BGH Urteil v. - III ZR 443/13

Wohnungseigentum: Wirksamkeit einer einseitigen Willenserklärung des Verwalters im Namen der Gemeinschaft

Leitsatz

§ 174 Satz 1 BGB ist auf einseitige Willenserklärungen des Verwalters im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf der Grundlage einer Vereinbarung oder eines Beschlusses der Wohnungseigentümer nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG anwendbar.

Gesetze: § 174 S 1 BGB, § 27 Abs 3 S 1 Nr 7 WoEigG

Instanzenzug: Saarländisches Az: 2 U 76/13vorgehend Az: 9 O 374/11

Tatbestand

1Die Parteien streiten um die vertragliche Vergütung für Gebäudeserviceleistungen für den Zeitraum von Dezember 2010 bis November 2011.

2Die Parteien schlossen am 1./ zwei Grundstücks- und Gebäudeserviceverträge, worin die Klägerin mit Wirkung zum 1. August beziehungsweise den Hausbetreuerservice in der Wohnanlage der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft übernahm. Als Vergütung wurden monatlich 490 DM beziehungsweise 320 DM, jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer, vereinbart (insgesamt 492,83 € monatlich). Zuletzt wurden ab Januar 2009 monatlich 522,83 € gezahlt, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob es eine Vereinbarung über die Erhöhung des zu zahlenden Entgelts in Höhe von 30 € pro Monat gab. In § 5 beider Urkunden war eine Vertragslaufzeit von fünf Jahren vorgesehen. Weiter war bestimmt: "Nach Ablauf der Vertragslaufzeit kann der Vertrag von beiden Seiten mit einer Frist von vier Wochen zum Quartalsende gekündigt werden. Wird der Vertrag nicht aufgelöst, verlängert er sich um weitere fünf Jahre. Die Kündigung bedarf der Schriftform".

3In der Eigentümerversammlung der Beklagten vom wurde mehrheitlich beschlossen, den bisherigen Verwalter abzuberufen und die Verträge mit der Klägerin außerordentlich zum zu kündigen. Der neu bestellte Hausverwalter teilte der Klägerin mit Telefaxschreiben vom mit, dass er in Ausführung des Beschlusses vom den Hausmeistervertrag fristlos kündige; die Kündigung gehe auf eine permanente Schlechtleistung der Mitarbeiter der Klägerin zurück. Zugleich wurde ein Hausverbot ausgesprochen. Die Klägerin widersprach mit Schreiben vom der Kündigung und rügte die fehlende "Vollmacht/Vollmachtsvorlage" des Verwalters. Mit Schreiben vom teilte der Verwalter der Klägerin mit, er "präzisiere" die Kündigung vom 3. Dezember auf "die beiden Verträge zum Preis von 490 DM bzw. 320 DM. Beide Verträge tragen die Unterschriftsdatierungen /."

4Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung der vertraglichen Vergütung in Höhe von insgesamt 6.273,96 € nebst Zinsen sowie vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen. Das Landgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klage die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.971,32 € nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 229,55 € nebst Zinsen zu zahlen.

5Beide Parteien haben gegen dieses Urteil erfolglos Berufung beziehungsweise Anschlussberufung eingelegt.

6Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag in vollem Umfang weiter.

Gründe

7Die Revision hat überwiegend Erfolg.

I.

8Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Belang - ausgeführt, dass die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom unwirksam sei. Die Beklagte habe im Prozess keine konkreten Gründe für die fristlose Kündigung vorgetragen. Im Übrigen sei die Kündigungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB verstrichen. Die fristlose Kündigung sei jedoch nach § 140 BGB in eine ordentliche umzudeuten. Die erforderliche Schriftform sei gewahrt. Im Ergebnis erfolglos wende sich die Klägerin dagegen, dass die Kündigung vom nicht gemäß § 174 Satz 1 BGB wirksam zurückgewiesen worden sei. Eine Zurückweisung der Vollmacht nach § 174 Satz 1 BGB sei nicht möglich, wenn die Vertretungsmacht nicht auf einer Erteilung einer Vollmacht durch den Vertretenen, sondern auf gesetzlicher Grundlage beruhe. Im vorliegenden Fall ergebe sich die Vollmacht zur Kündigung für den Wohnungseigentumsverwalter jedenfalls aus § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG. Dabei handele es sich um eine gesetzliche Vertretungsmacht, auf die § 174 Satz 1 BGB nicht anwendbar sei. Es könne deshalb dahinstehen, ob der Berufung der Klägerin auf § 174 BGB Treu und Glauben nach § 242 BGB entgegenstehe. Im Übrigen beinhalte das Schreiben des Verwalters vom auch eine Neuvornahme der Kündigung, welche die Klägerin nicht unverzüglich gemäß § 174 BGB zurückgewiesen habe. Die ordentliche Kündigung des Verwalters führe zur Beendigung des Vertrags zum . Dem stehe auch die Laufzeitregelung des § 5 des Vertrags nicht entgegen. Die Auslegung ergebe, dass jedenfalls nach Ende einer bei einmaliger Verlängerung um fünf Jahre insgesamt zehnjährigen Laufzeit beide Verträge mit einer Frist von vier Wochen zum Quartalsende hätten gekündigt werden können. Im Übrigen habe die Klägerin eine Erhöhung des monatlichen Vergütungsanspruchs um 30 € nicht schlüssig und hinreichend substantiiert dargelegt.

II.

9Das Berufungsurteil hält einer rechtlichen Nachprüfung überwiegend nicht stand.

101. Ein Zahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 492,83 € monatlich für die Zeit von April bis November 2011 kann nach derzeitigem Sach- und Streitstand nicht verneint werden, weil die Kündigung vom unwirksam ist.

11a) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des Vertrags zwischen den Parteien hinsichtlich der Laufzeit und der Kündigungsmöglichkeit nach Ablauf von zehn Jahren lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

12b) Die Kündigung vom war aber entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unwirksam. Der Kündigung lag eine Vollmachtsurkunde nicht bei. Die Klägerin hat der Kündigung unverzüglich unter Hinweis hierauf widersprochen. Nach § 174 Satz 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn dem Bevollmächtigten eine Vollmachtsurkunde nicht vorliegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist.

13Die Vollmacht des Verwalters der Beklagten für die ausgesprochene Kündigung ergab sich hier nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die die Revision hinnimmt, aus § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG. Nach dieser Vorschrift ist der Verwalter berechtigt, im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und mit Wirkung für und gegen sie sonstige Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, soweit er hierzu durch Vereinbarung oder Beschluss der Wohnungseigentümer mit Stimmenmehrheit ermächtigt ist. Diese Ermächtigung zur Kündigung des Dienstvertrages mit der Klägerin war mit Beschluss vom erfolgt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist § 174 BGB auf eine derartige Fallgestaltung anwendbar.

