Urlaubsgeld Kabinenpersonal Condor Berlin - Kürzung bei Teilzeit
Gesetze: § 4 Abs 1 TVG, § 1 TVG
Instanzenzug: Az: 41 Ca 3617/11 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 18 Sa 1469/11 Urteil
Tatbestand
1Die Klägerin verlangt die Zahlung eines höheren Urlaubsgelds für das Jahr 2010.
2Die 1980 geborene Klägerin ist seit dem als Flugbegleiterin bei der Beklagten beschäftigt. Die Parteien sind hinsichtlich der Tarifverträge für das Kabinenpersonal der Condor Berlin GmbH tarifgebunden. Aufgrund des Änderungsvertrags vom wird die Klägerin seit dem in monatsreduzierter flexibler Teilzeit (Reduzierung der Arbeitszeit auf 76 %) eingesetzt. § 2 Abs. 3 des Änderungsvertrags lautet:
3In den auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifverträgen heißt es ua. wie folgt:
4Im Manteltarifvertrag Nr. 6 für das Bordpersonal in der ab dem geltenden Fassung (MTV Bordpersonal 2000) hieß es ua. noch:
5Nach § 6 des Vergütungstarifvertrags Nr. 35 für das Kabinenpersonal in der ab dem geltenden Fassung (VTV Kabine 2002) betrug der Zuschlag zum Urlaubsgeld 1.022,58 Euro (2.000,00 DM).
6Die Beklagte zahlte an die Klägerin für das Jahr 2010 ein Urlaubsgeld in Höhe von 777,46 Euro brutto. Mit Schreiben vom verlangte die Klägerin von der Beklagten die Auszahlung des ungekürzten Urlaubsgelds. Die von ihr beauftragte Gewerkschaft wiederholte diese Geltendmachung mit Schreiben vom . Die Beklagte lehnte eine weitere Zahlung ab.
7Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, nach § 4 Abs. 1 VTV Kabine habe jeder Mitarbeiter Anspruch auf ein Urlaubsgeld in Höhe von 1.022,58 Euro brutto. Eine Kürzung für Teilzeitbeschäftigte sei tariflich nicht vorgesehen.
8Die Klägerin hat beantragt,
9Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, das tarifliche Urlaubsgeld sei Vergütung im Rechtssinne. Deshalb verstehe es sich von selbst, dass der Anspruch für Teilzeitbeschäftigte nur pro rata temporis bestehe.
10Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Gründe
11A. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 245,12 Euro brutto Urlaubsgeld für das Jahr 2010. Ihr standen entsprechend ihrer regelmäßigen Arbeitszeit im Verhältnis zur Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Flugbegleiters nur 76 % des tariflichen Urlaubsgelds zu. Diesen Anspruch hat die Beklagte mit der Zahlung von 777,46 Euro brutto erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).
12I. Auf das Arbeitsverhältnis der tarifgebundenen Parteien fanden die Tarifverträge für das Kabinenpersonal der Condor Berlin GmbH gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG Anwendung. Nach § 4 Abs. 1 VTV Kabine erhält jeder Mitarbeiter mit der Vergütung im Monat Mai ein Urlaubsgeld in Höhe von 1.022,58 Euro.
13II. Der Klägerin ist zuzugestehen, dass der VTV Kabine für das Urlaubsgeld nicht ausdrücklich eine Berechnung entsprechend der geringeren Arbeitszeit eines Teilzeitbeschäftigten im Verhältnis zu einem Vollzeitbeschäftigten bestimmt. Das tarifliche Urlaubsgeld ist allerdings nicht als eine von der Arbeitsleistung unabhängige Zahlung ausgestaltet. Es hat Vergütungscharakter und ist zusätzliches Entgelt, das an tatsächlich erbrachte Arbeitsleistungen anknüpft. Das folgt aus der Auslegung des Tarifwerks. Es ist deshalb als Gegenleistung zur Arbeitsleistung entsprechend der geringeren Arbeitszeit eines Teilzeitbeschäftigten proportional zu kürzen (vgl. ErfK/Preis 14. Aufl. § 8 TzBfG Rn. 5).
141. Der von der Arbeitsleistung abhängige Vergütungscharakter des Urlaubsgelds folgt schon daraus, dass es in einem Vergütungstarifvertrag (VTV Kabine) geregelt ist. Dies wird durch § 1 VTV Kabine bestätigt. Danach regelt der VTV Kabine die Höhe des Arbeitseinkommens. Dem steht entgegen der Auffassung der Revision nicht entgegen, dass der VTV Kabine in seinem § 2 unter der Überschrift „Vergütung“ nur die monatliche Vergütung regelt, während er das Urlaubsgeld in § 4 unter der Überschrift „Urlaubsgeld“ festlegt. Der VTV Kabine unterscheidet lediglich zwischen den verschiedenen Formen der Vergütung. So bestimmt er in seinem § 6 die Vergütung für Standby- und Reserve-Tage. Nach der Argumentation der Revision hätte diese Regelung in § 2 VTV Kabine eingefügt werden müssen.
152. Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich allein aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 VTV Kabine, wonach „jeder Mitarbeiter“ ein Urlaubsgeld in Höhe von 1.022,58 Euro erhält, nicht schließen, dass es für die Höhe des Urlaubsgelds nicht auf den Umfang der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit ankommt, sondern jeder Mitarbeiter automatisch Anspruch auf die volle Leistung hat. § 4 Abs. 1 VTV Kabine bestimmt mit dem Begriff „jeder Mitarbeiter“ lediglich den Kreis der Anspruchsberechtigten iVm. § 1 VTV Kabine sowie § 1 MTV Kabine. Damit handelt es sich nicht um eine Regelung über Anspruchsentstehung, -wegfall und -höhe.
163. Maßgebend ist zudem der Zweck des Urlaubsgelds. Der Zweck einer tariflichen Jahressonderzahlung ergibt sich aus den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, von deren Vorliegen und Erfüllung die Leistung abhängig gemacht wird. Dabei kommt der Bezeichnung der Sonderzahlung zusätzliche Indizwirkung zu ( - zu II 1 b der Gründe, BAGE 108, 176).
17a) Der Senat hat angenommen, unter einer sog. arbeitsleistungsbezogenen Sonderzahlung sei eine Zahlung zu verstehen, die in das im vertraglichen Synallagma stehende Vergütungsgefüge eingebaut sei, ausschließlich die Entlohnung erbrachter Arbeitsleistung zum Gegenstand habe und darüber hinaus keine anderen Zwecke verfolge ( - zu I 2 c bb der Gründe).
18b) Hauptsächlicher, allerdings nicht alleiniger Zweck des Urlaubsgelds ist es, tatsächlich geleistete Arbeit zusätzlich zu honorieren.
19Der Entgeltcharakter folgt aus § 4 Abs. 2 VTV Kabine, wonach bei einer geringeren Betriebszugehörigkeit im Bezugsjahr nur ein Anspruch von einem Zwölftel für jeden vollendeten Beschäftigungsmonat besteht. Damit ist eine Arbeitsleistung Voraussetzung für einen (anteiligen) Anspruch. Dieser Zweck wird durch § 4 Abs. 3 und Abs. 4 VTV Kabine bestätigt. Danach werden für die Berechnung des Urlaubsgelds nur Zeiten berücksichtigt, in denen der Arbeitnehmer Arbeitsleistungen erbracht oder zumindest Anspruch auf Vergütung oder „Krankenbezüge“ hatte. Dem steht nicht entgegen, dass § 4 Abs. 1 VTV Kabine ein gewisses Maß an Betriebstreue verlangt, um den Anspruch entstehen zu lassen. Nach dieser Tarifvorschrift erhält der Mitarbeiter das Urlaubsgeld nur, wenn sein Arbeitsverhältnis seit dem 1. Juni des Vorjahres ununterbrochen bestand und nicht vor dem 31. Mai des laufenden Jahres endete. Mit einer solchen Regelung wird ein weiter gehender Zweck verfolgt ( - Rn. 20, BAGE 126, 301). Das ändert aber nichts am hauptsächlichen Vergütungscharakter des Urlaubsgelds. Insbesondere folgt aus der Kürzung bei Arbeitsunfähigkeitszeiten ohne Vergütungsanspruch, dass der Anspruch von der Erbringung der Arbeitsleitung abhängig ist (vgl. zu diesem Argument: - Rn. 15).
204. Dieser Auslegung steht nicht entgegen, dass die Höhe des Urlaubsgelds nicht von der Einordnung in die Vergütungsstufen des Tabellenentgelts abhängt. Die Tarifvertragsparteien haben insoweit eine zulässige Pauschalierung vorgenommen.
215. Die Tarifsystematik bestätigt die Auslegung, dass die Tarifvertragsparteien auch ohne ausdrückliche Anordnung grundsätzlich von einer zeitanteiligen Berechnung des Entgelts für Teilzeitbeschäftigte ausgingen.
