Lohnabrechnungen unter den Bezeichnungen „Vma“, „Fahrgeld“ und „Fahrgeld-Kfz“ weitere Leistungen der Beklagten aus.

3Der Kläger wurde ausschließlich der E GmbH (im Folgenden: Entleiherin) überlassen und von dieser am in ein Arbeitsverhältnis übernommen. Mit Schreiben vom bescheinigte die Entleiherin, er sei bei ihr als Zerspanungsmechaniker an dem Arbeitsplatz CNC Drehmaschine FAT eingesetzt gewesen. Dieser sei in die Entgeltgruppe 8 (2.485,00 Euro brutto monatlich) eingestuft.

4Dem Arbeitsverhältnis der Parteien lag ein von der Beklagten gestellter Formulararbeitsvertrag vom zugrunde, in dem ua. geregelt ist:

5In einer von der Beklagten unter Hinweis auf die bestrittene Tariffähigkeit der CGZP vorformulierten, vom Kläger unterzeichneten „Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom “ heißt es ua.:

6In dem zwischen dem AMP, der CGZP und einer Reihe von christlichen Arbeitnehmervereinigungen geschlossenen Manteltarifvertrag vom , in Kraft getreten am , ist ua. geregelt:

7§ 16 des zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e.V. (BZA) und den Mitgliedsgewerkschaften des DGB abgeschlossenen „Manteltarifvertrag Zeitarbeit“ (im Folgenden: BZA/DGB-TV) lautet:

8Mit der am eingereichten Klage hat der Kläger unter Berufung auf § 10 Abs. 4 AÜG die Differenz zwischen der von der Beklagten erhaltenen Vergütung und dem Arbeitsentgelt verlangt, das die Entleiherin im Streitzeitraum vergleichbaren Stammarbeitnehmern gewährt haben soll. Die Entleiherin sei tarifgebunden in der metallverarbeitenden Elektroindustrie und wende beim Entgelt das Entgeltrahmenabkommen an.

9Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

10Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, etwaige Ansprüche des Klägers seien gemäß § 9 Arbeitsvertrag verfallen. Die Ausschlussfristenregelung sei wirksam. § 9 Abs. 5 Arbeitsvertrag entspreche in seiner Regelung letztlich § 4 Abs. 3 TVG. Es sei deshalb fraglich, ob nicht gemäß § 307 Abs. 3 BGB jede Transparenzkontrolle ausscheide. Der Kläger habe durch einen Abgleich der vertraglichen Ausschlussfristen mit den in Betracht kommenden tariflichen unschwer einen Günstigkeitsvergleich anstellen können. Die übertarifliche Aufwandsentschädigung sei bei der Gesamtberechnung zu berücksichtigen.

11Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageforderungen weiter.

Gründe

12Die Revision des Klägers ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen.

13Die Beklagte ist nach § 10 Abs. 4 AÜG verpflichtet, dem Kläger für den Zeitraum vom 2. August bis zum gleiches Arbeitsentgelt zu zahlen, wie es die Entleiherin vergleichbaren Stammarbeitnehmern gewährte (A). Der Anspruch des Klägers ist nicht verfallen (B). Die Höhe des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG und der dem Kläger zustehenden restlichen Urlaubsabgeltung kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht bestimmen. Dies führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO (C).

14A. Der Kläger hat nach § 10 Abs. 4 AÜG für die Zeit der Überlassung an die E GmbH Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt, wie es die Entleiherin ihren Stammarbeitnehmern gewährte. Eine nach § 9 Nr. 2 AÜG zur Abweichung vom Gebot der Gleichbehandlung berechtigende Vereinbarung haben die Parteien nicht getroffen.

15I. § 2 Abs. 1 Arbeitsvertrag, mit dem die Geltung der vom Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e.V. (AMP) mit der CGZP und einer Reihe von christlichen Arbeitnehmervereinigungen geschlossenen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung vereinbart werden sollte, ist mangels Kollisionsregel intransparent und nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam (vgl.  - Rn. 26 ff.).

16II. Die Bezugnahme auf die in der Zusatzvereinbarung genannten „zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e.V. (BZA) und der Tarifgemeinschaft der Mitgliedsgewerkschaften des DGB geschlossenen Tarifverträge“ ist bereits deshalb nicht zum Tragen gekommen, weil ihre tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Auch nach dem Behaupten der Beklagten ist nicht „durch gerichtliche Entscheidung rechtskräftig festgestellt“ worden, dass die in § 2 Abs. 1 Arbeitsvertrag genannten „Tarifverträge … unwirksam sind“.

