BGH Beschluss v. - 3 BGs 211/12; 2 BJs 162/11-2

Gründe

I.

1 Der Generalbundesanwalt führt gegen d. B. ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung und anderer Straftaten sowie gegen weitere Mitbeschuldigte wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und anderer Straftaten. Konkret ist d. B. verdächtig, gemeinsam mit eine terroristische Vereinigung gegründet zu haben, die in der Folgezeit eine Serie von Straftaten, insbesondere beging. Es besteht ferner der dringende Verdacht, dass sich d. B. neben den durchgängig bis an dieser Vereinigung als Mitglied beteiligt hat. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird insbesondere auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom sowie auf die Beschlüsse des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom und ... vom ... Bezug genommen.

II.

2 Die bisherigen Ermittlungen drängen zu dem Schluss, dass d. B. gemeinsam mit vom bis zum die von der Gruppierung genutzte Wohnung in der -straße in bewohnt hat. Die für diesen Bereich zuständige Postzustellerin, B. , hat gegenüber den Ermittlungsbehörden bekundet, sie könne über die näheren Umstände des Postverkehrs d. B. (Absender/Adresspersonalien, Häufigkeit von Postsendungen) Angaben machen, benötige hierfür jedoch eine Aussagegenehmigung ihrer Arbeitgeberin, der P. .

3 Der Generalbundesanwalt hat daraufhin die P. um die Erteilung einer Aussagegenehmigung für die genannte Mitarbeiterin gebeten. Hierzu hat die P. mit Schreiben vom Stellung genommen und mit Blick auf Art. 10 GG, § 39 PostG, § 206 StGB und §§ 99, 100 StPO die Rechtsauffassung vertreten, dass sie sich ohne eine richterliche Anordnung gemäß §§ 99, 100 StPO außerstande sehe, der Postzustellerin eine Aussagegenehmigung zu erteilen. Wegen der Einzelheiten wird auf das vorgenannte Schreiben vom verwiesen.

III.

4 Der Generalbundesanwalt hat beantragt,

die P. gemäß §§ 99, 100 Abs. 1 StPO zu verpflichten, durch Erteilung einer Aussagegenehmigung für ihre Angestellte B. Auskunft über die näheren Umstände des Postverkehrs d. B. zu erteilen.

Die Verteidiger d. B. haben mitgeteilt, zu diesem Antrag keine Stellungnahme abgeben zu wollen.

IV.

5 Die Voraussetzungen für die Anordnung der Postbeschlagnahme gemäß §§ 99, 100 StPO liegen vor.

6 1. Wegen des gegen d. B. bestehenden (dringenden) Tatverdachts wird auf die Ausführungen unter I. verwiesen.

7 2. Es ist anerkannt, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen der Postbeschlagnahme gemäß § 99 StPO statt dieser die - mit einem geringeren Eingriff in das Brief- und Postgeheimnis verbundene - Auskunft über die Postsendungen verlangt werden kann, die an den Beschuldigten gerichtet sind oder von ihm herrühren oder bei denen Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass sie von ihm herrühren oder für ihn bestimmt sind (vgl. BGH [Ermittlungsrichter], Beschluss vom - 2 BGs 458/11, unter II B; LG Hamburg, StV 2009, 404; Nack in KK-StPO, 6. Aufl., § 99 Rn. 11; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 99 Rn. 14; Löwe-Rosenberg/Schäfer, StPO, 25. Aufl., § 99 Rn. 29; ebenso Nr. 84 Satz 1 RiStBV).

8 Die Auskunft kann sich in entsprechender Anwendung des § 99 StPO auch auf solche Sendungen beziehen, die sich nicht mehr im Gewahrsam des Postunternehmens befinden (BGH [Ermittlungsrichter], Beschluss vom - 2 BGs 458/11, aaO; Nack in KK-StPO, aaO; BeckOK-StPO/Graf, Stand , § 99 Rn. 16; ebenso Nr. 84 Satz 2 RiStBV; a.A. LG Hamburg, aaO S. 404 f.; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. § 99 Rn. 14; Löwe-Rosenberg/Schäfer, aaO Rn. 30).

V.

9 Angesichts der Schwere des Vorwurfs und des Verdachtsgrades ist die angeordnete Maßnahme auch verhältnismäßig, zumal nicht der konkrete Inhalt von Postsendungen, sondern lediglich ihre äußeren Umstände Gegenstand der Anordnung sind. Die Maßnahme ist zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts erforderlich. Angesichts der besonders intensiven Abschottung d. B. und der weiteren Mitglieder gegenüber der Außenwelt sind Erkenntnisse über die Art und den Umfang der dennoch erfolgten Kommunikation von hoher Bedeutung, um näheren Aufschluss sowohl über das Verhalten d. B. und der übrigen Mitglieder als auch über das Verhalten und die Kommunikationswege der bereits bekannten und möglicher weiterer Unterstützer der Gruppe zu gewinnen.

10 Ein milderes Mittel, das ebenso erfolgversprechend wie die angeordnete Maßnahme ist, steht nicht zur Verfügung. Auch ist angesichts des vorstehend genannten Ermittlungszwecks eine engere als die in Ziffer 1 des Tenors vorgenommene Eingrenzung der Auskunftsverpflichtung weder in zeitlicher Hinsicht noch in Bezug auf die Art der Postsendungen sachgerecht. Die Anordnung ist vielmehr angesichts der hier gegebenen Besonderheiten auf den gesamten Zeitraum, in dem d. B. ihren Wohnsitz in der -straße in hatte, und auf alle an sie gerichteten oder von ihr herrührenden Postsendungen zu erstrecken.

VI.

11 Im Hinblick darauf, dass die P. als Auskunftsverpflichtete in ihrer oben genannten Stellungnahme für den Fall des Erlasses eines richterlichen Beschlusses gemäß §§ 99, 100 StPO in Aussicht gestellt hat, der für den früheren Wohnsitz d. B. zuständigen Postzustellerin B. eine Aussagegenehmigung zu erteilen, ist es sachgerecht, der P. zu gestatten, ihrer Auskunftsverpflichtung, soweit die Auskunft auf dem Wissen der genannten Postzustellerin beruht, durch die Erteilung einer Aussagegenehmigung nachzukommen (Ziffer 2 des Tenors). Die Auskunftsverpflichtung der P. hinsichtlich möglicher weitergehender Erkenntnisse bleibt hiervon unberührt.

Fundstelle(n):
TAAAE-60183