14aa) Beruht die Vertretungsmacht nicht auf der Erteilung einer Vollmacht durch den Vertretenen, sondern auf gesetzlicher Grundlage, scheidet eine Zurückweisung nach § 174 Satz 1 BGB regelmäßig aus. Die gesetzliche Vertretungsmacht beruht nicht auf einer Willensentscheidung des Vertretenen. Sie kann nicht durch eine Vollmachtsurkunde nachgewiesen werden. § 174 BGB mutet die mit der Inanspruchnahme gesetzlicher Vertretung verbundene Unsicherheit über die Wirksamkeit des Bestehens der behaupteten Vertretungsmacht dem Erklärungsempfänger zu (vgl. , NJW 2002, 1194, 1195). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht das Recht zur Zurückweisung auch nicht im Falle organschaftlicher Vertretung. Die organschaftliche Vertretungsmacht beruht auf der Bestellung des Vertreters zum Organ einer juristischen Person, die nur durch ihre Organe am Rechtsverkehr teilnehmen kann. Der Unsicherheit über die in Anspruch genommene organschaftliche Vertretungsmacht wirkt die grundsätzlich vorgeschriebene Eintragung des Vertreters als Organ in ein öffentliches Register entgegen. Aus diesem ergeben sich die Personen des Organs und der Umfang ihrer Vertretungsmacht (BGH aaO). Da es bezüglich einer (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts kein öffentliches Register gibt, dem sich die Vertretungsverhältnisse entnehmen lassen, hat der Bundesgerichtshof § 174 BGB auf die Vertretung der Gesellschaft ungeachtet dessen angewendet, dass der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Teil-)Rechtsfähigkeit zukommt (grundlegend insoweit , BGHZ 146, 341). Der Empfänger einer für die Gesellschaft abgegebenen Erklärung habe vielfach weder Kenntnis von der Existenz der Gesellschaft noch von deren Vertretungsverhältnissen. Handele der Geschäftsführer der Gesellschaft allein, sei es ihm demgegenüber ohne weiteres möglich, entweder eine Vollmacht der übrigen Gesellschafter vorzulegen oder die von ihm aus dem Gesellschaftsvertrag in Anspruch genommene Vertretungsmacht durch dessen Vorlage oder die Vorlage einer Erklärung aller oder der übrigen Gesellschafter über eine nach §§ 709, 714 BGB abweichende Regelung der Vertretung der Gesellschaft zu belegen (vgl. aaO).

15bb) Diese Erwägungen führen im Ergebnis dazu, dass § 174 Satz 1 BGB auf einseitige Willenserklärungen des Verwalters im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf der Grundlage einer Vereinbarung oder eines Beschlusses der Wohnungseigentümer nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG anwendbar ist.

16Durch das Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom (BGBl. I S. 370) ist unter Berücksichtigung des Beschlusses des V. Zivilsenats vom (V ZB 32/05, BGHZ 163, 154), wonach auch einer Wohnungseigentümergemeinschaft (Teil-)Rechtsfähigkeit zuzubilligen ist, § 27 WEG neu gefasst worden. Danach ist der Verwalter einerseits gesetzlicher Vertreter der Wohnungseigentümer, andererseits Organ der Gemeinschaft, dem nach Maßgabe des § 27 Abs. 2 und 3 WEG in bestimmtem Umfang Vertretungsbefugnisse eingeräumt werden (Jennißen/Heinemann, WEG, 3. Aufl. 2012, § 27 Rn. 2 mwN; siehe auch BT-Drucks. 16/887 S. 56, 70 f sowie 16/3843 S. 26). Dabei macht der Verwalter von einer gesetzlichen Vertretungsmacht auch dann Gebrauch, wenn sich die Vertretungsbefugnis - wie hier - aus § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG n.F. ergibt; denn nach dieser Bestimmung steht dem Verwalter die Vertretungsmacht bereits kraft Gesetzes mit dem Vorliegen einer Vereinbarung oder des Ermächtigungsbeschlusses zu, ohne dass es dazu einer zusätzlichen, an den Verwalter gerichteten Willenserklärung bedarf (Bärmann/Merle, WEG, 12. Aufl., § 27 Rn. 253; Jennißen/Heinemann aaO § 27 Rn. 117).

17Auch wenn somit vorliegend ein Fall der organschaftlichen beziehungsweise gesetzlichen Vertretungsmacht gegeben ist, ist § 174 Satz 1 BGB gleichwohl anwendbar. Der Gesetzgeber hat mit § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG den Wohnungseigentümern die Kompetenz eingeräumt, dem Verwalter durch Mehrheitsbeschluss eine weitergehende Vertretungsmacht als die bereits gesetzlich vorgesehene zu erteilen (vgl. BT-Drucks. 16/887 S. 71). Ob einem Verwalter nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG eine über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehende Vertretungsmacht eingeräumt ist, ist aber weder in einem Register vermerkt noch sonst für den Geschäftsverkehr überprüfbar. Der Schutzzweck des § 174 Satz 1 BGB ist daher auch in dem Fall der Bevollmächtigung des Verwalters der Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG berührt. Der am einseitigen Rechtsgeschäft nicht willentlich Beteiligte hat ein schützenswertes Interesse an Sicherheit darüber, ob der handelnde Vertreter bevollmächtigt war und das Rechtsgeschäft Wirksamkeit erlangt hat (vgl. Staudinger/Schilken, BGB, Neubearb. 2009, § 174 Rn. 1).