17B. Der Anspruch des Klägers auf gleiches Arbeitsentgelt ist nicht verfallen.

18I. Der Kläger musste nicht die Ausschlussfristen nach § 9 Arbeitsvertrag einhalten. Die eigenständige Ausschlussfristenregelung, bei der es sich, wie bei den übrigen Bedingungen des Arbeitsvertrags auch, nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, ist intransparent und damit nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.

191. Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich die zur Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führende unangemessene Benachteiligung aus der mangelnden Klarheit und Verständlichkeit der Bedingung ergeben. Dieses Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Der Vertragspartner des Klauselverwenders soll ohne fremde Hilfe Gewissheit über den Inhalt der vertraglichen Rechte und Pflichten erlangen können und nicht von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten werden. Eine Klausel muss im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners so klar und präzise wie möglich umschreiben. Sie verletzt das Bestimmtheitsgebot, wenn sie vermeidbare Unklarheiten und Spielräume enthält ( - Rn. 15). Auch bei einer die Art und Weise der Geltendmachung eines entstandenen Entgeltanspruchs regelnden Klausel muss der Arbeitnehmer bei Vertragsabschluss erkennen können, was auf ihn zukommt. Wegen der weitreichenden Folgen von Ausschlussfristen ( - Rn. 26, BAGE 115, 372) muss aus der Klausel ersichtlich sein, welche Rechtsfolgen der Arbeitnehmer zu gewärtigen hat und was er zu tun hat, um deren Eintritt zu verhindern ( - Rn. 48).

202. Diesen Anforderungen genügt die Ausschlussfristenregelung in § 9 Arbeitsvertrag nicht.

21a) Der Beginn der ersten Stufe der Ausschlussfrist ist nicht klar und eindeutig geregelt. § 9 Abs. 1 Arbeitsvertrag wäre zwar - bei isolierter Betrachtung - hinreichend transparent. Der Arbeitnehmer könnte ersehen, dass „alle beiderseitigen Ansprüche aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder seiner Beendigung verfallen“, wenn sie nicht innerhalb bestimmter Fristen in der in der Klausel bezeichneten Weise geltend gemacht werden (vgl.  - Rn. 48 f.). Jedoch folgt die Intransparenz aus dem Kontext mit den weiteren Regelungen des § 9.

22aa) § 9 Abs. 1 Arbeitsvertrag stellt hinsichtlich des Fristbeginns auf die Fälligkeit des Anspruchs ab. Fälligkeit bezeichnet nach § 271 BGB den Zeitpunkt, von dem ab der Gläubiger die Leistung verlangen kann. Dieser Zeitpunkt richtet sich in erster Linie nach den Vereinbarungen der Parteien. Haben diese eine Zeit bestimmt, so ist gemäß § 271 Abs. 2 BGB im Zweifel anzunehmen, dass der Gläubiger die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen, der Schuldner aber sie vorher bewirken kann. Das bedeutet, dass die Forderung zwar erfüllbar, jedoch noch nicht fällig ist ( - Rn. 16, BGHZ 171, 33).

23bb) Im Gegensatz zu Abs. 1 stellt Abs. 2 auf das Entstehen des Anspruchs ab. Bereits diese Anknüpfung an juristisch zu unterscheidende Zeitpunkte erschwert dem Arbeitnehmer das Verständnis der ihm mit der AGB-Klausel auferlegten Obliegenheit. Die „Fälligkeit“ eines Anspruchs ist von dessen „Entstehung“ zu unterscheiden. Entstehungs- und Fälligkeitszeitpunkt einer Forderung können auseinanderfallen ( - Rn. 31, BAGE 107, 347; ErfK/Preis 14. Aufl. §§ 194 - 218 BGB Rn. 52). Ein Anspruch entsteht, sobald die dafür festgelegten tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind ( - aaO). Seine Fälligkeit kann erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten. Vorliegend bleibt für den Arbeitnehmer unklar, ob ein Anspruch bereits dann, wenn die in Abs. 2 bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind, innerhalb von drei Monaten geltend zu machen ist oder ob die Ausschlussfrist in jedem Fall erst ab Fälligkeit zu laufen beginnt. Die Regelung enthält damit Unklarheiten und Spielräume, die den Arbeitnehmer von der Durchsetzung erworbener Rechte abhalten könnten.