22So erhält jeder Flugbegleiter das in § 2 Abs. 1 VTV Kabine festgelegte monatliche Tabellenentgelt. Dieses basiert auf einer Vollzeittätigkeit von 67,5 Flugstunden monatlich. Nach § 2 Abs. 4 VTV Kabine werden Flugstunden über 67,5 Stunden pro Monat (Mehrflugstunden) gesondert (zusätzlich) vergütet. Dem entspricht § 9 Abs. 2 Buchst. a MTV Kabine, wonach jeder Mitarbeiter eine garantierte monatliche Gesamtvergütung erhält, die auf 67,5 Flugstunden im Monat basiert. Mitarbeiter, die nicht den ganzen Monat hindurch beschäftigt werden, erhalten eine nach Kalendertagen bemessene Vergütung (§ 9 Abs. 5 Satz 1 MTV Kabine). Für Mitarbeiter, die wie die Klägerin in monatsreduzierter flexibler Teilzeit gemäß § 3 Abs. 2 TV Teilzeit Kabine arbeiten, regeln die Tarifverträge nicht ausdrücklich eine entsprechende Reduzierung des Tabellenentgelts. Dennoch kann nicht angenommen werden, auch die Teilzeitmitarbeiter hätten Anspruch auf das ungekürzte Tabellenentgelt. Diese Auslegung behauptet selbst die Klägerin nicht. Sie würde auch den weiteren Regelungen im TV Teilzeit Kabine widersprechen. So wird nach § 2 Abs. 8 TV Teilzeit Kabine die Anzahl der Urlaubstage der Teilzeitmitarbeiter entsprechend ihrem Teilzeitfaktor reduziert. Abweichend hiervon kann der Mitarbeiter, der in monatsreduzierter flexibler Teilzeit arbeitet, gemäß § 3 Abs. 2 Ziff. 2.2 Satz 1 TV Teilzeit Kabine den vollen, ihm nach § 15 MTV Kabine zustehenden Jahresurlaub beanspruchen. Die (vergütungsmäßige) Bewertung der (ungekürzten) Urlaubstage erfolgt dann anteilig entsprechend dem Teilzeitfaktor (§ 3 Abs. 2 Ziff. 2.2 Satz 2 TV Teilzeit Kabine). Damit unterstellen die Tarifvertragsparteien, dass das Tabellenentgelt bei Teilzeit pro rata temporis gekürzt wird. Es wäre mit § 11 BUrlG nicht vereinbar, das Entgelt nur während des Urlaubs zu verringern. Eine solche rechtswidrige Regelung kann den Tarifvertragsparteien nicht unterstellt werden.
236. Auch die Tarifgeschichte führt zu keinem anderen Ergebnis.
24a) Nach § 14a Abs. 2 MTV Bordpersonal 2000 bestimmte der jeweils geltende Vergütungstarifvertrag die Höhe des Zuschlags zum Urlaubsgeld. Gemäß § 6 VTV Kabine 2002 betrug dieser Zuschlag als Festbetrag 1.022,58 Euro (2.000,00 DM). Demgegenüber berechnete sich das jährliche 13. Monatsgehalt (Urlaubs-/Weihnachtsgeld) gemäß § 14 Abs. 1 MTV Bordpersonal 2000 jeweils zu einem halben Betrag aus dem dem jeweiligen Mitarbeiter für die Monate Mai und November zustehenden Grundgehalt.
25b) Diese Anknüpfung des 13. Monatsgehalts an das geschuldete Gehalt im jeweiligen Referenzmonat hätte bei einem Teilzeitbeschäftigten zu einer entsprechenden Kürzung des 13. Monatsgehalts pro rata temporis geführt. Aus dem Umstand, dass die Tarifvertragsparteien für den Zuschlag zum Urlaubsgeld nach § 14a MTV Bordpersonal 2000 gerade auf diese Anknüpfung an das individuell zustehende Gehalt verzichteten, könnte sich schließen lassen, dass hier ein von den individuellen Umständen unabhängiger Festbetrag und damit keine Vergütung im engeren Sinne geschuldet werden sollte. Allerdings fehlten in § 14a MTV Bordpersonal 2000 die jetzt im VTV Kabine enthaltenen Regelungen zur Kürzung des Urlaubsgelds für Zeiten ohne Vergütungsanspruch. Dies war nur für das 13. Monatsgehalt in § 14 Abs. 3 MTV Bordpersonal 2000 geregelt. Das spricht dafür, dass die Tarifvertragsparteien mit der Aufnahme dieser Regelungen in den VTV Kabine dem Urlaubsgeld nunmehr einen Vergütungscharakter beimessen wollten. Das haben sie dadurch dokumentiert, dass der Zuschlag zum Urlaubsgeld nunmehr in einem Vergütungstarifvertrag und nicht mehr im Manteltarifvertrag geregelt ist.
26B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2015 S. 1333 Nr. 22
PAAAE-60180