18Für eine Anwendung des § 174 BGB spricht auch, dass der Gesetzgeber in § 27 Abs. 6 WEG bestimmt hat, dass der Verwalter von den Wohnungseigentümern die Ausstellung einer Vollmachts- und Ermächtigungsurkunde verlangen kann, aus der der Umfang der Vertretungsmacht ersichtlich ist. Da sich der Gesetzgeber gegen die Schaffung eines Registers, das die Wohnungseigentümergemeinschaft und den Verwalter ausweist, entschieden hat, kommt der Nachweis der Vertretungsbefugnis durch einen Registerauszug und eine Registerbescheinigung wie bei Vereinen, Gesellschaften oder Genossenschaften nicht in Betracht. Diese fehlende Registerpublizität versucht Absatz 6 dadurch zu kompensieren, dass er dem Verwalter einen Anspruch auf Ausstellung einer Urkunde einräumt, aus der sich seine Vertretungsmacht ergibt (Jennißen/Heinemann aaO Rn. 144). Dementsprechend wird in der Literatur auch zu Recht darauf hingewiesen, dass die Urkunde nach § 27 Abs. 6 WEG dieselben Rechtswirkungen zeitigt, wie eine Vollmachtsurkunde im Sinne des § 172 BGB (Jennißen/Heinemann aaO Rn. 163; vgl. auch Bärmann/Merle, WEG, aaO § 27 Rn. 316 ff).

19c) Die Beendigung des Vertrages kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts derzeit auch nicht aufgrund des Schreibens des Verwalters der Beklagten vom festgestellt werden. Das Berufungsgericht hat insoweit in dem Schreiben eine erneute Kündigung gesehen, ohne dies näher darzulegen. Die Ausführungen des Berufungsgerichts reichen nicht aus, um insoweit den Tatbestand einer Kündigungserklärung auszufüllen. Die unzureichenden Feststellungen beruhen auch auf einem Verstoß gegen § 139 ZPO, da die Parteien sich zu dieser Rechtsauffassung des Berufungsgerichts mangels Hinweises nicht haben erklären können.

202. Unbegründet ist die Revision der Kläger jedoch, soweit sie geltend macht, ihr stehe auch der um 30 € monatlich erhöhte Betrag für die Vertragslaufzeit vom bis zum zu. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass die Klägerin einen substantiierten Vortrag zu einer Vereinbarung der Erhöhung der monatlichen Vergütung nicht gehalten hat. Derartiger Vortrag wird auch in der Revisionsbegründung nicht aufgezeigt. Da die Klägerin für eine Erhöhung der ursprünglich vereinbarten monatlichen Vergütung darlegungs- und beweisbelastet ist, kann die Revision insoweit keinen Erfolg haben.

213. Das Berufungsurteil war im Umfang der begründeten Revision aufzuheben und die Sache mangels Entscheidungsreife an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Zur Auslegung des Schreibens vom einschließlich der Frage einer Bestätigung der vormaligen Kündigung nach § 141 BGB werden die Parteien im weiteren Verfahren Gelegenheit haben, Stellung zu nehmen.

Schlick                      Herrmann                     Wöstmann

               Seiters                           Reiter

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
DNotZ 2014 S. 444 Nr. 6
NJW 2014 S. 1587 Nr. 22
NJW 2014 S. 6 Nr. 13
NWB-Eilnachricht Nr. 13/2014 S. 897
WM 2014 S. 1301 Nr. 27
DAAAE-59313