24cc) Der wegen dieser doppelten Anknüpfung undeutliche Regelungsgehalt wird durch die in Abs. 2 verwendete Terminologie vollkommen unverständlich. Der Formulierung „der Fristablauf beginnt“ lässt sich nicht entnehmen, ob sie sich auf den Anfang oder das Ende der Ausschlussfrist beziehen soll. Das Wort „Ablauf“ hat mehrere Bedeutungen. Rechtlich kann es einen Verlauf oder eine Abfolge, aber auch das Ende einer Zeitdauer oder Frist bezeichnen (vgl. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 9. Aufl.; Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 4. Aufl.). Sollte sich Abs. 2 auf den Fristbeginn beziehen, hätte die Beklagte statt „der Fristablauf beginnt“, unschwer „der Fristlauf beginnt“ oder - wie in § 199 Abs. 1 BGB bezogen auf die Verjährungsfrist - „die Ausschlussfrist beginnt“ formulieren können. Sollte sich Abs. 2 auf das Fristende beziehen, würde die Aussage des Abs. 1 vollständig neutralisiert.

25dd) Dies hätte unschwer vermieden werden können, wenn die Beklagte als Verwenderin der Klausel klargestellt hätte, dass die Frist frühestens zu laufen beginnt, wenn die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Arbeitsvertrag erfüllt sind, jedoch in keinem Fall vor Eintritt der Fälligkeit.

26b) Zur Intransparenz des § 9 Arbeitsvertrag trägt des Weiteren der Abs. 5 bei. Nach Abs. 5 sollten die Abs. 1 und 3 nicht gelten, wenn „die anwendbaren Tarifverträge“ eine „für den Mitarbeiter günstigere Regelung über den Ausschluss und Verfall von Ansprüchen“ enthalten. Damit wurde die Anwendbarkeit der Abs. 1 und 3 spekulativ.

27aa) Auf welche Tarifverträge Bezug genommen werden sollte, ist unklar. Bei Vertragsabschluss konnte auch im Wege der Auslegung nicht festgestellt werden, auf welche nach § 2 Abs. 1 Arbeitsvertrag und Nr. 1 Zusatzvereinbarung als anwendbar in Betracht kommenden Tarifverträge Bezug genommen werde. Für den Kläger war deshalb nicht erkennbar, mit welchem der in Betracht kommenden Tarifverträge ein Günstigkeitsvergleich anzustellen sei.

28(1) Die Bezugnahmeklausel des § 2 Abs. 1 Arbeitsvertrag, mit der die Geltung der vom Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e.V. (AMP) mit der CGZP und einer Reihe von christlichen Arbeitnehmervereinigungen geschlossenen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung vereinbart werden sollte, ist, wie schon unter A. ausgeführt, mangels Kollisionsregel intransparent (vgl.  - Rn. 26 ff.). Dies schlägt auf die Regelung der Ausschlussfristen in § 9 Arbeitsvertrag durch.

29(2) Zur Intransparenz der Ausschlussfristenregelung führt zudem Nr. 1 der Zusatzvereinbarung. Auch aufgrund dieser Regelung war es für den Kläger bei Abschluss des Arbeitsvertrags nicht vorhersehbar, welche tariflichen Bestimmungen und damit auch Ausschlussfristen auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden würden (vgl. zur Unbestimmtheit eines Änderungsangebots im Rahmen einer Änderungskündigung:  -). Die Zusatzvereinbarung stellt als Voraussetzung für die Geltung der „zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e.V. (BZA) und der Tarifgemeinschaft der Mitgliedsgewerkschaften des DGB geschlossenen Tarifverträge“ auf eine rechtskräftige Feststellung der Unwirksamkeit der in § 2 Abs. 1 Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge AMP/CGZP ab, ohne zu kennzeichnen, in welchem Prozessrechtsverhältnis diese Bedingung eintreten könnte. Dabei kommen neben einem von den Parteien selbst geführten Rechtsstreit auch solche Dritter in Betracht. Der Ausgang solcher Rechtsstreite wäre für den Arbeitnehmer nicht feststellbar.

30bb) Weitere vermeidbare Unklarheiten werden dadurch hervorgerufen, dass Abs. 5 auf die für den Mitarbeiter „günstigere“ Regelung verweist.

31(1) § 9 Abs. 5 Arbeitsvertrag entspricht nicht der gesetzlichen Regelung in § 4 Abs. 3 TVG.

32(a) Für das Verhältnis von tarifvertraglichen und arbeitsvertraglichen Regelungen gilt die Kollisionsregel des § 4 Abs. 3 TVG. Hiernach treten unmittelbar und zwingend geltende Tarifbestimmungen hinter einzelvertraglichen Vereinbarungen mit für Arbeitnehmer günstigeren Bedingungen zurück. Ob ein Arbeitsvertrag abweichende günstigere Regelungen gegenüber dem Tarifvertrag enthält, ergibt ein Vergleich zwischen der tarifvertraglichen und der arbeitsvertraglichen Regelung. Zu vergleichen sind dabei die in einem inneren, sachlichen Zusammenhang stehenden Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen (sog. Sachgruppenvergleich; st. Rspr.  - Rn. 14 mwN).

33(b) Abweichend von § 4 Abs. 3 TVG ist § 9 Abs. 5 Arbeitsvertrag nicht darauf gerichtet zu regeln, wann die tarifliche Regelung hinter der arbeitsvertraglichen zurücktritt, sondern umgekehrt, wann die tarifliche Regelung gegenüber der arbeitsvertraglichen den Vorrang haben soll. Bereits dies lässt es fraglich erscheinen, ob die Maßstäbe eines Günstigkeitsvergleichs nach § 4 Abs. 3 TVG auf die vorliegende Regelung übertragen werden können.

34(2) Darüber hinaus nimmt § 9 Abs. 5 Arbeitsvertrag im Gegensatz zu § 2 Abs. 2 Arbeitsvertrag als speziellere Regelung auch nicht auf § 4 Abs. 3 TVG Bezug. Ein verständiger und redlicher Arbeitnehmer musste deshalb nicht darauf schließen, der Regelungswille der Beklagten als Verwenderin der Klausel sei auf die Anwendung der für § 4 Abs. 3 TVG geltenden Grundsätze eines Günstigkeitsvergleichs gerichtet. Vor allem ist unklar, ob ein Sachgruppen- oder Einzelvergleich zur Ermittlung der „günstigeren Regelung“ anzustellen ist.

35(3) Die Klausel bliebe selbst dann intransparent, wenn ihr die für den Günstigkeitsvergleich anzulegenden Maßstäbe durch Auslegung entnommen werden könnten. Auch in diesem Fall enthielte sie vermeidbare Spielräume und Unklarheiten.

36Die Auslegungsbedürftigkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führt zwar nicht automatisch zu deren Intransparenz. Lässt sich jedoch eine Klausel unschwer so formulieren, dass das Gewollte klar zu erkennen ist, führt eine Formulierung, bei der das Gewollte allenfalls durch eine umfassende Auslegung ermittelbar ist, zu vermeidbaren Unklarheiten ( - Rn. 18). Letzteres ist hier der Fall. § 9 Abs. 5 Arbeitsvertrag ist intransparent, weil sich die Regelung durch Verwendung des Wortes „länger“ anstelle von „günstiger“, unschwer so hätte formulieren lassen, dass das nach dem Bekunden der Beklagten Gewollte - die längere Ausschlussfrist zur Geltung zu bringen - klar erkennbar gewesen wäre.

373. Eine Streichung von § 9 Abs. 2 und 5 Arbeitsvertrag unter Aufrechterhaltung der Ausschlussfristenregelung im Übrigen in Anwendung des sog. blue-pencil-Tests scheidet aus, weil es sich um eine einheitliche Regelung handelt, die inhaltlich nicht teilbar ist (vgl.  - Rn. 37, BAGE 141, 340; - 10 AZR 152/07 - Rn. 26 ff. mwN). § 9 Arbeitsvertrag enthält nicht jeweils verschiedene, nur formal verbundene AGB-Bestimmungen. Diese sind vielmehr untrennbar miteinander verknüpft. Mit § 9 Abs. 5 Arbeitsvertrag soll der Anwendungsbereich der eigenständigen arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen festgelegt werden. Und erst aus § 9 Abs. 2 Arbeitsvertrag - legt man die Bestimmung in der von der Beklagten vertretenen Interpretation aus - soll sich der Beginn der Ausschlussfrist ergeben.

384. Eine ergänzende Vertragsauslegung im Sinne einer auf § 9 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Arbeitsvertrag beschränkten Geltung der vertraglichen Ausschlussfristenregelung kommt nicht in Betracht. Die Intransparenz der Klausel führt zu deren ersatzlosem Wegfall unter Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrags im Übrigen, § 306 Abs. 1 und 2 BGB. Dem mit einer Ausschlussfrist verfolgten Zweck, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zu erreichen, wird durch die gesetzlichen Verjährungsfristen hinreichend Rechnung getragen.

39II. Der Kläger war nicht gehalten, Ausschlussfristen aus den in § 2 Abs. 1 Arbeitsvertrag genannten, von der CGZP und einer Reihe von Arbeitnehmervereinigungen mit dem AMP abgeschlossenen Tarifverträgen einzuhalten. Die Anwendung dieser Ausschlussfristen scheidet aus, weil die Tarifverträge, wie bereits ausgeführt, nicht wirksam arbeitsvertraglich in Bezug genommen wurden.

40III. Die Ansprüche des Klägers sind nicht nach § 16 BZA/DGB-TV verfallen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung der in Nr. 1 Zusatzvereinbarung genannten Tarifverträge und damit der darin geregelten Ausschlussfristen sind, wie bereits unter A.II. ausgeführt, nicht erfüllt. Es kann deshalb offenbleiben, ob die in § 16 BZA/DGB-TV geregelten tariflichen Ausschlussfristen im Hinblick auf ihre Länge dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes genügen, ob diese Ansprüche auch equal pay erfassen und ob deren Inhalt auch bei einer gebotenen gesetzeskonformen Auslegung in sich widersprüchlich bleibt, mit der Folge, dass die tarifliche Ausschlussfristenregelung wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der Normenklarheit unwirksam wäre.

41C. In welcher Höhe dem Kläger Differenzvergütung zusteht, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden.

42I. Der Kläger hat die Höhe des Arbeitsentgelts vergleichbarer Stammarbeitnehmer substantiiert dargelegt. Die Beklagte hat hiergegen keine Einwendungen erhoben.

43II. Allerdings umfasst die Darlegungslast des Leiharbeitnehmers neben dem Arbeitsentgelt vergleichbarer Stammarbeitnehmer die Darlegung des Gesamtvergleichs und die Berechnung der Differenzvergütung. Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Klägers bisher nicht hinreichend.

441. Zur substantiierten Darlegung des Gesamtvergleichs gehört die schriftsätzliche Erläuterung, in welchem konkreten Umfang im Überlassungszeitraum Differenzvergütung etwa für geleistete Arbeit, aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit oder Feiertagen, gewährten Urlaubs oder Freizeitausgleichs oder Abgeltung von Stunden aus einem Arbeitszeitkonto oder eines sonstigen Tatbestands, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt, begehrt wird ( - Rn. 19).

45Der Kläger legt seiner Berechnung die in den Lohnabrechnungen der Beklagten ausgewiesenen Stunden und die darin als Leistungen der Beklagten angegebenen Beträge zugrunde. Hiervon ausgehend begehrt der Kläger Differenzvergütung für geleistete Arbeit, für Feiertage und Zeiten krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, für während der Überlassung genommenen Urlaub und für aus einem Guthaben auf einem Arbeitszeitkonto gewährten Freizeitausgleich sowie restliche Urlaubsabgeltung.

462. Bei der Berechnung der Höhe der Differenzvergütung ist unter Berücksichtigung der für vergleichbare Stammarbeitnehmer geltenden Wochenarbeitszeit und des an sie zu zahlenden Monatsgehalts Folgendes zu berücksichtigen.

47a) Entgegen der Annahme des Klägers ist zur Ermittlung der Differenzvergütung keine Umrechnung in einen Stundenlohn vorzunehmen. Eine Umrechnung hat nur dann zu erfolgen, wenn Vergütungsansprüche für eine Stundenzahl, die über die regelmäßige vertragliche Arbeitszeit vergleichbarer Stammarbeitnehmer hinausgeht oder hinter dieser zurückbleibt, geltend gemacht werden.

48aa) Maßgeblich für die Höhe der Differenzvergütung ist das Entgelt, das der Leiharbeitnehmer erhalten hätte, wenn er unmittelbar beim Entleiher beschäftigt gewesen wäre. Wird an Stammarbeitnehmer ein Monatsgehalt gezahlt, kann der Leiharbeitnehmer keinen Stundenlohn beanspruchen. Der Anspruch des Leiharbeitnehmers aus § 10 Abs. 4 AÜG ist in diesem Fall auf ein Monatsgehalt gerichtet. Ausgangspunkt für die Berechnung der Differenzvergütung ist das - ggf. anteilige - Monatsgehalt. Erstreckt sich ein Überlassungszeitraum - wie hier im August 2010 - nicht auf einen vollen Kalendermonat, muss das anteilige Monatsentgelt nach den beim Entleiher geltenden Berechnungsregeln bestimmt werden. Fehlt es an solchen, ist das anteilige Monatsentgelt auf der Basis eines Dreißigstels je Tag des Überlassungszeitraums, der in den nicht vollen Kalendermonat fällt, zu ermitteln (vgl. zur Umrechnung in Dreißigstel:  - Rn. 22 bis 24, BAGE 141, 340; - 5 AZR 93/12 - Rn. 33).

49bb) Dementsprechend ist die Höhe der Differenzvergütung auf der Basis eines Monatsgehalts zu ermitteln. Soweit dem Kläger für über die regelmäßige monatliche Arbeitszeit von Stammarbeitnehmern hinaus geleistete Stunden Differenzvergütung zusteht, ist deren Höhe unter Zugrundelegung der bei der Entleiherin geltenden Regelungen zu berechnen. Gelten keine besonderen Regelungen, ist zur Berechnung der für diese Stunden zu zahlenden Vergütung das Monatsgehalt durch die Zahl der im betreffenden Monat von einem vergleichbaren Stammarbeitnehmer regelmäßig zu leistenden Arbeitsstunden zu dividieren. Entsprechend ist zu verfahren, wenn die Zahl der vergütungspflichtigen Stunden hinter der von einem Stammarbeitnehmer im betreffenden Monat zu leistenden zurückbleibt und bei der Entleiherin keine abweichenden Regelungen bestehen, die vorrangig anzuwenden wären.

50b) Der Kläger hat einen Anspruch auf Differenzvergütung für den ihm während der Überlassung gewährten Urlaub. Dessen Höhe hat er bisher nicht schlüssig dargelegt.

51aa) Zu den wesentlichen Arbeitsbedingungen, die gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. f, i RL 2008/104/EG einem Leiharbeitnehmer während der Überlassung zu gewähren sind, gehören auch die urlaubsbezogenen Arbeitsbedingungen. Während der Überlassung hat der Leiharbeitnehmer einen Anspruch auf Urlaubsentgelt entsprechend den für Stammarbeitnehmer geltenden Bestimmungen. Bestehen bei der Entleiherin keine in Einklang mit § 13 BUrlG stehenden Regelungen des Urlaubsentgelts, ist, wie bei Stammarbeitnehmern auch, dessen Höhe nach den gesetzlichen Bestimmungen zu ermitteln. Dabei sind nach § 1 BUrlG die infolge der Freistellung ausgefallenen Arbeitszeiten zu vergüten (sog. Zeitfaktor). Die Höhe des Urlaubsentgelts (sog. Geldfaktor) ist nach § 11 BUrlG zu ermitteln, indem nach dem Referenzprinzip auf den in den letzten 13 Wochen vor Urlaubsbeginn erzielten Verdienst abzustellen ist, mit Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsverdienstes ( - Rn. 16, BAGE 135, 301).

52bb) Der Kläger hat zu den bei der Entleiherin geltenden Urlaubsregelungen nichts vorgetragen. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Auf ggf. geltende Tarifvorschriften hat sich der Kläger nicht berufen und solche auch nicht benannt. Hätten tarifvertragliche Bestimmungen bei der Entleiherin für vergleichbare Stammarbeitnehmer Anwendung gefunden, wäre die Höhe des Urlaubsentgelts nach diesen Vorschriften zu ermitteln. Erhielten Stammarbeitnehmer der Entleiherin Urlaubsentgelt nach den gesetzlichen Bestimmungen, kann der Kläger für den ihm im Überlassungszeitraum gewährten Erholungsurlaub Urlaubsentgelt nach § 11 BUrlG verlangen.

53c) Soweit Auszahlungen aus dem Arbeitszeitkonto im Gesamtvergleich enthalten sind, wird im erneuten Berufungsverfahren zu beachten sein, dass die Parteien keine wirksame Regelung über Errichtung und Führung eines Arbeitszeitkontos getroffen haben. § 7 Arbeitsvertrag verweist lediglich auf einen nicht wirksam in Bezug genommenen Tarifvertrag und enthält keine eigenständige arbeitsvertragliche Regelung. In die Gesamtberechnung sind deshalb die zu Unrecht auf dem Arbeitszeitkonto gebuchten und in späteren Lohnzahlungsperioden ausgezahlten Guthaben einzubeziehen, weil sie während der Entleihperiode - der Kläger wurde während der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses durchgehend nur einer Entleiherin überlassen - erarbeitet wurden.

543. Zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG ist ein Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen ( - Rn. 35 f., BAGE 137, 249; - 5 AZR 294/12 - Rn. 26).

55a) Der Begriff des Arbeitsentgelts in § 10 Abs. 4 AÜG ist national zu bestimmen und, wie die beispielhafte Aufzählung in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/25 S. 38) belegt, weit auszulegen. Zu ihm zählt nicht nur das laufende Arbeitsentgelt, sondern jede Vergütung, die aus Anlass des Arbeitsverhältnisses gewährt wird bzw. aufgrund gesetzlicher Entgeltfortzahlungstatbestände gewährt werden muss ( - Rn. 27 mwN).

56b) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der dem Kläger gewährte übertarifliche Aufwendungsersatz (ÜTA) nicht ohne Weiteres im Gesamtvergleich als gewährter Vergütungsbestandteil zu berücksichtigen (vgl.  - Rn. 34).

57aa) Die Berücksichtigung von Aufwendungsersatz beim Gesamtvergleich bestimmt sich danach, ob damit - wenn auch in pauschalierter Form - ein dem Arbeitnehmer tatsächlich entstandener Aufwand, zB für Fahrt-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten, erstattet werden soll (echter Aufwendungsersatz) oder die Leistung Entgeltcharakter hat. Echter Aufwendungsersatz ist kein Arbeitsentgelt. Soweit sich Aufwendungsersatz hingegen als „verschleiertes“ und damit steuerpflichtiges Arbeitsentgelt darstellt, ist er beim Gesamtvergleich der Entgelte zu berücksichtigen (vgl.  - Rn. 34 ff.).

58bb) Dem Kläger wurde vertraglich eine Aufwandsentschädigung „pro geleistetem Arbeitstag beim Kundenbetrieb“ zugesagt. In den vorgelegten Lohnabrechnungen wurden unter den Bezeichnungen „Vma“, „Fahrgeld“ und „Fahrgeld-Kfz“ steuerfrei geleistete Zahlungen ausgewiesen. Das Landesarbeitsgericht wird im erneuten Berufungsverfahren - ggf. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien - feststellen müssen, ob diese Abrechnungen Steuerrecht verletzten (vgl. zu dieser Prüfungspflicht bereits:  - Rn. 37). Nur soweit dies der Fall ist, sind die zu Unrecht „netto“ gewährten Leistungen beim Gesamtvergleich der Entgelte zu berücksichtigen.

594. Der Kläger begehrt restliche Zahlung für 28 Stunden, die in der Abrechnung November 2010 als „Urlaubsabgeltung“ ausgewiesen sind.

60Die Urlaubsabgeltung ist bei durchgehender Überlassung an einen Entleiher gemäß § 7 Abs. 4, § 11 BUrlG zu berechnen. Es findet keine fiktive Berechnung auf der Basis des Arbeitsentgelts vergleichbarer Stammarbeitnehmer oder der für diese geltenden Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsbestimmungen statt, denn Voraussetzung für die Urlaubsabgeltung ist (regelmäßig) die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Damit endet spätestens auch die Überlassung des Leiharbeitnehmers, so dass ein Anspruch auf equal pay nicht mehr besteht. Bei der Berechnung des Urlaubsabgeltungsanspruchs ist nach § 11 BUrlG das Entgelt zugrunde zu legen, das der Leiharbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses erzielte, unabhängig davon, ob er in diesem Zeitraum durchgehend überlassen wurde.

Fundstelle(n):
BB 2014 S. 948 Nr. 16
DB 2014 S. 1262 Nr. 22
NJW 2014 S. 3472 Nr. 47
NJW 2014 S. 8 Nr. 18
NAAAE-61157